„SoLebIch“: Die größte Wohn-Community Deutschlands macht nur mit Nutzer-Content Millionen

Martin Gardt27.3.2020

SoLebIch erreicht über eine Million Nutzer pro Woche – ausschließlich mit User Generated Content

SoLebIch Aufmacher
SoLebIch Aufmacher

Wenn man Wohn-Influencer und Interior-Begeisterte nach der wichtigsten Plattform für sie in Deutschland fragt, dürften nicht alle das zu erwartende Instagram rausschreien. Stattdessen scheint bei vielen SoLebIch ganz oben auf der Liste zu stehen. Die Wohn-Plattform speist sich komplett aus dem Content der Nutzer und macht allein mit einem selbst aufgesetzten Affiliate-Modell einen Millionen-Umsatz. Wir haben mit dem Gründer-Paar über weitere Monetarisierungsstrategien, den Trumpf gegenüber Instagram und die Macht von User Generated Content gesprochen.

„SoLebIch ist nicht am Reißbrett entstanden. Wir sind abends mit einer Dose Bier durch Paris gelaufen und haben uns gefragt, wie die Menschen so leben“, sagt die SoLebIch-Gründerin Nicole Maalouf gegenüber OMR. Gemeinsam mit ihrem heutigen Mann Daniel Eichhorn startet sie die Wohn-Community schon 2007 – also noch bevor Facebook, Instagram & Co. in Deutschland ein Begriff sind. „Unsere Idee war es, eine Community rund um das Thema Wohnen aufzubauen. Zum einen verbindet das Thema alle Menschen und zum anderen boten die authentischen Bilder der Mitglieder eine Alternative zu den Hochglanzwelten der Wohnmagazine“, so Maalouf. Heute erreicht die Plattform nach eigenen Angaben über eine Million Nutzer pro Woche – ohne selbst groß für Content sorgen zu müssen. Der kommt von der Community aus unzähligen Wohnbloggern und solchen, die es werden wollen.

SoLebIch-Gründer Nicole Maalouf und Daniel Eichhorn

Die SoLebIch-Gründer Nicole Maalouf und Daniel Eichhorn (Foto: Thomas Skroch für AD Architectural Digest Germany)

Netzwerk vor Facebook, Instagram & Co.

Schon von Beginn an ist SoLebIch als Plattform geplant, die Menschen dazu bewegen soll, ihre Wohnungen zu zeigen und mit dem Content Reichweite bei interessierten Nutzern generiert. Wie umgeht das Team das alte Henne-Ei-Problem, dass ohne Inhalte keine Besucher kommen und ohne Besucher kein Anreiz besteht, Bilder aus der eigenen Wohnung hochzuladen? „Die ersten 100 Bilder waren von uns. Als dann die ersten User kamen, waren wir immer persönlich präsent und Nicole war als Community-Mama das Gesicht von SoLebIch.de“, sagt Co-Gründer Daniel Eichhorn. „So konnten wir Vertrauen in die Plattform schaffen. E-Commerce-Experte Jochen Krisch sagte mal dazu, dass es bei uns stark ‚menschelt‘.“ Nicole Maalouf fügt hinzu: „Das Persönliche, das Nahbare, der direkte Austausch mit der Community. Das war entscheidend.“

Die Startseite von SoLebIch

Die Startseite von SoLebIch

Der Content war also erstmal da, fehlten noch die ersten Nutzer. „Die Presse war am Anfang ein starker Hebel. Dann kam Mund-zu-Mund-Propaganda dazu“, so Eichhorn. Schon drei Wochen nach dem Start habe das ZDF Morgenmagazin berichtet. Zu dem Zeitpunkt ist diese Art von Community, wie sie SoLebIch aufbaut, noch eine neue Idee. Zu Beginn sei die Plattform vor allem bei jungen Müttern und Fotografen gut angekommen. Später wird die Zielgruppe breiter. „85 Prozent unserer Nutzer sind heute Frauen. Diese verbindet eine gewisse Haltung. Sie setzen sich bewusst mit dem Thema Wohnen auseinander und suchen ihren individuellen Wohnstil – einem Mix aus teuer und günstig, neu und alt, DIY und Kunst“, sagt Gründerin Maalouf.

Noch in der Anfangsphase wird aus SoLebIch ein kleines Ökosystem. „Blogger zum Beispiel haben über SoLebIch Reichweite für ihre Blogs oder ihren Dawanda-Shop generiert“, erzählt Maalouf. Zu der Zeit zeigen die Blogger selbstgemachte Wohn-Accessoires auf SoLebIch und verkaufen sie in dem heute nicht mehr bestehenden Do-It-Yourself-Shop.  

Millionen-Umsatz mit Affiliate-Programm

Wer heute auf solebich.de landet, sieht eine Mischung aus redaktionellen Inhalten (das Magazin) und neuen Bilder-Postings aus der Community. Diese sind wie bei Instagram mit Like-Herzen und Kommentaren versehen. Auch die Magazin-Inhalte bestehen größtenteils aus User Generated Content. Die Redakteure führen Interviews mit besonders erfolgreichen Mitgliedern und zeigen rundherum Wohnungsbilder, die auch von diesen Nutzern kommen. „Unser USP war schon immer die Verknüpfung von User Generated Content und der redaktionellen Aufbereitung“, sagt Daniel Eichhorn. Diese Webseiten-Reichweite monetarisiert SoLebIch über Display-Anzeigen. Die Vermarktung übernimmt Condé Nast – der Deal ist Teil einer Partnerschaft mit dem Fachmedium „Architectural Digest“ aus dem Condé-Nast-Verlag. 

Der für die Zukunft der Plattform aber wohl wichtigere Umsatz-Hebel ist das Affiliate-Programm. „Wir haben schon früh das Thema Shopping im Blick gehabt. 2008 sind wegen der Finanzkrise die TKPs eingebrochen. Gleichzeitig war die Ansprache an die Möbelhersteller schwierig. Die fanden unseren User Generated Content damals wohl hässlich“, sagt Eichhorn. Mit Unterstützung von Idealo-Gründer Martin Sinner habe sich das Team dazu entschieden, selbst ein Affiliate-Modell aufzusetzen. Bis heute funktioniere das ohne Netzwerke wie Awin & Co. Über 50 Shops sind so auf der SoLebIch Affiliate-Plattform eingebunden, darunter die Poster-Experten von Junique, Sofa Company, der Design-Spezialist Connox und viele andere. 

Affiliate-Beispiel SoLebIch

Die auf Bildern zu sehenden Produkte werden bei SoLebIch zum Teil aufgeführt und mit Affiliate-Links versehen

Aktuell setze SoLebIch einen mittleren einstelligen Millionenbetrag mit dem Affiliate-Programm um. Der besondere Clou: Mitglieder der Community können in ihren Bildern Möbel für die Shopping-Funktion markieren, wenn einer der Händler im Affiliate-Programm das Produkt führt. Allerdings läuft das laut Daniel Eichhorn noch nicht perfekt: „Die Verknüpfung zwischen User Generated Content und der Shopping-Funktion soll noch besser werden. Da steckt viel Potenzial, weil das Inspirationsthema rund um Inneneinrichtung und Shopping online noch nicht gut gelöst ist.“ Noch sei es für Nutzer aus der Community oft zu umständlich, die Produkte in ihren Bildern zu taggen, das würden derzeit oftmals die Redakteure im Nachgang übernehmen. Gleichzeitig markiert die Redaktion einzelne Produkte von Partnern auch immer wieder in Magazin-Beiträgen.

Community-Building in Zeiten von Instagram

Seit 2007 hat sich das Umfeld von SoLebIch natürlich stark geändert. Wohnblogger und solche, die Wohnen inhaltlich interessiert, tummeln sich längst vor allem auf Plattformen wie Instagram und Pinterest. „Die Spezialisierung auf die Nische hilft“ sagt Gründer Eichhorn. „Wir sehen die Plattformen nicht als Problem, sondern als Möglichkeit, neue Nutzer zu erreichen.“ Nicole Maalouf wirft ein: „Ein Mitglied erklärte mir den Unterschied so: Instagram ist das Schaufenster, bei SoLebIch geht man in den Laden rein.“ Dementsprechend setzt das Team viele Ressourcen ein, um hier zu wachsen. Bei Instagram folgen SoLebIch mittlerweile über 352.000 Nutzer. Und auch auf der Plattform nutzt SoLebIch vor allem User Generated Content.

So wie Wohnblogger über die Jahre versucht haben, auf der SoLebIch-Webseite Reichweite aufzubauen, tun sie es heute auf Instagram – mit Hilfe des Hashtags #solebich. Wer das in einem Post nutzt, hat die Chance, dass dieser als Repost auf dem Instagram-Kanal von SoLebIch auftaucht. Bislang sind so über 780.000 Beiträge mit dem Hashtag entstanden – jeder einzelne bietet neues Material für den Instagram-Account von SoLebIch. Kein Wunder, dass 99 Prozent der Inhalte einfach Reposts von Bildern der Community sind. So baut das Unternehmen ohne großen Aufwand auf der Plattform immer weiter Reichweite auf und bleibt gleichzeitig auch auf Instagram nah dran an den Inhaltelieferanten und Wohnbloggern des Landes.

Pinterest macht den Unterschied

Der große Traffic-Lieferant unter den Plattformen für SoLebIch ist aber Pinterest. Laut dem Analyse-Tool Similiar Web verzeichnet die Webseite im Durchschnitt etwa 350.000 Visits pro Monat. Knapp zwei Drittel der Besucher kommen über die Google-Suche, 25 Prozent direkt und etwa zehn Prozent über Social Media. Von diesem Anteil landen wiederum 90 Prozent der Besucher über Pinterest auf solebich.de. Auf der Plattform selbst zählt die Wohn-Community 167.000 Follower – jeden Monat betrachten 9,2 Millionen Nutzer die Inhalte, die SoLebIch hier teilt. 

Pinterest bietet für das Unternehmen perfekte Bedingungen. Daniel Eichhorn erkenne immer stärker, dass seine Community die Suche nach Wohninspiration verstärkt auf der Plattform starte und die Relevanz zu Google im Vergleich dazu eher abnehme. Auf Pinterest kuratiert das SoLebIch-Team Wohnideen zu bestimmten Themen wie Oster-Deko oder IKEA-Hacks und führt von hier meist zu den Beiträgen aus dem Magazin. Über Eck kommt somit auch auf dieser Plattform der Content komplett von der Community. Gleichzeitig helfe es, dass viele Möbelunternehmen noch vorsichtig agieren würden. „Die Möbelbranche ist eigentlich sehr konservativ und nutzt die Möglichkeiten, die Social Media bietet, nicht wirklich aus. Das gibt uns Platz, viele Dinge auszuprobieren“, sagt SoLebIch-Gründer Eichhorn.

Facebook sei hingegen als Kanal relativ tot für das Unternehmen (trotz 106.000 Fans). Nur eine Facebook-Gruppe mit knapp 10.000 Mitgliedern halte das Gründerpaar für sehr hilfreich. Hier finde Austausch über Wohnideen auch abseits von schönen Bildern statt. Viele Nutzer würden sich hier eher trauen, nach Einrichtungstipps zu fragen und auch mal ihre leeren Räume zeigen. 

Perfekt vernetzt mit Influencern

Das dritte Standbein von SoLebIch neben Affiliate-Programm und Display Ads sind Kooperationen. Weil das Unternehmen so gut mit vielen Wohnbloggern mit verschiedenen Reichweiten bekannt ist, fungiert es immer wieder als zentraler Ansprechpartner für Influencer-Kampagnen. „Wir arbeiten vor allem mit dem, was unsere Mitglieder zur Verfügung stellen. Das funktioniert auch gut bei Kampagnen. Die Nutzer bekommen Möbel oder Lifestyleprodukte, inszenieren sie in der eigenen Wohnung und erzeugen authentisches Bildmaterial, das wir dann auf den verschiedenen Kanälen posten“, sagt Daniel Eichhorn. Ein wiederkehrender Partner sei etwa Alpina, mit dem SoLebIch immer wieder Kampagnen durchführe. Die Inhalte würden dann in Magazin-Artikeln auf der Plattform landen und auf den Accounts der Wohn-Influencer selbst. 

Einen Push für solche und andere Themen erhofft sich SoLebIch jetzt auch von einer eigenen App. Erst im Dezember 2019 gelauncht, sollen vor allem Power-User so noch stärker an die Plattform gebunden werden. Die App sei eine Reaktion auf steigende mobile Zugriffe. Die kosten vor allem Affiliate-Umsätze, weil spontane Möbelkäufe am Smartphone eher selten sind. Deshalb plane SoLebIch eine Kauffunktion mitsamt Bezahlung direkt in der App, um den Einkauf bei den Affiliate-Partnern so unkompliziert wie möglich zu machen. 

„SoLebIch-Apartment“ als Verbindung von On- und Offline

Auch Offline hat das Unternehmen schon früh Reichweite aufgebaut. 2010 kam ein erstes SoLebIch-Buch auf den Markt, 2014 folgte das zweite. Auch die Bücher sind voll von Bildern aus der Community – kuratiert von Gründerin Nicole Maalouf. Das größte Offline-Projekt ist aber noch ganz frisch. Seit 2019 richten die Gründer am Rande von Möbelmessen ein SoLebIch-Apartment ein. „Als wir angefangen haben, waren alle offline und fanden Online toll. Jetzt sind alle online und wünschen sich Offline-Erlebnisse und so ist die Idee zum SoLebIch-Apartment entstanden“, sagt Maalouf. Das Ziel: Aufmerksamkeit erzeugen, Partner einbinden und die Community live erreichen.

„Es ist spannend zu sehen, wie gut das SoLebIch-Apartment bei Möbelmarken und Endverbrauchern ankommt als Ort, der Online- und Offlinewelt verbindet“, sagt die Gründerin. Anfang 2020 hatte sie während der Möbelmesse in Köln das bis dato letzte Apartment eingerichtet. Maalouf und Eichhorn wollten hier die Community wie bei sich zuhause begrüßen und auch für sie kochen – beide schliefen mehrere Tage in dem Showroom. Am Ende sei die Idee an langen Schlangen und stets voller Bude gescheitert. Das lag wohl auch an der großen medialen Aufmerksamkeit: „Allein mit dem letzten SoLebIch-Apartment haben wir zehn Millionen Menschen mit der Berichterstattung dazu erreicht“, sagt Daniel Eichhorn. Und als Kontaktpunkt mit Partnern sei das Apartment ebenfalls unschlagbar. Allein an der letzten Variante in Köln waren 25 Sponsoren beteiligt

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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