10,5 Millionen Views für 17 US-Dollar: So mächtig sind Snapchats Geofilter

Martin Gardt18.11.2016

Ein junger Sneakerfreak zeigt, wie Marketing über die Hype-App funktioniert

Geofilter
Geofilter

Die Entwicklung der Nutzerzahlen von Snapchat ist beeindruckend – doch als Marketingplattform befindet sich die App sicherlich noch in einer sehr frühen Phase. Das dem Unternehmen mit den Geofiltern jedoch eine Advertising-Innovation gelungen ist, die derzeit nicht nur Alleinstellungsmerkmal ist, sondern auch extrem viel Potenzial besitzt, zeigt das Beispiel von Chris Hall. Er hat mit Geofiltern seiner App Kickster zu über 200.000 Downloads verholfen.

Der 22-jährige New Yorker Chris Hall ist Co-Gründer der Sneaker-App Kickster, die Nutzer über neue Schuh- und Modetrends auf dem Laufenden hält. Hall ist eigentlich Fotograf und hat die App mit einem Kumpel nebenher gebaut – mit Online Marketing hatte er vor Kurzem noch gar nichts am Hut. Als er dann aber von On-Demand-Geofiltern bei Snapchat hört, bekommt er Lust, das auszuprobieren. Diese Geofilter erlauben es Unternehmen, speziell gestaltete Filter für ein Event bei Snapchat einzureichen. Für nur etwas mehr als 17 US-Dollar erreichte er dadurch während nur einer Veranstaltung 10,5 Millionen Snapchat-Nutzer.

Marketing bei Snapchat – ein teurer Einstieg

Bevor wir Halls Erfolgsstory genauer anschauen, lohnt ein Blick auf die Marketing-Möglichkeiten bei Snapchat. Das Unternehmen hat mittlerweile verschiedene Ad-Formate eingeführt. „Snap Ads“ sind 10-Sekunden-Video-Ads zwischen Snaps (Beiträgen) der Nutzer. Sie müssen im typischen Snapchat-Format hochkant und Full-Screen produziert sein. Nutzer können nach oben wischen, um weitere Inhalte wie Beschreibungstexte, weitere Videos, App-Install-Links oder die mobile Webseite zu zeigen. Wie viel das Brands kostet, ist bisher nicht bekannt, erste Schätzungen gehen von ab 1.000 US-Dollar pro Kampagne aus. In einem Use-Case zeigt die Kosmetikmarke Bare Minerals, dass 15 Prozent der Nutzer hochwischen, um weitere Inhalte zu sehen, der Search-Traffic habe sich während der Kampagne verdoppelt.

Eine weitere Möglichkeit sind „Sponsored Lenses“. Eine der beliebtesten Funktionen bei Snapchat sind ja die Linsen, bei denen Animationen über das Gesicht der Nutzer gelegt werden. Pro Tag werden laut Snapchat 30 Millionen Snaps mit Lenses verschönert. Brands wie Nike, Gatorade und Magnum haben das Format schon genutzt. Snapchat ruft dafür offenbar zwischen 100.000 bis 750.000 US-Dollar für 24 Stunden auf.

Geofilter als günstiger Trick für First Mover

Die dritte und bisher günstigste Variante sind Geofilter. Macht ein Nutzer ein Bild in Snapchat kann er durch Wischen nach links verschiedene Filter aufrufen – von Instagram-artigen Farbfiltern über die Anzeige der Temperatur bis hin zu Comicbildern, die auf den Aufenthaltsort hinweisen (Geofilter). Dabei gibt es zwei Varianten: „Community-Geofilter“ sind kostenlos und können über ein Tool von jedem eingereicht werden. Hier sollen vor allem Designer Filter für Städte und Sehenswürdigkeiten gestalten. Logos oder Werbebotschaften sind verboten. Die Chance, dass Euer Filter hier ausgewählt wird, ist minimal.

Die zweite Variante sind „On-Demand-Geofilter“ für Unternehmen. Gegen Bezahlung können Brands hier ihre eigenen Events mit einem Filter versehen. Techcrunch zeigt hier anschaulich, wie das funktioniert. So könnten wir einen Geofilter für das Online Marketing Rockstars Festival erstellen. Jeder, der dann am 2. und 3. März 2017 in oder an der Hamburg Messe wäre, könnte dann den Filter mit unserem Logo über seine Snaps legen. Bisher sind Geofilter noch nicht in Deutschland verfügbar, sondern nur in den USA, Kanada und Großbritannien. Weil Snap Inc., wie Bild und andere berichten, aber gerade einen Deutschland-Chef sucht, sollte die Funktion auch bald hier freigeschaltet werden.

Erste Tests mit Sneaker-Verrückten – Durchbruch mit DJ Khaled

Chris Hall hat das Potenzial der Geofilter früh erkannt und erste Tests gestartet. Bereits zum Start erstellt er Filter im Umkreis von Ladenlokalen, von denen er weiß, dass sie ein Release-Event für einen beliebten Sneaker veranstalten – er erstellt auch Filter für Schulen und Universitäten, um die junge Zielgruppe zu erreichen. Er gestaltet dabei Geofilter, die einerseits das Event mit einem kleinen Text auffangen und andererseits auf die Kickster-App hinweisen.

Während Hall seine ersten Tests mit Geofiltern durchführt, wird DJ Khaled bei Snapchat immer berühmter (wir hatten seine Erfolgsgeschichte schon in einem anderen Artikel vorgestellt). Der zuvor zwar schon bekannte US-Rapper ist auf Snapchat zum absoluten Superstar geworden. Dort erreicht er innerhalb von fünf Minuten 500.000 Follower und insgesamt zwei Millionen Abonnenten mit jedem Snap. Gleichzeitig outet sich Khaled in seinen Snaps als absoluter Sneaker-Fan, zieht damit auch die Zielgruppe von Hall an. Er entschließt sich an die Millionenreichweite von DJ Khaled heranzuhängen – über Geofilter.

Der Influencer macht selbst mit

Geofilter DJ Khaled

Chris Halls Geofilter. Genutzt im Snapchat-Account von DJ Khaled selbst.

Chris Hall findet heraus, dass Khaled ein Sneaker-Event in New York als Stargast besucht und gestaltet einen passenden On-Demand-Geofilter für den Ort des Stores und die Zeit des Events. Er verwendet eine kleine Comic-Figur von DJ Khaled, nutzt dessen Namen und sein Motto („We The Best“) und packt den Namen seiner App ebenfalls mit in den Filter. Für sieben Stunden Verfügbarkeit des Filters zahlt er 17,54 US-Dollar. „Es war zu gut, um wahr zu sein“, sagt Hall in einem Interview mit Gary Vaynerchuk. Innerhalb von 24 Stunden verzeichnet er 10,5 Millionen Views auf dem Filter und Tausende Downloads seiner App. „Ich konnte nicht glauben, dass Snapchat das erlaubt. Ich bekomme Millionen Views über einen Filter, der nur ein paar Dollar gekostet hat“, so Hall.

DJ Khaled selbst habe den Filter von Hall öfter genutzt als den des eigentlich Sponsors. So seien viele Fans auf diesen aufmerksam geworden – und damit auf die Kickster-App. Nach diesem Erfolg baute er weitere DJ-Khaled-Geofilter für Beyoncés letzte Tournee. Der Rapper trat bei der Tour als einer der Acts mit auf. Hall musste dabei immer nur den Namen der Stadt ändern – am Ende verzeichnete er über 95 Millionen Views. „Während der Tour habe ich jemanden aus Khaleds Team getroffen, ich soll ihnen in Zukunft bei ihren eigenen Filtern helfen“, sagt Hall. Auch ein Produzent von Kanye West habe ihn kontaktiert, weswegen er jetzt für die After-Partys auf Kanyes Tour passende Geofilter erstelle. Chris Hall betreibt die Filter-Erstellung jetzt als Nebenjob für Brands und Künstler.

App-Bekanntheit schießt in die Höhe

Laut Chris Hall hat die Marketing-Taktik seiner App zum Durchbruch verholfen: „Dieses Medium entdeckt zu haben, hat mir sehr geholfen. Es hat Kickster zur bekanntesten Sneaker-App gemacht. Überall wo ich hingehe, kennen uns die Menschen von den Filtern der Kanye-, Beyoncé- und Khaled-Events.“ Kickster komme mittlerweile auf über 200.000 Downloads in Apples App Store.

Mittlerweile hat Snapchat aber die Hürden für On-Demand-Geofilter erhöht. Für spezielle Orte wie Sportstadien verlangt das Unternehmen mindestens 2.000 US-Dollar für die Anmeldung eines Filters. Bei einem Beyoncé-Konzert im Baseballstadion Citi Field in New York hatte Hall vorher 150 US-Dollar investiert und daraus über 21 Millionen Views generiert. Wie es mit den Geofiltern weitergeht, muss sich also noch zeigen. Clevere Marketer denken schon darüber nach, Filter für Events zu erstellen und diese dann zu einem höheren Preis an das veranstaltende Unternehmen zu verkaufen – Geofilter-Arbitrage sozusagen.

Es lohnt sich aber in jedem Fall, sich früh mit dem Thema auseinander zusetzen. Entweder, weil das Feature auch bald in Deutschland verfügbar ist und es sich offenbar lohnt, als First Mover dabei zu sein. Oder einfach, um die Mechanik kennen zu lernen. Schließlich hat Facebook für Instagram in letzter Zeit viele Snapchat-Funktionen kopiert – nur die Filter noch nicht. Wenn das passiert, könnte man von seinen Snapchat-Erfahrungen profitieren.

Best PracticeGary VaynerchukSnapchat
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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