Umsatzwunder Thermomix: So erschafft man ein Marketingphänomen

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Das ist das Erfolgsgeheimnis von Vorwerks Verkaufs-Hit

thermomixDer Thermomix ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte: Die Multifunktions-Küchenmaschine bringt Hersteller Vorwerk jährlich fast eine Milliarde Euro Umsatz ein, generiert eine unglaubliche Aufmerksamkeit und bewegt deswegen auch im Internet unheimliche Traffic-Mengen. Wir haben Thermomix-Vertriebsvorstand Andreas Friesch gefragt, wie es Vorwerk gelungen ist, solch ein Marketingphänomen zu erschaffen.

Wer über 35 Jahre alt ist, vielleicht Kinder hat und ein wenig Geld verdient, der wird irgendwann fast unvermeidlich mit dem Thermomix in Berührung kommen. Vielleicht werden ihm über eine oder zwei Ecken Erzählungen von Bekannten ans Ohr dringen, die die Fähigkeiten des Gerätes lobpreisen. Wiegen, zerkleinern, mixen, rühren, erhitzen, dampfgaren und kochen – all das ist mit Thermomix möglich.

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Kunden nehmen wochenlange Wartezeiten in Kauf

Das aktuelle Thermomix-Modell TM5 (Foto: Vorwerk)

Das aktuelle Thermomix-Modell TM5 (Foto: Vorwerk)

Dafür verlangt Vorwerk einen stolzen Preis: Über 1.100 Euro kostet das Gerät laut aktuellem Kurs; in den kommenden Monaten soll der Thermomix noch einmal teurer werden. Wer sich für einen Thermomix interessiert, kann diesen nicht im Laden kaufen, sondern muss entweder im Bekanntenkreis an einer Thermomix-Party teilnehmen, oder Vorwerk kontaktieren und dann auf den Besuch einer „Repräsentantin“ warten. Erst nach einer Einführung und einer Beratung kann er sich dann zu einem Kauf entschließen. Wegen der hohen Nachfrage müssen Interessenten teilweise lange Wartezeiten in Kauf nehmen – zurzeit liegt die Lieferdauer nach Unternehmensangaben bei sieben Wochen. Unterdessen verkaufen Discounter wie Aldi und Lidl relativ unverhohlen deutlich günstigere Kopien des Thermomix’ – um die sich Kunden in den Läden teilweise sogar prügeln.

All dies scheint das Geschäft mit dem Thermomix jedoch nicht zu bremsen: Für Vorwerk ist das Gerät ein absoluter Umsatzbringer. Das einst vor allem für seine Staubsauger bekannte Unternehmen setzt heute mit dem Thermomix mehr Geld um als mit allen anderen Produkten aus seinem Portfolio. Laut Vorwerk wurde bereits 2008 alle 100 Sekunden auf der Welt ein Thermomix verkauft – heute dürfte es noch schneller gehen. Keine Frage: Das 131 Jahre alte Familienunternehmen hat mit der Küchenmaschine einen Marketingcoup gelandet.

Traffic-Treiber auf den großen Plattformen

Das ganze Ausmaße des Erfolgs wird auch im Internet sichtbar: In Deutschland wird bei Google laut dem Keyword Planer monatlich durchschnittlich 550.000 Mal nach „thermomix“ gesucht – mehr als beispielsweise nach Justin Bieber. Die Vorwerk-eigenen Thermomix-Websites werden nach Unternehmensangaben im Monat von mehreren Millionen Menschen besucht. Und wer bei Google News nach „thermomix“ sucht findet Tausende von Berichten und Kolumnen, in denen sich Journalisten an dem Phänomen abarbeiten. Nicht selten streiten sich in den Kommentarspalten unter den Artikeln glühende Anhänger mit erbitterten Gegnern des Gerätes.

Die Entwicklung der Suchanfragen zu "thermomix" (blau) bei Google in Deutschland, im Vergleich zu Angela Merkel (rot) und dem FC Bayern (gelb)

Die Entwicklung der Suchanfragen zu „thermomix“ (blau) bei Google in Deutschland, im Vergleich zu Angela Merkel (rot) und dem FC Bayern (gelb)

Auch auf den großen Plattformen sorgt der Thermomix für Traffic. Bei Facebook verzeichnen die nationalen Fanpages des Thermomix teilweise sechsstellige Fanzahlen; in einer inoffiziellen deutschen Rezeptgruppe sind fast 70.000 User aktiv. Bei Youtube wurden einzelne Thermomix-Videos mehrere Millionen Mal abgerufen; auch von Fans betriebene Kanäle wie „Thermifee“, „Tanjas Thermi TV“ und „Thermimaus“ haben mittlerweile siebenstellige Aufrufe generiert.

Im Mobile-Bereich ist Vorwerk selbst mit der eigenen Thermomix-App offenbar recht erfolgreich. Über diese können die Nutzer Rezeptsammlungen kostenpflichtig erwerben; im vergangenen Jahr hat Vorwerk damit Schätzungen zufolge alleine in Deutschland und auf Apple-Geräten fast 1,7 Millionen Euro umgesetzt.

Wie erschafft man eine solche Marke, die eine solche Aufmerksamkeit generiert? Das haben wir im Gespräch mit Andreas Friesch, Vertriebsvorstand bei Thermomix, zu ergründen versucht.

Andreas Friesch

Andreas Friesch

Herr Friesch, nach dem Thermomix wird bei Google häufiger gesucht als nach Angela Merkel oder dem FC Bayern München. Wie erschafft man solch ein Marketingphänomen? Andreas Friesch: Der Schlüssel zum Erfolg des Thermomix ist sicherlich der Direktvertrieb mit einem riesigen Serviceangebot drumherum. Zunächst einmal ist entscheidend, dass unsere Repräsentantinnen selbst Fans des Thermomix sind; wir rekrutieren sie unter den begeisterten Nutzerinnen. Deswegen fällt es ihnen auch viel leichter, bei potenziellen Kunden Begeisterung zu wecken. Gleichermaßen erfolgsentscheidend ist, dass wir immer versuchen, die Leute dazu zu bringen, den Thermomix nach dem Kauf auch wirklich zu nutzen. Wir nennen das „in die Usage bringen“. Dafür erhält jeder Kunde eine persönliche Ansprechpartnerin in seiner Umgebung, die er kontaktieren kann, wenn etwas nicht klappt – etwa, wenn sie ein Gericht nicht hinbekommen oder eine Frage zum Thermomix haben. Zudem erhält jeder Kunde mit dem Kauf eines Thermomix nicht nur unser Basis-Kochbuch und drei Ausgaben des Thermomix Magazins geschenkt, sondern auch einen kostenlosen Kochkurs, in dem noch einmal viele Tipps und Tricks im Umgang mit dem Thermomix gezeigt werden. Das ist ein Service, den die Leute gar nicht gewohnt sind. Wenn sie ein Gerät im Handel kaufen, haben sie entweder Glück und kommen damit zurecht, oder es klappt nicht und das Ding verstaubt im Keller. Bei uns ist das anders. Dadurch, dass wir den Kunden dabei helfen, mit dem Thermomix zu kochen, generieren wir Erfolgserlebnisse – und damit startet schon ein Word-of-Mouth-Effekt. Daraus erfolgt ein Empfehlungsgeschäft, und das führt dann nochmal zu neuen Verkäufen.

Aber wenn ich über Mundpropaganda davon höre, wie toll der Thermomix ist, kann ich ihn online nicht direkt kaufen. Im Online Marketing würde man das einen Conversion Killer nennen. Warum nutzen sie Online nicht als Absatzkanal? Na weil wir damit genau das Momentum verpassen würden, das entsteht, wenn wir dem Kunden den Service bieten, der ihm zusteht – nämlich die persönliche Beratung. Ich kann Ihnen dazu ein Beispiel erzählen: Wir hatten mal ein internes Projekt mit einer namhaften Unternehmensberatung. Einer der Geschäftsführer war damals bei uns im Haus und sagte: „Mensch, der Thermomix ist ja ein tolles Produkt. Den schenke ich meiner Frau.“ Der Verkauf ist also ausnahmsweise nicht wie üblich bei uns mit einer persönliche Beratung und Einweisung zustande gekommen. Ein halbes Jahr später habe ich ihn getroffen und ihn gefragt, was der Thermomix macht. Seine Antwort: „Meine Frau benutzt ihn nicht, der steht im Keller“. Und das ist genau die Problematik: Wenn die Kunden den Thermomix nicht nutzen, gibt es auch keine Weiterempfehlung. Und die wollen wir ja haben.

Trotzdem wird der Thermomix ja unheimlich viel im Netz gesucht. Wie gehen sie damit um; wie wichtig ist denn Online Marketing für Sie? Sehr wichtig, auch wenn wir kein ganz klassisches Online Marketing betreiben. Wir sind da eher Content-getrieben: Der Kunde soll online alles finden, was er sucht. Unser Angebot geht deswegen weit über unsere Website hinaus, die alle Informationen über den Thermomix bereithält. Wir haben zum Beispiel die Rezeptwelt.de, auf der monatlich fünf Millionen Nutzer Rezepte herunterladen. 50.000 Rezepte sind dort von Kunden eingestellt worden. Teil der Rezeptwelt.de ist auch ein Forum mit 500.000 registrierten Nutzern. Wir betreiben zudem einen eigenen YouTube-Kanal. Auch bei Pinterest sind wir seit Kurzem aktiv. Dort rangierte „thermomix rezepte“ in Deutschland bereits vorher in den Top 10 der Suchbegriffe. Sehr wichtig ist für uns auch Facebook. Dort bieten wir zum einen Service und Informationen, treten zum andern aber insbesondere mit den Kunden in den Dialog. Außerdem haben Nutzer bei Facebook selbstständig Thermomix-Gruppen gegründet, in denen sie sich austauschen – zum Teil mit mehreren zehntausend Mitgliedern. Daraus ziehen wir dann auch nochmal Inspiration für weitere Content-Angebote.

Nennen Sie doch mal ein Beispiel. Wir haben festgestellt, dass manche Kunden den Thermomix nutzen, um für Freunde kleine Geschenke herzustellen – eine Marmelade, einen Smoothie oder einen Dip. Wir haben deswegen die Aktion „TIY“ gestartet, also „Thermomix it yourself“, in Anlehnung an „Do it yourself“. Dafür haben wir am 24.6., also ein halbes Jahr vor Weihnachten, den „Schenk mal was“-Tag ausgerufen. Wir haben dann im Vorfeld einen Etikettendesigner ins Netz gestellt, mit dem die Kunden ihre Etiketten für das Geschenk schön gestalten und selbst ausdrucken können. Der wurde innerhalb von sechs Monaten von 500.000 Leuten genutzt und steht heute bei Google zum Suchbegriff „etiketten“, also auch ohne „thermomix“, auf der ersten Seite. Ein weiteres Beispiel: Die Frage „was koche ich heute“ ist, glaube ich, auf Platz eins unter den Top 10 Fragen bei Google. Diese Frage treibt also offensichtlich Millionen von Leuten in Deutschland um. Bei uns können sich die Leute deswegen auf Mein-Thermomix.de online einen Wochenplan erstellen, mit Rezepten und automatisch generierten Zutaten- und Einkaufslisten, die sie sich dann auch auf ihr Handy schicken lassen können.

Wenn man Thermomix bei Google eingibt, sind gleich die ersten drei Suchergebnisse von ihnen, Platz Nummer fünf ebenfalls. Wie ist Ihnen denn das gelungen? Google richtet sich hier immer mehr nach der Suchintention der Nutzer. Und wir versuchen den Kunden immer das zu bieten, was sie suchen, also relevanten Content oder die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Nutzern. Das zahlt sich aus und wird mit guten Rankings belohnt. In Sachen Suchmaschinenoptimierung arbeiten wir mit einer erfahrenen Agentur zusammen.

Machen Sie eigentlich sonst klassische Werbung, um überhaupt erst einmal Aufmerksamkeit zu generieren? Eigentlich fast überhaupt nicht. Höchstens einmal Print-Anzeigen, um Traffic für unsere Vorwerk-Stores zu generieren.

An welchen Stellschrauben drehen Sie denn dann, wenn Sie Ihre Umsätze steigern wollen? Was wir beispielsweise nicht machen, sind kurzfristige Aktionen wie „Jetzt gibt es fünf Prozent Nachlass, dann verkaufen wir schon mehr“. Die größte Stellschraube für den Umsatz ist bei uns die Anzahl der Repräsentantinnen. Als ich 2008 bei Vorwerk angefangen habe, waren wir ein relativ kleiner Unternehmensbereich, mit 2.500 Repräsentantinnen und Repräsentanten. Heute sind es 15.000.

Wie spiegelt sich das in den Umsätzen wider? Der Thermomix ist mittlerweile der größte Umsatzbringer für Vorwerk. Im Jahr 2014 haben wir mit 920 Millionen Euro ein Drittel des Gesamtumsatzes von Vorwerk beigetragen. Die Geschäftszahlen für 2015 veröffentlichen wir erst im Mai. Ich kann aber schon jetzt sagen, dass der Anteil des Thermomix nochmals ein wenig gestiegen ist. Man darf aber nicht vergessen: Staubsauger sind auch ein Riesengeschäft für uns, das zweistellig wächst.

Diese Entwicklung dürfte den Thermomix-Erfinder ja freuen. Gibt es überhaupt so etwas wie einen geistigen Vater? Den gibt es. Der Legende nach haben sich zwei Ingenieure abends auf dem Hotelzimmer mit einem Wasserkocher häufiger eine Suppe gemacht, sie mit einem Mixer püriert und dann wieder in den Wasserkocher zurückgeschüttet, um sie wieder zu erwärmen. So entstand die Idee für ein Gerät, das all dies in einem kann, und die beiden bauten einen ersten Prototypen. So ist aus einem glücklichen Zufall etwas entstanden, das sich dann zu einem guten Geschäft entwickelt hat. Der Siegeszug des Thermomix hat dann in Frankreich begonnen und ist erst dann über Spanien und Italien nach Deutschland geschwappt. Wir waren lange das kleinste Land.

Ich war erstaunt, als ich erfahren habe, dass es den Thermomix schon seit 30 Jahren gibt. Ich hatte den Eindruck, dass das Thema erst in den jüngsten Jahren so richtig durch die Decke gegangen ist. Das mag zum Teil ihrer selektiven Wahrnehmung geschuldet sein. Aber es stimmt schon: In Deutschland gibt es den Thermomix seit über 30 Jahren, er ist aber erst in den vergangenen Jahren so richtig groß geworden. Lange war er vor allem in Frankreich, dann in Italien und Spanien erfolgreich. Mittlerweile ist Deutschland aber der größte Markt. Das liegt insbesondere daran, dass wir hier den Direktvertrieb so stark ausgebaut haben. Food-Trends haben uns natürlich ebenfalls geholfen. Ganz interessant ist auch noch, dass der Thermomix in vielen Restaurants und Gourmet-Küchen steht. In Deutschland gibt es elf Drei-Sterne-Köche, von neun weiß ich, dass sie mit dem Thermomix kochen.

Wo wollen Sie in Zukunft noch hin mit dem Produkt? Auch Ihre Zielgruppe dürfte ja noch digitaler werden.

Der Thermomix "Cook-Key" (Foto: Vorwerk)

Der Thermomix „Cook-Key“ (Foto: Vorwerk)

Wir haben ein neues Zubehör entwickelt, mit dem der Thermomix internet-fähig wird. Der „Cook-Key“ wird einfach an die Schnittstelle angelegt, an die die Nutzer sonst den Rezept-Chip anbringen. Der Cook-Key verbindet dann Ihren Thermomix TM5 mit dem Rezept-Portal, kabellos über Ihr WLAN. So können Sie dann all Ihre Lieblingsrezepte aus dem Rezept-Portal an den Thermomix senden und direkt loslegen. Denn alle Rezepte im Rezept-Portal haben die Guided-Cooking-Funktion, die Sie Schritt-für-Schritt durch das Rezept führt. Damit schließen wir den Kreis zwischen Thermomix und unseren Online-Angeboten. Aktuell läuft noch ein Test, aber interessierte Kunden können bereits den Cook-Key für sich reservieren. Das Produkt wird im Laufe dieses Jahres erhältlich sein.

Herr Friesch, vielen Dank für das Gespräch!

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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