Bayern Münchens CEO Oliver Kahn im OMR Podcast: „Die Politisierung wird immer extremer“

Torben Lux14.12.2022

Die Torwart-Legende spricht über die gesellschaftliche Rolle des Fußballs und die Internationalisierung der Bundesliga

Oliver Kahn Bayern München OMR Podcast
Oliver Kahn (r.) und Philipp Westermeyer in den Bayern-München-Geschäftsräumen an der Säbener Straße.

Seit Juli 2021 ist Oliver Kahn Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG. Von 1994 bis 2008 stand er selbst für den Verein zwischen den Pfosten, gewann zahlreiche Titel und galt lange als bester Torhüter der Welt. Seine Verbissenheit auf dem Platz handelte ihm einige Spitznamen ein, von Titan bis Kung-Fu-Kahn. Im OMR Podcast spricht er über die Phase zwischen den beiden Karrieren, sein frühes Interesse für Wirtschaft, Werbedeals unter anderem mit Tipico – und die Rolle, die der Profi-Fußball in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen spielen kann.

Als Oliver Kahn Anfang September 2008 beim Abschiedsspiel zwischen Bayern München und der deutschen Nationalmannschaft ausgewechselt wird, erhöht sich schlagartig die Lautstärke in der Allianz Arena. Das Flutlicht wird ausgeschaltet, minutenlange Standing Ovations, Applaus, „Oli!“-Fan-Chöre. Kahn dreht mit Bayern-Flagge eine Runde auf dem Platz, begleitet von „Time to Say Goodbye“, live vorgetragen von Paul Potts. Fast zehn Minuten dauert das Spektakel, das mit einer den Torwart begleitenden Kamerafahrt durch die Katakomben des Stadions bis in die Umkleidekabine endet. Mit einem trockenen „So, das war’s jetzt“ verabschiedet sich Kahn aus dem aktiven Profi-Geschäft.

Ein paar Jahre später wäre die heute leicht grotesk anmutende Inszenierung mit hoher Wahrscheinlich zu einem Meme geworden, damals wurde sie immerhin intensiv von Stefan Raab bei TV Total persifliert. Kahn war eben ein Weltstar, von vielen geliebt, von wahrscheinlich ebenso vielen eher weniger verehrt. Im Gespräch mit Philipp Westermeyer beschreibt er sein Karriere-Ende im OMR Podcast rückblickend als sehr wichtig. Vor allem die Tatsache, „dass das klar stattfindet“, ohne jegliche Comeback-Versuche.

Vom Rasen in die Uni

Dass es für Oliver Kahn nach diesem Abschiedsspiel irgendwann mal in die unternehmerische Richtung gehen würde, sei ihm zu dem Zeitpunkt schon klar gewesen. Konkrete Ideen hatte er allerdings nicht. „Zunächst habe ich mal gar nichts gemacht. Und ich dachte, dass das bestimmt toll wird, weil das Leben bis dahin komplett durchgetaktet war“, so Kahn. Es folgten Reisen, Urlaub, viel Zeit für Golf. Nach einem dreiviertel Jahr sei ihm dann langweilig geworden. „Dann habe ich wieder angefangen, zu studieren.“

Kahn macht in Österreich seinen Master of Business Administration, nimmt unter anderem am Kurzstudium „Sports, Media, Entertainment“ von Harvard-Professorin Anita Elberse teil und absolviert einen Kurs an der US-Hochschule Stanford. Früh registriert er die Unterschiede zwischen den Sportvermarktungs-Ansätzen in den USA und Europa. „In den USA verstehen sich die Profi-Sportler nicht nur als Testimonials, sondern als Unternehmer“, sagt Kahn. Auch er selbst entwickelt sich in dieser Phase seiner Karriere vom reinen Testimonial für Marken wie den Sportwetten-Anbieter Tipico zum Unternehmer. Die Online-Plattform Fanorakel.de sollte mittels Umfragen zur Stimme für Fußball-Fans werden, mit Goalplay lancierte er eine App für Torwart-Training, angedockt an die „Oliver Kahn Academy“.

Rummenigges Nachfolger

Fast 20 Jahre lang leitet Karl-Heinz Rummenigge die Geschicke der Bayern München AG als Vorstandsvorsitzender; Mitte 2021, etwas früher, als ursprünglich angedacht, löst Oliver Kahn ihn als neuen CEO ab. Seitdem steht er an der Spitze eines Club, der einer Mischung aus Traditionsverein und globalem Unternehmen gleicht. Für letzteres sprechen die nackten Zahlen: rund 1.000 Mitarbeitende, bis zu rund 700 Millionen Euro Umsatz, Deals und Partnerschaften mit den ganz großen Brands. Für ersteres das immer wieder betonte Familien-Gefühl, der Mia-San-Mia-Spirit – aber auch die nicht seltenen Auseinandersetzungen mit den eigenen Fans.

„Wir wissen um den Wert derer, die jedes Spiel in die Allianz Arena kommen, die den FC Bayern überall mit begleiten. Und denen muss man einfach auch zuhören“, sagt Oliver Kahn. Er könne verstehen, dass zum Beispiel internationale Spiele außerhalb von den bestehenden Wettbewerben eher kritisch gesehen werden. „Ich bin dafür verantwortlich, dass wir wirtschaftlich erfolgreich sind und am besten jeden Titel gewinnen. Auf der anderen Seite hat Fußball für Menschen auch noch eine andere Bedeutung“, so Kahn. Fans als Korrektiv, die Reibung und Auseinandersetzung, finde er gut und wichtig.

„Die Politisierung wird immer extremer“

Eine Warnung spricht der CEO des deutschen Fußball-Rekordmeisters trotzdem aus: „Die Politisierung, die im Fußball stattfindet, wird immer extremer.“ Damit überfordere man Spieler und den Fußball selber. „Das kann der Fußball alles gar nicht mehr leisten, was da von außen an ihn herangetragen wird“, sagt Kahn im OMR Podcast. Man müsse sich natürlich mit Menschenrechten in Katar auseinandersetzen. Oder der Rolle der Fifa. Und Sportler sollten auch mal Zeichen setzen. „Der Fußball kann ein Mosaikstein sein. Aber er kann nicht Aufgaben übernehmen, die eigentlich andere übernehmen müssten.“ Am Ende sei die Kernaufgabe von Fußball, Emotionen zu schüren, zu verbinden und Spaß zu machen – und nicht Politik.

Was Oliver Kahn in dem Zusammenhang über Bayerns Partnerschaft mit Qatar Airways sagt, wie sein Fazit zum erfolgreichen Deutschland-Debüt der NFL in der Allianz Arena ausfällt und warum es statt um Financial Fairplay jetzt um Financial Sustainability geht, hört Ihr in der aktuellen Folge des OMR Podcasts.

Die Themen des OMR Podcasts mit Oliver Kahn im Überblick:

  • Über den Wechsel von Karlsruher SC zu Bayern München 1994, seine größten Karriere-Highlights und die besten Mitspieler (00:04:00)
  • Das Ende der aktiven Karriere, Parallelen von Bayern München und Harvard und Kahn als Gründer (00:17:30)
  • Ein Manager-Posten bei Schalke 04, Tipico und weitere Partnerschaften, Oliver Kahn als Gärtner (00:28:30)
  • Das Bayern-Comeback als Vorstand, die ungewöhnliche Rolle als CEO (00:41:20)
  • Kahns Vision für den FC Bayern, strategische Investoren und Konkurrenzfähigkeit in Europa (00:50:30)
  • Die European Club Association, Financial Sustainability statt Financial Fairplay und die Super League (00:59:00)
  • Das NFL-Spiel in der Allianz Arena und mögliche Learnings für die Bundesliga (01:05:50)
  • Die Politisierung des Fußballs und Bayerns Partnerschaft mit Qatar Airways (01:13:30)
  • Apple-Chef Tim Cook besucht Bayern München und sein angebliches Interesse an Manchester United (01:18:50)
  • Wer könnte in Zukunft der Nachfolger von Oliver Kahn sein? (01:26:20)

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Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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