Wie Elon Musk mit dem Ex-Gutscheinpony-Chef Axel Hesse vor dem Berghain landete

Florian Heide13.10.2022

Mit Trash-TV wurde der ehemalige Affiliate-Unternehmer bekannt. Jetzt ist er spirituell erwacht – und schmeißt Partys für Superreiche

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In den frühen Zehnerjahren galt Axel Hesse als Protzmichel der deutschen Affiliate-Szene. Dann zog er in die Ukraine und es wurde ruhig um ihn. Nun will er in Deutschland wieder Fuß fassen – und zeigt sich als spiritueller Networker der Superreichen. Das Porträt eines Mannes, der sich komplett verändert hat und trotzdem gleich geblieben ist.

Am Abend des zweiten April 2022 steht Axel Hesse in einer Kunstgalerie nahe dem Berliner Mauerpark und zappelt aufgeregt mit den Händen. Ihm gegenüber steht Elon Musk und hört zu. In dem Video, das OMR vorliegt, ist zu sehen, wie Hesse eine spezielle Atemtechnik vorführt. Er will damit ausgerechnet den Mann, der Raketen auf den Mars zu schießen plant, zu noch mehr Leistungen befähigen.

Der Glücksritter und das Gutscheinpony

Vielen, die in der Online-Marketing-Branche arbeiten, dürfte der Name Axel Hesse noch ein Begriff sein. Mit Gutscheinpony, einer von ihm gegründeten Online-Plattform für Shopping-Rabatte, avanciert er zwischen 2009 und 2013 zu einem der bekanntesten Gesichter der Affiliate-Szene.

Hesse wird schnell auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Vor allem durch seine zahlreichen TV-Auftritte in Trash-Formaten wie „Auf und davon“ und „Das Aschenputtel-Experiment“, wo er mit seinem exzessiven Luxusleben protzt und polarisiert. Hesse weiß um die Folgen seiner Inszenierung. „Das war teilweise plumper Quatsch, aber das hat Gutscheinpony extrem Traffic gebracht“, sagt er bereits 2017 rückblickend zu OMR.

Eine pinke Stretchlimo voller Kumpels und Frauen

Auch Daniel Engelbarts erinnert sich an Axel Hesse und den Aufstieg von Gutscheinpony. Engelbarts hat 2008 Sparwelt gegründet, ein Schnäppchenportal und Konkurrent von Gutscheinpony. „Sie kamen aus dem Nichts und waren sofort auf der Überholspur“, sagt er.

Hesse habe ein schillerndes, verrücktes Auftreten an den Tag gelegt, wo er hingekommen sei. „Damit stand er wie kein anderer für den Erfolg des Gutscheinponys“, sagt Engelbarts. Einmal, erinnert er sich, sei Hesse mit seiner pinken, gebrandeten Stretchlimousine „voller Kumpels und Frauen“ zur Branchenmesse Dmexco gefahren.

2012 bis 2013 waren Jahre, in denen in der gesamten Affiliate-Szene viel Geld floss. Retailmenot (früher: Whaleshark Media), ein großer, von Google finanzierter US-amerikanischer Player, war im Begriff, europäische Gutscheinplattformen für Millionensummen aufzukaufen. Laut Engelbarts habe es auch mit Sparwelt und Gutscheinpony Übernahmegespräche gegeben. Doch der Stil des Lebemanns Axel Hesse sei nicht gut angekommen. „Die Übernahmegespräche mit Gutscheinpony sind angeblich auch deshalb abgebrochen worden“, sagt Engelbarts. Hesse sagt, Gutscheinpony sei damals zu klein gewesen.

Die alten Weggefährten halten sich bedeckt

Um das Jahr 2014 kommt es zu einem Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern von Gutscheinpony. Zwischen Mai 2014 und November 2015 scheiden vier von fünf Gesellschaftern aus, das geht aus Geschäftsberichten hervor. Auch Hesse verlässt unfreiwillig die Gutscheinplattform, spricht in einem Brancheninterview sogar von „Enteignung“.

Nur einer bleibt im Unternehmen: Der Münchner Rechtsanwalt Hans-Jürgen Schwerin. Er ist bis heute Geschäftsführer der MenschDanke GmbH, die hinter Gutscheinpony steckt. OMR hat versucht mit Schwerin und anderen ehemaligen Mitgesellschaftern von Axel Hesse Kontakt aufzunehmen. Keiner von ihnen hat reagiert oder wollte mit OMR sprechen.

Neues Land, alte Muster

Partys ziehen sich wie ein roter Faden durch Axel Hesses Leben. In den 90er-Jahren beginnt er seine Veranstalterkarriere, als er nach seinem abgebrochenen BWL-Studium Aftershowpartys für Konzerte von Marilyn Manson oder Metallica organisiert. Für Gutscheinpony hat er die Partykultur zum Marketinggag umgemünzt. 2014, als Hesse in die Ukraine zieht, wird sie zu seinem Kernbusiness. Er gründet zwei Apps dafür. Sie sollen Gästelisten von Clubs digital verwalten oder deren Tanzfläche live auf Facebook übertragen (wir berichteten). Beide scheitern.

Hesse engagiert sich vermehrt als Speaker und Business-Coach. 2015 arbeitet er als Mentor beim Berliner Founders Institute, der Startup-Schmiede von Silicon-Valley-Investor Adeo Ressi. Das hat das Founders Institute OMR bestätigt. Um sich ins Gespräch zu bringen, setzt Hesse auf einen alten Trick: Er tritt bei „Kyiv Day and Night“ auf, dem ukrainischen Ableger von „Berlin Tag und Nacht“. Seine Rolle: Ein reicher deutscher Unternehmer, der mit Geldbündeln durch die Luft wedelt und seine große Liebe sucht.

Er ist zurück – aber ein Anderer

Obwohl er immer umtriebig war, ist es hierzulande in den vergangenen Jahren ruhig um Axel Hesse geworden. Das soll sich jetzt ändern. Denn der 52-Jährige will wegen des anhaltenden Ukraine-Kriegs zumindest einen Teil seiner Geschäfte wieder nach Deutschland verlagern.

Von dem protzigen, exzessiven Hesse von damals scheint auf den ersten Blick nicht mehr viel übrig zu sein. Bei einem Treffen im vergangenen August trägt er ein weißes Shirt und Basketballshorts, statt wie früher Hemd und Krawatte. „Ich habe mich in der Ukraine verloren, wiedergefunden und selbst geheilt“, sagt er. Wie schnell der Ausbruch des Ukraine-Kriegs näher rückt, habe er noch in Kiew „gespürt“ und deshalb gerade noch rechtzeitig das Land verlassen.

Heute wandelt Hesse zwischen Berlin, Prag und Warschau. Und es wird klar: Osteuropa hat Hesse verändert. Er ist noch immer muskulös, braungebrannt und trägt Hipster-Bart. Doch er fühlt sich jetzt dem Spirituellen zugeneigt. Statt auf der Rückbank einer Stretchlimousine lehnt er sich lieber im Eisbad zurück, statt donnernden Clubbässen lauscht er nun den Klängen kolumbianischer Soundheilerinnen. Vor kurzem war er für eine Ayahuasca-Zeremonie auf der Kolibrifarm des Brands4friends-Gründers Constantin Bisanz auf Korfu. Er hat OMR sogar ein Bild davon geschickt.

Jobbeschreibung: Telegram-Admin

Hesse weiß viel zu berichten aus den vergangenen Jahren, vieles davon klingt skurril. Es geht um Mantren und Energien, um Selbstheilung – und um ein Netzwerk der „Tech-Elite“, das er sich aufgebaut habe. Im Zentrum seines Schaffens stehe eine Telegram-Gruppe mit rund 40 Mitgliedern. „Viele davon sind aus dem Silicon Valley“, sagt er.

Die würden mal Tickets für die Met-Spendengala in New York City brauchen, mal jemanden, der eine Location für eine Aftershowparty nach einem Rammstein-Konzert ausfindig mache. Also doch wieder Partys? „Nicht ganz“, sagt er. „Ich erfülle Leuten bucketlistmäßige Wünsche.“ Wer Teil dieser ominösen Telegram-Gruppe ist, verrät er OMR nicht. Diskretion sei im Umgang mit solchen Leuten oberstes Gebot.

„Ich war’s“

Als Networker der Tech-Elite, der er ja nun mittlerweile ist, und dazu auch noch einer, der in Deutschland wieder Fuß fassen will, hat Axel Hesse auch gleich eine aufmerksamkeitserregende Nachricht zu verkünden: „Ich war’s“, sagt er. Und meint damit dann doch wieder eine Party.

Hesse sagt, er habe Anfang April die viertägige Geburtstagsfeier für Adeo Ressi organisiert, den Gründer des Founders Institutes aus Kalifornien. Entsprechendes Videomaterial liegt OMR vor. Darauf zu sehen ist eine feiernde Partygemeinde, die mal in einem Restaurant diniert, mal eine Kunstausstellung besucht. Es wird Kuchen angeschnitten – und in einem Partybus gefeiert. Axel Hesse ist dort ebenfalls zu sehen, er steht unter anderem neben Adeo Ressi und dem Stargast: Tech-Milliardär Elon Musk.

Es ist die Partygemeinde, mit der Musk Anfang April durch mehrere Berliner Clubs tourt. Und unter anderem vor den Türen des berühmten Techno-Clubs Berghain landet, von wo aus er einen Tweet absetzt, über den tags darauf Mediendeutschland diskutiert und eine Berliner Band sogar einen Song verfasst. Musk schreibt darin, er wollte nicht in den Club rein, der für seine strenge Türpolitik bekannt ist und schon Promis wie Britney Spears abwies. Twitter sagt: Musk ist an der härtesten Tür Deutschlands gescheitert. Hesse sagt, er habe nicht erkannt werden wollen. „Er hat die Schlange vor dem Club gesehen und sich dagegen entschieden.“

Was bespricht man mit Elon Musk?

Wie die Gästeliste darüber hinaus aussah, beantwortet Hesse nicht. Und nur einer der weiteren Partygäste ist zu einem Gespräch bereit: Matthias Nebus. Er gründete einst die E-Commerce-Schuhplattform Mybudapester. Und sagt, er habe es Hesse zu verdanken, dass er auf Ressis Geburtstag bei einem Abendessen neben Tech-Milliardär Elon Musk sitzen durfte.

Hesse habe ihn angerufen und gesagt: „Komm sofort her, er sitzt neben mir.“ Und plötzlich sitzt er in einem Restaurant neben dem Tech-Milliardär, den man sonst nur aus Twitter oder den Nachrichten kennt. „Was erzählst du Elon Musk, was du für Business machst? Ich verkaufe Schuhe“, sagt er.

Über seinen besten Freund und Mentor Hesse sagt er: „Keiner kennt mehr als er, es gibt keinen, an den er nicht rankommt“. Dabei gehe es bei solchen Veranstaltungen eigentlich nie direkt darum, Geschäfte zu machen. „Es geht darum, zwischenmenschliches Vertrauen aufzubauen. Ich würde den Teufel tun, auf solchen Treffen über Geschäftliches zu sprechen“, sagt er.

Woher kommt sein Geld?

Mit seinem neuen Job als Networker verdient Hesse kein Geld. Aber wie finanziert er sich? Immerhin legen von ihm gelieferte Screenshots nahe, dass er mehr als 1.500 Nächte in den vergangenen zehn Jahren in Hotels verbracht hat, die meiste Zeit davon in Prag, Warschau oder Kiew.

Hesses heutige Geschäftsverflechtungen und Beteiligungen sind für Außenstehende nicht leicht zu verstehen. Eine von ihm 2012 gegründete Beteiligungsgesellschaft, Cake Capital, ging 2014 in der FreudeSchenken AG auf. Darüber halte er 32,5 Prozent an dem Unternehmen.

Die Freudeschenken AG betreibt Vicodo, eine Videotelefonie-App für B2B-Unternehmen nach Zoom-Vorbild. Das sei, so Hesse, seine Haupteinnahmequelle. Das Unternehmen erziele rund zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr. Hesse ist außerdem Geschäftsführer der Flamingo Road UG, mit der er CBD-Öl unter dem Namen „Traumtropfen“ verkauft und der Nitro Capital Beteiligungs GmbH.

Seine Firmenbeteiligungen zeigen: Hesse ist ein Tausendsassa – und ein Daueroptimist. Immerhin will er neben CBD und dem Networking nun auch ausgerechnet in NFTs einsteigen. „Ich will die berühmtesten deutschen Maler mit NFT-Künstlern vernetzen“, sagt er. Und bleibt trotz der miserablen Marktaussichten wie immer optimistisch. „Mein Netzwerk schreit förmlich nach Kunst“, sagt er.

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Florian Heide
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Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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