Wie sieht die Zukunft von Werbung auf Apples Smartwatch aus?

Nils Jacobsen19.6.2015
(Foto: LWYang, CC BY-NC 2.0)

Durch die neue Smartwatch von Apple entstehen neue Chancen für Marketer

(Foto: LWYang, CC BY-NC 2.0)

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Fünf Jahre sind seit dem Launch des iPads vergangen – jetzt will Apple mit der Apple Watch angreifen. Seit April kann das neuste Produkt aus Copertino in 38 verschiedenen Modellen für 399 bis 18.000 Euro (sic!) bestellt werden. Und nicht nur, weil die Auslieferung immer noch schleppend vorangeht, ist die teure Armbanduhr höchst umstritten. Gastautor Nils Jacobsen hat die Apple Watch einen Monat lang getestet. Sein Eindruck bisher: durchwachsen. Ein echter Mehrwert, also Funktionen, dies es so nicht schon auf dem iPhone gibt, fehlen. Und überhaupt gibt er erst sehr wenige verfügbare Apps. Facebook beispielsweise hat, anders als beim Start des AppStores beim iPhone, zum Launch der Watch auf eine passende App verzichtet. Was bedeutet das für die Marketing-Branche, die schon in den Startlöchern steht und den neuen Kanal bespielen will?

 

Während der einmonatigen Testphase der Apple Watch ist schnell klar: Im Vergleich zu Smartphone oder Tablet ist alles anders in der Nutzung. Mails gleichen in ihrer Darstellung einer SMS aus den späten 90er-Jahren, Tweets erinnern an Pager-Nachrichten und Instagram-Bilder wirken wie – nun ja: Briefmarken. Entsprechend haben sich auch für Online-Marketer beim neuen Apple-Gadget die Spielregeln verändert. Fest steht: Das Display ist mit 38 bzw. in der großen Modell-Variante mit 42 Millimetern eigentlich viel zu klein für traditionelle Werbeformen.

Apple Watch-Launch: Marketer versuchen es zum Start mit briefmarkengroßen Display Ads

Trotzdem sind klassische Display-Ads die ersten, die in diesen Tagen auf der Apple Watch zu sehen sind. Etwa auf der App von Spiegel Online: Hier wird beim Hamburger Nachrichtenmagazin nach drei kurzen 1-Satz-Schlagzeilen („Trotz Nachbeben: Königsplätze in Nepal wieder für Touristen geöffnet“) eine Anzeige von Seat ausgespielt. Zu sehen auf 1 x 2,5 cm: der neue Seat. Betextet mit: „Der Eine, bei dem alles passt“. Mikroskopisch große Unterzeile: „Seat Leon ST. Technologie trifft Fahrerspaß.“ Interaktivität auf der Apple Watch: nicht vorhanden. Was nach dem Klick passiert: Eine Weiterleitung auf eine reine Textseite, die den Werbeslogan wiederholt und dann ergänzt: „Jetzt erleben auf seat.de“. Darunter der dezente Hinweis: Weiterlesen auf dem iPhone. 

Apple Watch Screen 1

Neuland Apple Watch: Werbebranche auf der Suche nach passenden Formaten

Damit ist viel über das Werbedilemma auf der Apple Watch – Stand wenige Wochen nach dem Launch – gesagt: Das Handgelenk mag „ein erstaunlicher Platz für Anwendungen sein“, wie Designchef Jony Ive das neue Kultgadget aus Cupertino anpreist – allerdings ist es alles andere als ein geeigneter Platz für vom iPhone und iPad tradierte Werbeformen. Die Vorstellung, dass ein Apple Watch-Nutzer dem werbetreibenden Unternehmen die Aufmerksamkeit schenkt, nach dem ersten weiterführenden Klick dann nochmals gezielt zu klicken, um nähere Infos auf dem iPhone zu beziehen, das möglicherweise erst einmal mühsam aus Hosentasche, Jackett oder sonst woher gefischt werden muss, dürfte sich in den Promille-Bereich verlaufen.  

Überhaupt ist das Anwendungsszenario ein ganz anderes: Während der typische iPhone-Nutzer minutenlang in Bahn, Bus oder am Strand in die Lektüre seines Nachrichtenstroms auf dem iPhone versunken sein mag, ist die Aufnahmebereitschaft auf der Apple Watch weitaus kürzer, wie Jony Ive zugibt: für “gelegentliches Draufschauen und schnelle Interaktionen” sei die Apple Smartwatch gedacht – nicht „für die Lektüre von Krieg und Frieden“. 

„Micro mobile moment“: Ganze drei Sekunden Aufmerksamkeit am Handgelenk

Wie das Branchenblatt „Adweek“ herausarbeitet, besteht auf einem Wearable lediglich ein Aufmerksamkeitsfenster von ganzen drei Sekunden versus 30 Sekunden bei Smartphones oder Tablets. „Es ist ein Paradigmenwechsel, bei dem mobile Minuten in „micro mobile moments“ atomisiert werden, beschreibt die Adweek das Phänomen. 

Apple Watch Screen 2

Sind Smartwatches damit als Werbemedium per se unbrauchbar? Keinesfalls, da Apple Marketern seit der zweiten Keynote im März weitreichende Werbeformen einräumt: So ist es werbetreibenden Unternehmen inzwischen möglich, interaktive Anzeigenformate zu entwickeln, die sich über das gesamte Display erstrecken – Ads direkt auf dem Homescreen des iPhones sind dagegen bis heute tabu. 

Chancen für hyperlokales Targeting: Kaffee-Coupons auf der Apple Watch

Ein anderes naheliegendes Werbeszenario: das standortbasierte Ausspielen von Anzeigen unter Nutzung des GPS-Signals des iPhones. Ein Apple Watch-Träger, der etwa an einer Kaffeekette, einem Restaurant oder Kino vorbeiläuft, kann so geobasierte Werbung auf die Apple Watch gepusht bekommen, die in Form eines Passbook Coupons direkt auf der Apple Watch via Apple Pay eingelöst werden könnte. (Voraussetzung ist dafür allerdings Stand heute, dass die jeweilige App auf dem iPhone bereits installiert und das Apple-Smartphone aktiviert ist.) 

Das auf Mobile Advertising spezialisierte US-Startup TapSense präsentierte bereits im Januar diese Form von hyperlokalem Targeting auf seiner frisch gelaunchten Werbeplattform für die Apple Watch. Zunutze macht sich TapSense die ganz neuen Interaktionsmöglichkeiten von Wearables: „Mit der Apple Watch haben wir mehrere Technologien und eine völlig neue Benutzeroberfläche speziell für ein Gerät entwickelt, das designt wurde, um getragen zu werden“, preist Designchef Jony Ive Apples neues Juwel an.  

Vibrierende Anzeigen dank Taptic Engine

Gemeint sind damit zwei haptische Features, die bislang beim iPhone und iPad nicht zum Einsatz kommen: Force Touch und Taptic Engine, mit denen Nutzer zusätzliche gestische Steuerungsmöglichkeiten (Force Touch: fester Druck auf das Display) und eine direkte Benachrichtigungsfunktion durch Vibrationen (etwa für Status- und Aktivitätsmeldungen bei Fitnessanwendungen) bekommen.

Der Apple Watch-Träger, der das nächste Mal bei seinem Lieblings-Fast-Food-Restaurant vorbeikommt, könnte vom leckeren Spar-Angebot so durch Tippen am Handgelenk in Kenntnis gesetzt werden. Allerdings dürfte die Stabilität der Kundenbeziehung deutlich fragiler sein – der Grat von der Freude über die erste coole Apple Watch-Ad bis zur Nerverei über das zehnte Klacken am Handgelenk auf der Shoppingstraße ist naheliegend schmal…  

AppleSmartwatchWearables
NJ
Autor*In
Nils Jacobsen
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