Ich habe eine Woche lang auf Google verzichtet und stattdessen Bing, Qwant und DuckDuckGo benutzt – das ist mein Fazit

Martin Gardt30.4.2015
Manchmal kommt beim Google-Entzug echte Verzweiflung auf.

Die erste Woche im neuen Job und dann gleich ein Experiment: Sind die Google-Alternativen so gut wie der Marktführer?

Manchmal kommt beim Google-Entzug echte Verzweiflung auf.

Manchmal kommt beim Google-Entzug echte Verzweiflung auf.

In kaum einem anderen Land auf der Welt ist der Google-Marktanteil bei Suchmaschinen so hoch wie in Deutschland. Knapp 95 Prozent der Suchanfragen laufen über Google (Kein Wunder, dass es „googlen“ schon in den Duden geschafft hat). Zwar ist die Suchmaschine das Zentrum der Macht, aber mit Youtube, Mail, Chrome, Drive & Co. hat der US-Konzern weitere Marktführer im Portfolio. Ist es möglich, als Mitarbeiter eines digitalen Start-ups eine Woche komplett auf Google-Dienste zu verzichten? Und wie gut sind die Alternativen? Ich habe es ausprobiert. Als Ersatz für Google kommen ein paar Kandidaten in Frage: Die erste Wahl ist Bing, die wohl bekannteste Alternative. In den USA kommt Bing immerhin auf einen Marktanteil von zwölf Prozent. Leider genießt die Microsoft-Suchmaschine in Deutschland nicht den besten Ruf in Sachen Suchergebnisse und so müssen DuckDuckGo und Qwant als Unterstützung für die Woche herhalten. Beide haben keinen nennenswerten Marktanteil in Deutschland, versprechen aber die Nutzer nicht zu tracken und wollen sich so von der Konkurrenz abheben. Weitere Alternativen fehlen weit und breit. Yahoo nutzt mittlerweile die Suchalgorithmen von Bing und die Suche von Telekom, GMX und Web.de basieren auf der Google-Suche. Was die anderen Google-Dienste betrifft: Hier heißt es kompletten Verzicht üben und auf die Kollegen bauen. Ich hatte ohne Analytics keine Ahnung, wie unsere Seite läuft und an den Chrome-Ersatz Safari musste ich mich erstmal gewöhnen. Bei Mails schummle ich mit dem Mac-Client einfach ein bisschen. An diesem Punkt der Vorbereitung ist die Laune vor lauter Hürden ziemlich am Boden.

Microsoft Bing setzt auf Partner, um die Reichweite zu steigern

Die erste Frage, die vor so einer Woche ohne Google aufkommt: Wie nenne ich den Suchvorgang? Binge ich jetzt drauf los oder duckduckgoe und qwante ich? Erstmal „bingen“ sage ich zu den Kollegen und die Woche beginnt. Microsoft setzt auf einen eigenen Suchalgorithmus und sucht über Kooperationen den Weg zum Erfolg. Yahoo verwendet mittlerweile die Bing-Suche und schon seit 2010 gibt es eine Partnerschaft mit Facebook. Für die chinesische Suchmaschine Baidu erledigt Bing alle englischsprachigen Suchanfragen. Meine ersten Bing-Erlebnisse seit zwei Jahren sind dann auch auf den ersten Blick vielversprechend. Das Design der Startseite mit großem Hintergrundbild gefällt und die Suchergebnisse sehen in etwa so aus wie ich es von Google kenne: Ganz oben Anzeigen, bei aktuellen Ereignissen News-Seiten, dann die Ergebnisse, in der Mitte Bilder und am Ende der ersten Seite die Videos. Im Reiter finde ich die Bilder-, Video- und Kartensuche.

Beispielsuche Bing (Foto: Online Marketing Rockstars)

Beispielsuche Bing (Foto: Online Marketing Rockstars)

Bing ist zu sehr Google – kann aber mit dem Suchalgorithmus nicht mithalten

Wie gut die Suchergebnisse sind, lässt sich bei einem kurzen Test nicht allgemeingültig sagen, dennoch kam ich vor allem bei der Recherche ein paar Mal ins Stocken. Das kann allerdings am Thema der Woche liegen: Facebook Atlas. Bei diesem Suchbegriff sind die ersten vier Bing-Treffer Facebook-Seiten mit dem Begriff Atlas im Namen. Die eigentliche Homepage des Adservers taucht erst auf der zweiten Seite auf (wie ich heute nach meinem Experiment feststelle bei Google an Stelle 1 der Suchtreffer). Ein Beispiel um die Zahl der Suchtreffer zu zeigen: Zu Angela Merkel findet Bing etwa 1,8 Millionen Ergebnisse, Google zeigt 58,6 Millionen. Das hat natürlich rein gar nichts mit der Relevanz der Ergebnisse zu tun. Weniger Ergebnisse und schlechtere Einordnung, bei den Suchergebnissen hat Bing noch Luft nach oben. Und weil mit Ausnahme des Designs auf der Startseite keine echten Vorteile gegenüber Google zu erkennen sind, kommt schon zu Beginn der Woche etwas Sehnsucht auf, obwohl ich – wenn auch manchmal über Umwege – immer zum Ziel komme.

Qwant will die europäische Alternative, fast ohne Tracking

Die große Unbekannte ist für mich Qwant. Die französische Suchmaschine gehört zu 20 Prozent Axel Springer und hat gerade einen Relaunch mit neuem Design hinter sich. 2013 an den Start gegangen, um gegen die Datensammelwut von Google anzutreten, will sich Qwant als europäische Alternative etablieren. Die Franzosen setzen nur einen Sitzungs-Cookie, der nach dem Schließen der Seite gelöscht wird. Google speichert Nutzerinformationen 180 Tage lang. Will ich persönlichere Suchergebnisse, muss ich wie bei Google auch bei Qwant ein Konto anlegen – persönliche Daten bleiben laut Qwant auf europäischen Servern. Wer also nicht angemeldet ist, bekommt „neutrale“ Suchergebnisse, die bei meinem Test doch arg an die Bing-Suche erinnerten. Qwant-Gründer Eric Léandri betonte zwar gegenüber der Deutschen Welle, dass Qwant nicht auf die offene API-Schnittstelle von Bing zugreife, sondern ein eigener Web-Crawler und andere öffentlich zugängliche Netzquellen genutzt würden. Bei der Stichprobe mit dem Suchbegriff „Facebook Atlas“ glichen sich die Suchergebnisse jedoch komplett. Hatte ich vorher noch kurz Hoffnung, durch die Kombination mehrerer Suchmaschinen den Google-Verlust auszugleichen, so finde ich mit Bing und Qwant zumindest bei diesem Beispiel genau die gleichen irrelevanten Ergebnisse.

Beispielsuche Qwant (Foto: Online Marketing Rockstars)

Beispielsuche Qwant (Foto: Online Marketing Rockstars)

Das Qwant-Design ist viel moderner, aber nicht immer besser

Qwant-Gründer Léandri ist im Gespräch mit der Deutschen Welle bewusst, dass er Google nicht mit dem Such-Index schlagen kann. Qwant will mit anderen Funktionen (neben dem Tracking-Verzicht) überzeugen. Die Suchmaschine verzichtet etwa komplett auf Werbung und verdient sein Geld mit E-Commerce-Beteiligungen und B2B-Geschäften. Dazu zählt das Lizensieren der eigenen Suchtechnik an Firmen oder Behörden, Reputationsmanagement von Marken in sozialen Netzwerken und das Analysieren von Äußerungen über TV-Sendungen bei Twitter & Co. Was das Design angeht, sieht Qwant nach dem Relaunch in meinen Augen deutlich moderner aus als Google und Bing. Auf der Startseite finden sich unter dem Suchschlitz aktuelle Trendthemen von Twitter, Nachrichtenseiten und anderen Quellen. Leider verblasst die Freude nach dem Klick auf „Suchen“. Die Ergebnisse sind in drei nebeneinander angeordnete Listen unterteilt. Neben „Web“ stehen die „News“- und die „Social“-Ergebnisse. Das ist einfach zu viel, denn, anstatt dass Qwant mir die Arbeit abnimmt, muss ich selbst die Relevanz der verschiedenen Ergebnisse einordnen. Am wenigsten brauchbar sind die Suchergebnisse, wenn ich nicht nach aktuellen Ereignissen qwante. Da lande ich bei Hinweisen auf ein Theatertreffen oder die neue Homeland-Staffel, obwohl ich doch „Facebook Atlas“ eingegeben hatte. Ich muss Qwant aber zu Gute halten, dass ich in der Seitenspalte etwa die Webergebnisse filtern kann. Geschmackssache ist auf jeden Fall das unendliche Scrollen. Es gibt keine Seiten von Suchergebnissen, sondern einfach eine sehr lange Liste, die plötzlich mit den Worten: „Die folgenden Ergebnisse sind womöglich irrelevant. Bitte formulieren Sie die Suchanfrage um“, unterbrochen wird. Bei Suchmaschinen gefällt mir persönlich die Variante mit mehreren Ergebnisseiten am besten.

Nach ein paar Tagen ohne Google ist die Ernüchterung groß. Qwant und Bing zeigen gute Ansätze, liefern aber identische Suchergebnisse, die einfach nicht mit dem mithalten können, was ich von Google gewohnt bin. Meine Stimmung ist mittelmäßig, trotzdem gewöhne ich mich nach ein paar Tagen mit anderen Suchmaschinen daran, auf Google zu verzichten. Nur ohne Youtube geht nicht viel, immerhin tauche ich mit Vimeo in die Kunstszene ab und schaue dank Vevo mal wieder Musikvideos (und schwelge in alten MTV-Zeiten).

Das Anti-Google aus den USA ohne Tracking aber mit Anzeigen

DuckDuckGo startete im Jahr 2008 mit dem Ziel, weniger Werbung und mehr Relevanz zu liefern. Das änderte sich 2011 als Gründer Gabriel Weinberg gegen das Tracking von Suchmaschinen mobil machte und DuckDuckGo als Anti-Google aufstellte. Seitdem gibt es eine recht große Fangemeinde, vor allem in den USA. Nach dem NSA-Skandal stiegen die Suchanfragen auf knapp sieben Millionen täglich. Geld verdient die Suchmaschine auch ohne Tracking mit Werbung. Sucht der Nutzer etwa nach „Auto“, bekommt er auf der Ergebnisseite passende Werbung angezeigt. DuckDuckGo nutzt ähnlich wie Qwant einen eigenen Webcrawler und Schnittstellen der Konkurrenten, wie etwa Bing oder Wikipedia. Das zeigt sich dann auch beim Vergleich der Suchergebnisse. Mein gern gebrachtes Beispiel mit Facebook Atlas lieferte in etwa das Gleiche wie Bing und Qwant. Bei Anfragen wie Angela Merkel oder Dirk Nowitzki blendet DuckDuckGo aber immerhin die Wikipedia-Ergebnisse etwas größer ein. So ganz überzeugen mich die Suchergebnisse vor allem bei deutschen Suchanfragen nicht. Obwohl die Region und Sprache auf Deutsch eingestellt sind, landen immer mal wieder englische Ergebnisse in der Liste. Für mich persönlich nicht schlimm, aber das könnte einige Nutzer abschrecken.

Beispielsuche DuckDuckGo (Foto: Online Marketing Rockstars)

Beispielsuche DuckDuckGo (Foto: Online Marketing Rockstars)

Ich entscheide wie DuckDuckGo aussieht

Was mir an DuckDuckGo gefällt, ist vor allem die Übersichtlichkeit. Die Ergebnisse landen in einer Liste, daneben gibt es keine weiteren Felder. Die Webseiten sind mit einem kleinen Logo versehen, so erkenne ich schnell, woher bestimmte Artikel kommen. Wer seine Suchmaschine mit persönlichem Design mag, sollte sich DuckDuckGo auf jeden Fall anschauen. Zur Auswahl stehen sechs verschiedene Styles – auch mit schwarzem Hintergrund. Ein großes Manko hat DuckDuckGo aber mit den anderen Google-Alternativen gemein: Die Ergebnisse lassen sich nicht zeitlich eingrenzen und vor allem steht das Veröffentlichungsdatum der Suchergebnisse nirgends. So lande ich auch mal auf Artikeln von 2008. Für mich persönlich war das in der Woche einer der größten Nerv-Faktoren. Insgesamt fehlt bei allen dreien die Möglichkeit die Suchergebnisse manuell zu verfeinern. Immerhin funktionieren aus Google bekannte Kniffe wie „site:“.

Die Schwierigkeiten des Google-Entzugs – es ist überall

Insgesamt fiel es mir nicht so leicht, die Woche ohne Google-Dienste zu überstehen, aber es geht. Die meisten Suchanfragen führten zu zufriedenstellenden Ergebnissen, bei anderen musste ich etwas mehr Zeit investieren, aber zum Ziel kam ich immer. Am gefährlichsten sind alte Gewohnheiten, wie die URL-Leiste als Google-Suche zu verwenden. Zum Glück lässt sich die Standardsuche bei Safari zu DuckDuckGo oder Bing ändern. Google zu entgehen, ist also keine leichte Übung und was die Suche angeht, kommt die Konkurrenz einfach nicht an den Marktführer heran. Aber ich kann das gute Gefühl vieler Nutzer nachvollziehen, die bei DuckDuckGo oder Qwant landen, um nicht getrackt zu werden. Marketern sollte es Hoffnung machen, dass die Mehrheit derzeit Funktionen und Bedienbarkeit über die Cookie-Angst stellen. So dürfte googlen noch lange das Wort der Wahl bleiben.

Übrigens: Nach meiner Woche habe ich den Artikel von Ole Reißmann bei Spiegel Online entdeckt. Bei einigen Punkten sind wir uns einig, ich kann aber verstehen, warum er auf den Google-Komplettverzicht keine Lust hatte.

DuckDuckGoGoogleSuchmaschinen
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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