476 Millionen Euro Umsatz in sechs Wochen: So hat Vorwerk den Thermomix-Hype gepusht

Florian Rinke24.5.2022

Die jüngste Bilanz zeigt: Mit dem schwarzen Thermomix ist Vorwerk ein Marketingcoup gelungen

Den Thermomix TM6 gab es zuletzt auch in einer limitierten schwarzen Version. Foto: Vorwerk
Den Thermomix TM6 gab es zuletzt auch in einer limitierten schwarzen Version. Foto: Vorwerk

Die Küchenmaschine Thermomix ist seit Jahren der wichtigste Umsatzbringer des Wuppertaler Familienunternehmens Vorwerk. Mit einer Sonderedition hat das Unternehmen nun einen kleinen Hype ausgelöst. Doch reicht das, um weiterhin für Wachstum zu sorgen?

Im Thermomix-Universum gab es bislang ein paar scheinbar ewig gültige Grundsätze: Verkauft wird im Direktvertrieb über Repräsentant:innen (damit die Käufer:innen lernen, wie das Produkt funktioniert, damit sie es wirklich nutzen und dann auch weiter empfehlen), neue Modelle werden ohne vorherige Ankündigungen auf den Markt gebracht – und es gibt die Maschinen immer nur in einer Farbe. In Weiß. Mit diesen Prinzipien ist es dem Wuppertaler Familienunternehmen Vorwerk gelungen, aus einem Küchengerät ein Hype-Produkt zu machen, das mindestens so viele hartgesottene Fans wie Kritiker hat. Für die einen ist der Thermomix eine Art bester Freund in der Küche, für die anderen eine überteuerte Maschine durch die Menschen verlernen, normal zu kochen.

Doch in diesem Jahr hat Vorwerk erstmals mit einem dieser Prinzipien gebrochen. Denn für kurze Zeit gab es den Thermomix auch in schwarz. Was sich anhört wie eine Petitesse, ist in Wahrheit ein riesiger Marketing-Coup für die Wuppertaler gewesen. Eigentlich hatte Vorwerk kalkuliert, dass man von der Limited Edition rund 185.000 schwarze Küchenmaschinen verkaufen würde. Selbst diese Zahl hätte vermutlich deutlich über den Verkäufen gelegen, die man sonst zwischen dem 3. Januar und dem 13. Februar, dem Zeitraum der Aktion, verkauft hätte. Doch stattdessen explodierte die Nachfrage.

Der schwarze Thermomix wurde 350.000 Mal verkauft

Weltweit, sagt Vorstandschef Thomas Stoffmehl, seien am Ende rund 350.000 Geräte verkauft worden. Zwischendurch produzierte eine Fertigungslinie in Wuppertal allein die schwarze Version des Thermomix – und das auch noch länger als geplant. Das zeigen auch Daten von Google: Normalerweise erreicht das Suchvolumen rund um Weihnachten seinen Höhepunkt und fällt dann steil ab. In diesem Jahr sank es nicht ganz so schnell – und das dürfte auch am schwarzen Thermomix gelegen haben. Und auch auf Social Media tauchten in dieser Zeit viele Bilder und Videos auf, in denen Kund:innen, aber vor allem auch die Repräsentant:innen auf die neue Version aufmerksam machten. Für Vorwerk selbst hielt sich der Marketing-Aufwand angesichts dieser vielen „Mikro-Influencer:innen“ hingegen in Grenzen.

Doch obwohl Vorwerk mit der Black Edition des Thermomix in knapp sechs Wochen rund 476 Millionen Euro Umsatz gemacht hat (das entspricht rund 30 Prozent des Gesamtumsatzes mit dem Thermomix aus dem Vorjahr), will Vorstandschef Thomas Stoffmehl das Experiment nicht unbegrenzt fortsetzen: „Es wird nicht alle drei Monate eine neue Farbe geben“, machte er bei der Vorstellung der Bilanz des Familienunternehmens am Dienstag klar. Auch eine weitere Auffächerung in verschiedene Farben, wie sie etwa Apple bei seinem iPhone anbietet, schloss Stoffmehl aus. Auf den roten, grünen und blauen Thermomix sollten Kund:innen also aktuell eher nicht spekulieren.

Vorwerk-Formel: Mehr Repräsentant:innen = mehr Umsatz

Doch das gute Geschäft mit der Sonderedition könnte dabei helfen, andere Effekte auszugleichen, die Vorwerk in diesem Jahr vor Herausforderungen stellen. Denn genau wie etwa die Automobilindustrie leiden auch die Wuppertaler seit Monaten unter dem Chipmangel sowie den Folgen der Corona-Pandemie. Zuletzt musste die Produktion sogar zeitweise gedrosselt und Schichten abgesagt werden. In China wiederum brach der Absatz des Thermomix aufgrund der strikten Lockdowns ein – denn hier wird er anders als etwa in Deutschland über stationäre Küchenstudios verkauft. In Deutschland setzt Vorwerk hingegen weiterhin auf den Direktvertrieb beim Kunden.

Die einfache Formel lautete dabei zuletzt: Mehr Repräsentant:innen = mehr Umsatz. 2021 vertrieben laut Geschäftsbericht mehr als 74.000 selbstständige Berater:innen den Thermomix – ein Plus von mehr als 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz der Vorwerk-Gruppe stieg auch deswegen auf einen Rekordwert von fast 3,4 Milliarden Euro. Zum Gewinn macht das Unternehmen traditionell keine Angaben. Unklar ist, ob sich diese Strategie langfristig fortsetzen lässt. Denn einerseits werden viele Menschen durch den Wegfall eines Großteils der Corona-Maßnahmen wieder häufiger außerhalb essen, anstatt zuhause zu kochen. Andererseits könnte auch die Gewinnung neuer Repräsentant:innen irgendwann stocken. Schon jetzt geht das rasante Wachstum einher mit einer geringeren Produktivität der jeweiligen Verkäufer:innen. Ab einem gewissen Grad könnte sich für viele die Arbeit dann kaum noch lohnen. Theoretisch könnte auch eine Sättigung des Marktes eintreten. Vorwerk ist diesbezüglich leidgeprüft. Schon beim Vorgängermodell des aktuellen TM6 hatte man damit gerechnet, dass die Absatzzahlen immer neue Rekorde erklimmen würden. Am Ende erfüllten sich die Hoffnungen nicht.

Der Thermomix macht 50 Prozent des Gesamtumsatzes aus

Doch anders als damals hat die Bedeutung des Thermomix für Vorwerk inzwischen noch weiter zugenommen. Der Anteil des Thermomix am Gesamtumsatz der Gruppe lag schon im vergangenen Jahr bei knapp 50 Prozent. In diesem Jahr könnte er weiter steigen, auch wenn die Umsätze mit der Küchenmaschine in etwa das Vorjahresniveau erreichen sollen. Denn andere Firmenbereiche wie das Teppichgeschäft oder zuletzt auch die Kosmetiksparte Jafra hat man inzwischen verkauft. Allein durch den Jafra-Verkauf hat man sich von knapp 300 Millionen Euro Umsatz (aber auch einem immer schwierigeren Geschäft) getrennt. Gleichzeitig scheiterte die Einführung neuer Produkte. Nach dem Werkzeugkoffer Twercs wird nun auch das Tee-Gerät Temial wieder eingestellt. „Unternehmertum bedeutet auch, dass nicht alles gelingt“, sagt Thomas Stoffmehl. Dennoch werde man weiter auch an neuen Produkten arbeiten.

Bis die auf den Markt kommen, müssen es die Kobold-Staubsauger und der Thermomix richten. Immerhin: Ähnlich wie ein Digitalunternehmen ist Vorwerk inzwischen bei der Küchenmaschine nicht mehr nur auf den Verkauf einzelner Geräte angewiesen. Mit Cookidoo haben die Wuppertaler schon vor Jahren ein eigenes Rezeptportal aufgebaut – inklusive Abo-Modell, das für wiederkehrende Umsätze sorgt. Mehr als drei Millionen zahlende Nutzer hat das Portal inzwischen weltweit, die (zumindest in Deutschland) 48 Euro im Jahr dafür bezahlen. Vorwerk hat die Preise für das Abo zuletzt deutlich erhöht. Ähnliches wird bald beim Thermomix passieren. Im Interview mit der „Welt“ kündigte Thomas Stoffmehl steigende Preise bei dem knapp 1400 Euro teuren Küchengerät an. Dabei soll es sich um einen niedrigen bis mittleren zweistelligen Betrag handeln. 

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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