Justin Bieber 2.0: Schon mal vom neuen Chart-König aus Kanada gehört?

Martin Gardt9.7.2015
Shawn Mendes schaffte es von der Videoplattform Vine in die Charts.

Shawn Mendes hat vieles mit Justin Bieber gemein: Er ist jung, Kanadier und über eine Video-Plattform berühmt geworden. Jetzt wird der 16-Jährige echter Rockstar – noch ohne Drogen, Skandale und Tattoos.

Shawn Mendes schaffte es von der Videoplattform Vine in die Charts.

Shawn Mendes schaffte es von der Videoplattform Vine in die Charts.

Vier Millionen Follower und über 400 Millionen Views: Auf Vine war der 16-jährige Shawn Mendes schon ein Star – wegen seiner Stimme. Anders als Youtube-Stars wie Dagibee, Unge & Co. überzeugt er mit Talent. Vor Kurzem veröffentlichte der junge Kanadier sein erstes echtes Album – und landete damit auf Platz 1 der Charts in den USA und Kanada. In Deutschland schaffte es das Erstlingswerk „Handwritten“ immerhin auf Rang 43. Wie wird aus einem Kurzfilm-König ein echter Superstar?

2007 war es noch eine geniale Idee: Justin Biebers Mama nahm die Auftritte ihres Sohnes auf und stellte sie auf Youtube. Schnell wurde ein Musikmanager auf ihn aufmerksam und ein Jahr später unterschreibt der 13-Jährige einen Plattenvertrag – der Rest ist Musikgeschichte. Ganz ähnlich liest sich jetzt die Erfolgsgeschichte von Shawn Mendes. 2013 entdeckt er Vine und filmt seitdem Videoschnipsel von sich. Zuvor war er relativ erfolglos bei Youtube unterwegs. „Ich habe das nicht gemacht, um etwas zu erreichen, ich habe nur Spaß gemacht“, so Mendes. Bezeichnenderweise gewinnt er gleich zu Beginn 10.000 Follower mit einer Coverversion des Bieber-Songs „As Long As You Love Me“. „So ist es wirklich passiert. Ich dachte Vine lädt nicht richtig und dann bin ich ein bisschen ausgerastet“, sagt Mendes. Danach covert er Beyoncé, Stan Smith und Ed Sheeran. „Leute sagen, dass es nicht viel Talent braucht, Sechs-Sekunden-Videos aufzunehmen“, sagt Mendes selbst, aber es sei schwieriger umzusetzen als lange Musikvideos. Schließlich müsse er seine Fans in wenigen Sekunden überzeugen. „Wenn du das in sechs Sekunden schaffst, hast du einen guten Job gemacht“, sagt er.

Symbol für neuen Weg zum Star – Social Media statt Casting Shows

Der Vergleich mit Justin Bieber ist aber nicht zu weit hergeholt. Die Erfolgsleiter klettern junge Künstler dank Social Media schneller hoch als je zuvor – am Anfang meist mit Cover-Songs. Was einmal mit MySpace begann und mit Youtube weiter ging, passiert heute bei Vine und Instagram. Nachdem Shawn Mendes seine Fanbase mit einfachen Videos aus seinem Zuhause nahe Toronto aufgebaut hatte, unterschrieb er einen Vertrag bei einer Tochter von Universal. Sein erstes Album „Handwritten“ verkaufte sich 106.000 Mal und wurde 4,8 Millionen Mal gestreamt – in der ersten Woche. Das schaffte Mendes ohne einen Radio-Hit, also allein durch seine Social-Media-Power. Denn mit dem Chart-Erfolg vergrößert sich die digitale Fanbase auch auf den anderen Plattformen. Mittlerweile zählt sein Youtube-Kanal über eine Million Abonnenten, auf Instagram liken 3,6 Millionen Fans (bei nur 705 Beiträgen) seine Bilder und bei Twitter hat er etwa 3,5 Millionen Follower.

Seine Plattenfirma „Island Records“ hofft natürlich auf Verkaufs-Erfolge wie bei Justin Bieber. Helfen soll dabei Weltstar Taylor Swift, die er als Opening Act auf der aktuellen Welttournee begleitet. Trotz des Erfolgs in jungen Jahren ist die Lebenszeit von Social-Media-Stars im großen Musikbusiness aber sehr unterschiedlich. Neben Justin Bieber gibt es kaum jemanden, der sich dauerhaft halten konnte. Psy ist nach seinem Mega-Hit „Gangnam Style“ und einer immerhin noch beachteten zweiten Single „Gentleman“ wieder in Vergessenheit geraten und auch Carly Rae Jepsen konnte nicht mehr an den Erfolg von „Call Me Maybe“ (trotz Unterstützung von Tom Hanks in ihrem neuen Video „I Really Like You“) anknüpfen. Andere Vine-Stars, die gerade an einer großen Karriere basteln sind Nash Grier (11,9 Millionen Follower), Cameron Dallas (7,8 Millionen Follower) und Us The Duo (4,7 Millionen Follower). Letztere waren die ersten Vine-Künstler, die einen Plattenvertrag unterschreiben konnten. Denn der Großteil der Vine-Stars konzentriert sich lieber auf Influencer-Verträge, die schnell 10.000 US-Dollar und bei den erfolgreichsten Vine-Stars bis zu sechsstellige Beträge pro Post einbringen können. Der Vorteil für Musiker ist das starke Engagement ihrer Vine-Follower. Shawn Mendes kann Werbung für sein Album und seine Musikvideos organisch bei Vine unterbringen und erreicht sofort Millionen Fans, die seine Entwicklung seit zwei Jahren verfolgen.

Deutschland zieht mit Youtubern nach

Hierzulande ist das Vine-Phänomen lange nicht so stark ausgeprägt wie in den USA, stattdessen kommen die größten Teenie-Stars von Youtube (sieben Jahre nach Biebers Sprung von der Plattform in die Charts). Am bekanntesten ist wohl der Versuch von Liont, mit seinem Album Löwenkind Erfolge zu feiern. Das kam vor allem in der Rap-Szene überhaupt nicht gut an, weil Liont nicht gerade mit musikalischem Talent gesegnet ist. Trotzdem stieg er mit seiner Fanpower auf Platz 2 der deutschen Albumcharts ein. Auf Amazon kommt das Werk nicht besonders gut weg: 1,5 Sterne sind fast Höchststrafe. Auch Kayef (400.000 Abonnenten) kam über Youtube zum Plattenvertrag. Angefangen hat der Trend mit der Komikertruppe Y-Titty (3,7 Millionen Abonnenten) schon 2011, als sie mit ihrem ersten Song nur durch Aufrufe bei Youtube auf Platz 48 in die deutschen Charts einstiegen. Der nächste „Hit“ stieg direkt mit Platz 15 ein. Später gab’s dann einen Echo (damit fehlen nur noch zwölf bis zum Rekord der Kastlruther Spatzen).

Nutzerzahlen von Vine in ausgewählten Ländern. Deutschland ist nicht vorn dabei. (Foto: Statista)

Nutzerzahlen von Vine in ausgewählten Ländern. Deutschland ist nicht vorn dabei. (Foto: Statista)

Vine ist immer noch vorrangig ein US-Trend. In der letzten offiziellen Verlautbarung verkündete das Mutterunternehmen Twitter 40 Millionen Nutzer weltweit. Diese Zahl sollte im vergangenen Jahr deutlich gestiegen sein. Welche Kraft ein einzelnes Video entfalten kann, zeigen die sogenannten Loops (Views): Pro Tag sammelt Vine 1,5 Milliarden Views. Etwa 12 Millionen Vines werden pro Tag auf die Plattform geladen. Und klar bei Teenie-Stars: Über 31 Prozent der US-Teens nutzen Vine. Noch sieht man in Deutschland nicht im Ansatz so starke Zahlen. Echte Vine-Stars haben wir hier noch nicht gesehen. Kein Wunder, dass Opel für seine Kampagne einen Vine-Zauberer aus den USA engagierte. Der nächste Bieber nimmt hier also lieber den Umweg über Blödelvideos bei Youtube.

Musik
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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