Wie MyPoster-Gründer René Ruhland ein deutsches Etsy aufbauen will

Florian Rinke28.9.2022

Ohne Wagniskapital hat der Gründer ein Unternehmen mit fast 100 Millionen Euro Umsatz aufgebaut

MyPoster-Gründer René Ruhland und OMR-Gründer Philipp Westermeyer (links) im alten OMR-Podcast-Studio in Hamburg. Foto: OMR
MyPoster-Gründer René Ruhland und OMR-Gründer Philipp Westermeyer (links) im alten OMR-Podcast-Studio in Hamburg. Foto: OMR

Nach dem Studium hat René Ruhland chinesische Ölgemälde aus dem Kofferraum seines Autos verkauft. Heute führt er gemeinsam mit seiner Frau und seinem Bruder das Foto-Unternehmen MyPoster. Inzwischen macht das fast 100 Millionen Euro Umsatz – und soll weiter wachsen. Mit dem vor wenigen Monaten übernommenen Berliner Startup Junique hat er sogar ganz besondere Pläne.

Als der Stress irgendwann zu groß wurde, rebellierte der Körper. Hörstürze, Bandscheibenvorfälle – René Ruhland hatte die Grenze der Belastbarkeit erreicht. „Ich hatte keinen Respekt vor meinem Körper und dann hat es ein paar Mal geknallt“, sagt Ruhland heute. Aber gleichzeitig war da halt auch immer dieser innere Antrieb, Dinge anzupacken, es schaffen zu wollen. Einen normalen Job mit geregelten Arbeitszeiten hat der gebürtige Saarländer nicht kennengelernt. Nach dem Studium hat er sofort gegründet – und irgendwann mit dem Aufbau von Foto-Unternehmen MyPoster begonnen. Heute, knapp zehn Jahre nach der Gründung, macht das einstige Startup beinahe 100 Millionen Euro Umsatz, ohne jemals Wagniskapitalgeber an Bord gehabt zu haben. 

Angefangen hat jedoch alles mit Ölgemälden. 2006 hatten René Ruhland und sein Bruder Marc einen Container voll mit Bildern aus China importiert. „Van Gogh, Monet oder Sonnenuntergänge in der Toskana“, listet Ruhland im OMR Podcast einige Motive auf. Alles frisch kopiert aus China – für nicht mal fünf Dollar pro Stück. In Deutschland jedoch boten die Ruhlands die vermeintlichen Meister für rund 100 Euro an. Die beiden wittern ein wahnsinnig lukratives Geschäft. „Die Marge war relativ gut“, sagt René Ruhland: „Wenn jemand die Bilder gekauft hätte“. Die beiden versuchen es mit dem Verkauf in selbst angemieteten Ladenflächen, bieten die Bilder Möbelhäuser und Baumärkten an – und steigen doch irgendwann auf Digitaldruck um. Die Leute, haben die beiden gemerkt, wollen sich doch eher eigene Bilder als Fake-Gemälde an die Wand hängen (hier findet Ihr Tipps zum Bearbeiten von Bildern)

„Im Sommer kauft keiner Foto-Kalender“

Das ist die Geburtsstunde von MyPoster. „Wir sind gestartet mit einer Bestellung am Tag“, sagt René Ruhland. Etwa 5.000 Euro investierten die beiden in den ersten Drucker, am Ende des Jahres hatten sie die Umsatzmillion geknackt. Und obwohl das Startup aus der Nähe von München mit seinen Postern und Wandbildern gegen Player wie PosterXXL oder auch Cewe antritt, erkämpft es sich nach und nach immer mehr Umsatz. Heute arbeiten rund 350 Mitarbeitende für MyPoster, das inzwischen nicht nur von den beiden Brüdern, sondern auch von René Ruhlands Frau Anna geführt wird. Sie ist 2013 in einer schwierigen Phase eingestiegen und hat sich darum gekümmert, aus den Visionen ihres Mannes ein funktionierendes Geschäft zu bauen.

Neun Märkte werden heute von den zwei Produktionsstandorten von MyPoster beliefert, in den Druckereien produziert das Unternehmen teilweise sogar für Konkurrenten. Das Geschäft ist herausfordernd, weil es extrem saisonal ist. „Im Sommer kauft keiner einen Foto-Kalender“, sagt René Ruhland im OMR Podcast. Das Geschäft beschränke sich bei diesem Produkt in der Regel auf die sechs Wochen vor Weihnachten. Die Ruhlands haben daher auch noch Kartenliebe gegründet. Das Unternehmen druckt beispielsweise individuelle Hochzeits- und Geburtskarten und hilft damit, die Produktionskapazitäten von MyPoster ganzjährig auszulasten. Denn geheiratet wird tendenziell eher im Frühjahr und Sommer.

MyPoster sorgt mit der Übernahme von Junique für Aufmerksamkeit

Nachdem MyPoster lange Zeit aus dem eigenen Geschäft heraus gewachsen ist, sorgte das Unternehmen Anfang des Jahres auch mit der Übernahme von Junique für Aufmerksamkeit. Das Berliner Startup hat sich auf gerahmte Bilder und Poster von Künstlern, Wohnaccessoires und Schreibwaren spezialisiert. Das Konzept überzeugte anfangs auch mehrere Wagniskapitalgeber, die im Laufe der Jahre rund 20 Millionen Euro in Junique investierten. René Ruhland will aus Junique nun eine Art deutsches Etsy machen. Über die US-Plattform können Künstler und Bastler individuelle Produkte anbieten, das Sortiment reicht von Grußkarten bis zu Lederwaren und Schmuck. Anders als Etsy soll sich Junique auch um das Fulfillment kümmern und Waren auch versenden. Außerdem soll es mehr Möglichkeiten zur Personalisierung der Produkte geben.

Doch kaum hatte Ruhland die großen Pläne geschmiedet, holte MyPoster die Realität ein. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ließ das Geschäft speziell in der ersten Jahreshälfte drastisch einbrechen. „Da hatten wir auch richtig Sorge“, sagt René Ruhland. Inzwischen hat sich die Nachfrage erholt, doch dafür kämpft das Unternehmen mit den gestiegenen Kosten bei Rohstoffen wie Holz. Denn die Rahmen für die Leinwände werden noch selbst gebaut bei MyPoster. Wir versuchen den Preis am Kunden stabil zu halten“, sagt der MyPoster-Gründer. Wie lange das noch geht? Ruhland weiß es nicht. Er setzt jetzt erstmal auf die wichtigste Jahreszeit, das Weihnachtsgeschäft. Ruhland ist sicher, dass die Kund*innen da wieder reihenweise bestellen werden. Das lehrt die Erfahrung: „Wir haben Glück, weil wir das emotionalste Produkt sind. Denn am Ende will die Oma eben die Fotos von den Enkeln.“

Im OMR Podcast verrät René Ruhland außerdem, wie seine Frau und er das Geschäft und das Leben mit vier Kindern organisieren, warum er sich nach der Übernahme von Junique erstmal genau die Rechnungen des Startups angeschaut hat und warum er bislang auf externe Investoren verzichtet hat.

Die Themen des OMR Podcasts mit René Ruhland im Überblick

  • Ölgemälde aus China und die ersten Versuche als Unternehmer (00:02:30)
  • Täglich eine Bestellung – so entstand MyPoster (00:13:00)
  • Die Marketingschlacht der Foto-Anbieter (00:23:00)
  • Junique soll ein deutsches Etsy werden (00:28:30)
  • Expansion in die USA? Das sind die Pläne von René Ruhland (00:41:30)
  • Warum der MyPoster-Gründer auch kleinere Rechnungen selbst abzeichnet (00:48:30)
  • Dirk Görtz von der Deutschen Post über Print Mailings.(00:57:30)
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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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