Wie eine Saatgutfirma von 1925 Content Marketing auf Youtube, Pinterest & Whatsapp macht

Florian Heide15.12.2021

Und so steigt das Traditionsunternehmen in den B2C-Markt ein

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Seine Margeriten landen jedes Jahr in unzähligen Baumärkten, Gartencentern und auf Wochenmärkten: Der B2B-Saatgut- und Jungpflanzenzüchter Volmary aus Münster hat es geschafft, mit seiner Eigenmarke zu einem der größten deutschen Saatguthersteller für Blühpflanzen und Kräuter zu werden. Wie seine Gartentrend-Videos auf Youtube tausende Klicks generieren, was Gustav von Tokio Hotel mit dem Familienunternehmen zu tun hat und wie sie das B2C-Geschäft ausbauen wollen, das erfahrt Ihr hier.

Etwa 500 Millionen Jungpflanzen produziert Volmary, das Unternehmen mit Sitz auf einem alten Pferdehof im Münsteraner Umland, jedes Jahr. Dazu kommen Saatgut und Stecklinge. Damit gehört das 1925 gegründete Familienunternehmen zur deutschen Spitze. Margeriten, Süßkartoffeln, Edelgänseblümchen, Tomaten, Rosmarin: „Wir entwickeln eine eigene Genetik“, erklärt Andreas Duck, Marketingleiter von Volmary im Gespräch mit OMR. Das heißt, Volmary stellt in Produktionsstätten in Deutschland, aber auch in Kenia, der Türkei oder Portugal eigene Züchtungen her. Und verkaufen sie hierzulande über ihren Katalog und den Online-Shop an kleine und große Gärtnereien, Gartencenter oder Baumärkte. Mit dem Handel eigener und Drittanbieter-Produkte macht das Unternehmen jährlich einen Umsatz von über 100 Millionen Euro.

Das „V-Konzept“

Aber wie genau funktioniert das Geschäftsmodell? Im B2B-Bereich unterscheidet Volmary zwei Vertriebswege: „Es gibt den klassischen Weg: Gärtnereien kaufen Jungpflanzen, ziehen sie selbst hoch und verkaufen sie dann weiter“, sagt Andreas Duck. Die Alternative seien Kooperationen, etwa wenn die Baumarktkette Toom ihren Kund:innen im Frühjahr vorgezogene Tomaten anbieten will. „In solchen Fällen klären wir über Trends und unsere Neuzüchtungen auf und suchen dann gemeinsam mit unserem Kunden einen Produzenten für die Pflanzen. Dem liefern wir das Saatgut, das er kultiviert. Und dann beliefert er Toom mit den fertigen Pflanzen, bereit zum Abverkauf an den Endkunden“, so Duck.

Amaris-Margariten im Volmary Online-Shop

Amaris-Margariten sind ein Trend-Produkt im Volmary Online-Shop. Quelle: Volmary.com/Florian Heide

Es gibt aber auch Gärtnereien, die Volmarys Pflanzensamen beziehen und in ihrem Laden im unscheinbaren schwarzen No-Label-Topf verkaufen. „Das war ursprünglich die Initialzündung zu sagen: Wir möchten nicht nur in B2B investieren, wir wollen auch den Abverkauf an den Endkunden vereinfachen“. Deshalb bietet Volmary mittlerweile auch das „V-Konzept“ an: Kunden wie Toom können für ihre Tomaten nicht nur die Samen von Volmary beziehen, sondern auch die zur Blüte farblich passenden Töpfe und Etiketten. „Mit dem V-Konzept ist unsere Marke beim Endverbraucher besser sichtbar“, sagt Duck. Das stärke die Brand Awareness und erleichtere den Händler:innen den Weiterverkauf. „Unser Wunschszenario ist eine Gärtnerei, die das Rundum-Sorglos-Paket kauft: Saat, Töpfe, Etikett von Volmary. Die müssen sich nur noch darum kümmern, dass die Pflanze wächst.“

Youtube bringt die Klicks, Whatsapp die Umsätze

Mittlerweile geht Volmary aber einen Schritt weiter: Volmary.com, ursprünglich ein Shop nur für Business-Kunden mit Login zugänglich, ist mittlerweile selbst ein DTC-Shop. Dort können Kund:innen ohne Login und Mittelsmann die Volmary-Eigenprodukte wie Saatgut, Jungpflanzen oder Stecklinge erwerben. Um diese Eigenmarke herum hat das Unternehmen eine ganze Reihe von Content-Marketing-Kanälen gebaut. Der reichweitenstärkste ist Volmarys Youtube-Kanal. Dort präsentiert unter anderem Produktmanager Volker Schevel in der Videoreihe „Volkers Gartenwissen“ praktische Tipps, etwa wie man einen Tomatenstrauch richtig großzieht oder welche Obstbäume am besten auf den heimischen Balkon passen.

Schevels und andere Videoreihen wie etwa die „Quicktipps“ oder die „Kreativtipps“ erzielen auf dem Youtube-Kanal regelmäßig fünfstellige Aufrufzahlen. Die Videos entstünden auf dem Volmary-Hofgelände im Münsterland bereits ein halbes bis dreiviertel Jahr im Voraus. „Jetzt gerade produzieren wir die Weihnachtsstern-Videos mit den Trendfarben des nächsten Jahres“, sagt Duck. Zwar ließe sich der Youtube-Erfolg aktuell nicht direkt in Abverkaufszahlen messen, aber immerhin: „Es kommen mehr und mehr Gärtnereien auf uns zu und sagen: Wir wollen auch das Volmary-Konzept“, sagt Duck.

Analog zum Youtube-Kanal funktioniert auch der Volmary-Blog, wo Redakteure ein- bis zweimal pro Woche Content veröffentlichen, etwa Anleitungen zum Basteln von Christrosen-Weihnachtsdeko oder zum Kräutertee selber machen. Wer will, kann sich eine Erinnerung an die neuesten Blog-Content-Pieces von Volmary auch per Newsletter zuschicken lassen, rund 13.000 Empfänger:innen würden das aktuell tun.

Hinzu kommt der Whatsapp-Newsletter, ein Format, das erst im Sommer vergangenen Jahres in der Form wieder eingeführt wurde. Dort hat Volmary laut eigener Aussage noch einmal zusätzlich rund 10.000 Leute. Insgesamt lohne sich das Newsletter-Marketing: „Wenn wir einen Newsletter zu einem bestimmten Produkt verschicken, haben wir innerhalb der nächsten 24 Stunden 1.500 bis 3.000 Euro Umsatz damit gemacht“ – eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass manche Jungpflanzen nur drei bis fünf Euro kosten.

Werbung vom Tokio Hotel Drummer

Zwar hat Volmary auf Facebook mit rund 121.000 Followern eine große Community, gerade um den eigenen Content zu bewerben, sei aber Pinterest der viel wichtigere Kanal. Rund fünf Millionen monatliche Aufrufe verzeichnet der Volmary-Account, täglich werden neue Pins im Story-Format erstellt. Besonders erfolgreich: „Der beste Beitrag ist ein Rezept für das perfekte Frühstücksomelett“, sagt Duck. Jede Woche sähen sich den rund 5.000 Leute an, obwohl er schon ungefähr drei Jahre alt sei. Und dennoch trägt es, wie die anderen Pins, zum Cross-Marketing bei: „Unsere Rezepte ziehen die Leute auf den Volmary-Blog“, sagt Duck.

Influencer-Marketing betreibt Volmary nach eigener Aussage kaum. Zwar würde das Unternehmen ein jährliches Gartenblogger-Treffen veranstalten, wo Gartenbauingenieure und Gärtner:innen auf Pflanzen-Influencer wie „Grüne Liebe“-Bloggerin Sandra Jägers treffen. Ansonsten würden sie aber keine großen Summen für Influencer ausgeben. Nur einmal sei Gustav, der Drummer von Tokio Hotel (hier sein Kollege Bill Kaulitz im OMR Podcast), auf sie zugekommen für eine Kooperation. „Wir waren bei ihm, haben uns seinen Garten angeguckt und danach bepflanzt. Allerdings warb Gustav Schäfer in seiner Story nicht für die Volmary-Eigenmarke, sondern für den Online-Shop tomgarten.de – die B2C-Marke, die jüngst unter Federführung von der Geschäftsführungs-Nachfolgerin Josephine Volmary neu aufgestellt wurde und zu einem weiteren Standbein heranwachsen soll.

Vom B2B zum B2C-Player

Andreas Duck

Andreas Duck, Marketingleiter der Volmary GmbH

Tomgarten ist ein Online-Versandhandel, der einst aus einem angeschlossenen Logistikunternehmen erwuchs. Heute ist es neben dem Volmary-Onlineshop die zweite große Eigenmarke. Als Plattform werden dort Themen rund um den heimischen Garten gespielt, Zielgruppe sind Endverbraucher. Die finden dort neben Saatgut auch zur Pflanze passende Erde, Spaten, Gummistiefel und die Gartenbank.

Die Produkte, die Volmary selbst nicht produziert, kauft das Unternehmen für Tomgarten einfach von Händlern dazu. „So können wir Hobbygärtnern ein vollständiges Portfolio für ihren Garten bieten“, sagt Duck. Der Vorteil gegenüber dem Volmary-Shop: „Gärtner brauchen zwar nur ein- oder zweimal im Jahr Saatgut von uns, aber immer wieder Dünger, Kübel oder Erde für das Hochbeet“, sagt Duck. Das könnten sie mit Tomgarten bieten.

Bisher mache das gesamte B2C-Business zwar trotz aller Bemühungen nur rund zwei Prozent des gesamten Volmary-Jahresumsatzes aus. Allerdings bestehe die Hälfte aller über den Tomgarten-Shop verkauften Produkte aus Artikeln der Volmary-Eigenmarke. So schafft es das Unternehmen, das alte Produkt unter neuer Marke selbst an den Endverbraucher zu verkaufen. Und alle Vorteile des B2C-Businessmodells zu nutzen.

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Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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