Hosen runter: Ein Social-Media-Händler plaudert aus dem Nähkästchen

Torben Lux3.8.2015
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Mit drei Stunden Arbeit pro Tag bis zu 1.000 Bestellungen und fünfstellige Umsätze im Monat – So funktioniert der Handel mit Social Signals

hose-runter_550 Fans bei Facebook, Follower bei Twitter oder Abonnenten bei Youtube – es ist kein Geheimnis, dass sich nahezu alle relevanten Leistungskennzahlen für das Social Web sehr einfach aufhübschen lassen. Der Handel mit Social Signals boomt, Anbieter von künstlichen Likes & Co. gibt es wie Sand am Meer. Jetzt hat ein deutscher Betreiber eines solchen Shops auf der Plattform reddit aus dem Nähkästchen geplaudert und spannende Insights preisgegeben. Demnach konnte er mit 1.000 Bestellungen pro Monat lange Zeit fünfstellige Summen umsetzen. Und das alles mit einem erstaunlich geringen Zeitaufwand.

„Ich bin Betreiber eines erfolgreichen, internationalen Online-Shops gewesen. Fragt mich alles!“ So lautet der Titel eines „Ask Me Anything“ (kurz AMA) vom reddit-User mike_vdb. AMA ist ein sehr beliebtes Format des Portals, bei dem sich der jeweilige Veranstalter den Fragen der Community stellt. Immer wieder nutzen diese Möglichkeit auch Politiker, Schauspieler oder Musikstars, um sich mit Fans auszutauschen und zu bestimmten Themen zu positionieren. Zu Beginn des AMA von User Mike wird noch gar nicht deutlich, welche Waren oder Dienstleistungen genau er über seinen Online-Shop vertrieben hat. Erst im weiteren Verlauf und auf Nachfrage eines Users stellt er klar: „Ich habe für Twitter, Facebook & Co. neue Follower und Freunde verkauft.“

Likes, Fans und Follower von Großhändlern aus Russland und Israel

Im folgenden Dialog dreht sich alles nur noch um den Handel mit Social Signals. Mike, 39-jähriger Projektmanager im IT-Bereich und Familienvater, schildert der Community sehr genau, wie er beispielsweise Follower und Fans nach eigenen Angaben für 20 Prozent des Verkaufspreises eingekauft habe und den Shop so von Beginn an profitabel machen konnte. Lieferanten beziehungsweise Großhändler für Likes (aus Russland und Israel) entdeckte er über fiverr.com, einen Online-Marktplatz für nahezu alle Dienstleistungen, über den wir an dieser Stelle bereits geschrieben haben. Laut Mike kann man anhand der Größe der angebotenen Pakete (ab 50.000 bis 100.000 Follower) relativ einfach erkennen, ob ein Anbieter auch als Großhändler fungiert.

Auf fiverr.com bieten unzählige User Likes, Follows & Co. gegen Geld an.

Auf fiverr.com bieten unzählige User Likes, Follows & Co. gegen Geld an.

Über das Portal upwork.com beschäftigt Mike drei Servicemitarbeiter aus Panama und eine Assistentin, die den Großteil des Tagesgeschäfts übernimmt. Trotzdem investiert er, zusätzlich zu seinem normalen Job, drei Stunden täglich in das Projekt. Alle zwei bis drei Tage spricht er über Skype mit seinen Mitarbeitern. Das Marketing ist ebenfalls ausgelagert. „Eine Bekannte aus den USA hatte die erste Website mit HTML gebaut und PayPal-Buttons hinzugefügt. Da sie aber aus dem Marketing-Bereich kommt, war sie relativ schnell überfordert. Also habe ich den Shop gegen eine Zahlung übernommen und sie seitdem für das Marketing bezahlt“, erklärt Mike in einer seiner vielen Antworten während des AMA. Hauptsächlich werde über Social Media-Aktionen, Banner, Newsletter und Forenlinks geworben.

„Jede Stunde, in der man sich damit beschäftigt, seinen Shop selbst zu programmieren, ist verlorene Zeit.“

Nach acht Monaten soll die Conversion Rate bereits bei krassen zwölf Prozent liegen. Je nach Marketingausgaben liegt die Gewinnmarge laut Mike bei 40 bis 50 Prozent – 3.000 bis 5.000 Euro, die jeden Monat direkt an ihn gehen, zusätzlich zu seinem fünfstelligen Gehalt aus der Arbeit als Projektmanager im IT-Bereich. Von Gesprächen mit seinem Lieferanten wisse Mike, dass es auch Shops gebe, die zehn mal so viele Likes und Follower bestellen wie er und damit seiner Einschätzung nach locker sechsstellige Umsätze im Monat generieren. Viele seiner Kunden kommen aus der Sport- und Unterhaltungsbranche, 80 Prozent kommen aus den USA. „Social Media hat einen viel höheren Stellenwert. Da interessiert es keinen, dass die Accounts nicht aktiv sind. Die wollen einfach nur hohe Like- und Follow-Zahlen. Jemandem mit 50.000 Followern folgt man eher als jemandem mit nur 500“, erklärt sich Mike die Beliebtheit vom Fankauf inbesondere in den USA. Er fügt auf Nachfrage hinzu, dass es sich natürlich nur um computergenerierte Accounts handele, die mit Hilfe von Skripten Seiten liken oder folgen.

Mikes AMA auf reddit.com. Optisch etwas gewöhnungsbedürftig.

Für potenzielle Nachahmer gibt Mike einige Hinweise und Tipps. So würde er bei einem neuen, ähnlichen Projekt von Anfang an auf die Kombination aus WordPress als CMS und WooCommerce als E-Commerce-Plugin setzen. „Jede Stunde, in der man sich damit beschäftigt, seinen Shop selbst zu programmieren, ist verlorene Zeit“, stellt er fest. Außerdem findet er deutliche Worte für das Online-Bezahlsystem PayPal: „Wirklich schlimm war PayPal – in jeglicher Hinsicht. Deren Anforderungen, die unnötigen technischen Mängel…Würde ich im nächsten Projekt nicht nutzen.“ Der Payment-Anbieter habe einmal ohne Vorwarnung das Konto inklusive 20.000 Euro für sechs Monate eingefroren. Verständlich, dass er dann nicht gut auf den Dienst zu sprechen ist.

Traumhafte Conversion Rate, tausende E-Mail-Adressen und trotzdem nicht mehr aktiv

Aktuell ist der Shop übrigens nicht in Betrieb. Und Mike habe in naher Zukunft auch keine konkreten Pläne, das zu ändern. Dafür sei der Arbeitsaufwand zusätzlich zu einem anderen Job und den Aufgaben eines Familienvaters einfach zu groß. Den Gedanken findet er trotzdem immer noch reizvoll: „Da ich eine Liste mit tausenden E-Mail-Adressen von Kunden habe, ist die Versuchung groß, doch noch einmal zu starten. Wenn man mehr Zeit hat…“

Wir haben Mike natürlich auf reddit angeschrieben und um ein Interview gebeten. Wir sind ziemlich neugierig, um welchen Shop es sich handelt und inwieweit die Geschichte aus dem AMA nachvollziehbar ist. Leider hat Mike kein Interesse an einem Gespräch, so dass wir weiter etwas im Dunkeln tappen. Die Moderatoren sollen den Link zum Shop aber geprüft haben. Vielleicht weiß hier einer der Leser mehr?

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Torben Lux
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Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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