Wie Snoop Dogg und Kollegah der Madlipz-App zu über 3.000 Prozent Wachstum verholfen haben

Martin Gardt1.11.2016

So ist die App in den Top 10 der deutschen App-Charts gelandet

Madlipz Kollegah
Madlipz Kollegah

App-Erfolge sind heute wie ein Lottogewinn. In den Stores gibt es Millionen Apps, die um die Aufmerksamkeit der Nutzer kämpfen, nur ein Bruchteil wird heruntergeladen, geschweige denn genutzt. Eine kleine App-Bude aus Kanada hat jetzt ihre ein Jahr alte App in den USA und Deutschland in den Toplisten der Charts platziert – mit Hilfe von Snoop Dogg, Kollegah und Chris Brown. Wir zeigen, wie die Jungs das geschafft haben.

Vor fast einem Jahr veröffentlichen die drei jungen Ingenieure Shahed Doroudi, Amirali Afshar und Amir Alikhanzadeh die App Madlipz. Als eine Art umgedrehtes Dubsmash oder Musically können die Nutzer kurze Videoausschnitte aus Filmen oder TV-Shows mit einer eigenen Tonspur unterlegen. Die Videos, die dabei herauskommen, können die Nutzer dann bei Facebook, Instagram & Co. teilen. „Wir kommen aus einem multikulturellen Background und haben schon als Kinder den Ton von Westernfilmen oder Cartoons ausgemacht, weil wir kein Wort verstanden haben. Wir haben dann selbst die Stimmen gesprochen, um für uns selbst einen Kontext zu haben“, erzählen die drei Gründer Online Marketing Rockstars. „Nachvertonung (Dubbing) war schon immer eine beliebte Art der Parodie. Bisher brauchte man aber Fähigkeiten im Videoschnitt. Wir wollten eine einfache Lösung bauen.“

Professionelle Parodie-Videos erreichen beispielsweise bei Youtube Millionen-Reichweiten. Einer der bekanntesten Kanäle ist wohl „Bad Lip Reading“ mit mehr als 5,5 Millionen Abonnenten und über 690 Millionen Aufrufen. Hier werden den Protagonisten von Präsidentschaftsdebatten oder Super Bowls dank Neuvertonung Unsinns-Sätze in den Mund gelegt. In Deutschland sind Parodieversionen von Raumschiff Enterprise (Sinnlos im Weltall – über 480.000 Views), Herr der Ringe (Lord of the Weeds – über 800.000 Aufrufe) und der Untergang (mehrere Videos mit Millionen Views) sehr beliebt.

Download-Explosion nach langem Leerlauf

Madlipz AppFür eine App, mit der man einfach und schnell bekannte Filmausschnitte nachsynchronisieren und unkompliziert mit dem eigenen Netzwerk teilen kann, dürfte also durchaus ein Markt da sein. Aber wie kommt man als Entwickler einer solchen App an Nutzer und Downloads, wenn einen noch niemand kennt? Die drei Kanadier erkennen schnell, dass die virale Verbreitung der Madlipz-Videos helfen kann. Wie bei Dubsmash und Musically wird jedes Video mit einem Wasserzeichen versehen. So kann Social-Media-Reichweite zu Downloads führen – Nutzer sehen ein Video und fragen sich direkt, was das für eine App ist. Das Wasserzeichen ist auch für Musically einer der größten Wachstumstreiber. „Wir wussten, dass die Leute Lust auf diese Art der Parodie haben und sprachen frühzeitig mit Influencern und Betreibern kleinerer Meme-Seiten“, sagen die Madlipz-Gründer. Für kleines Geld bezahlt das Team diese dafür, Madlipz-Videos zu erstellen und auf Plattformen wie Facebook, Instagram, Snapchat und Youtube hochzuladen.

Laut Daten des Analyse-Tools Priori Data funktioniert das zu Beginn nur auf niedrigem Niveau. Ab Februar 2016 verzeichnet die App zwischen 200 und 600 Downloads auf iOS-Geräten pro Tag – weltweit. Das ändert sich bis Ende September 2016 nicht, Anfang Oktober explodieren die Download-Zahlen dann auf über 14.000 pro Tag. Allein in Deutschland wurde die App in den letzten 30 Tagen knapp 130.000 Mal heruntergeladen, nur in den USA hatte Madlipz mit knapp 300.000 Downloads in der Zeit mehr Erfolg. In Deutschland liegt die Wachstumsrate der App in den letzten 30 Tagen bei über 3.000 Prozent. Woher kommt der plötzliche Erfolg?

Traction durch (kostenlose) Influencer

„Kollegah, Snoop Dogg und Chris Brown sind die großen Influencer, die Madlipz aufgenommen haben“, erzählen die Kanadier. Alle drei seien von sich aus auf die App aufmerksam geworden und wurden von Madlipz nicht bezahlt (dafür reiche das Budget bei weitem nicht). Trotzdem haben die Musiker entweder Madlipz-Videos von anderen oder selbst erstellte Inhalte bei Instagram geteilt. Der Rapper Kollegah ist wohl für einen Großteil des App-Erfolgs in Deutschland verantwortlich. Er postet sein erstes Madlipz-Video vor einer Woche bei Instagram, bis heute verzeichnet es 165.000 Views bei Instagram. Später kommen vier weitere Videos dazu – alle erreichen ähnliche Zahlen. Auf Facebook kommt der Zusammenschnitt der Videos auf knapp 500.000 Views. In der Ecke prangt groß das Wasserzeichen von Madlipz. Kollegahs Neuvertonung von Harry Potter scheint viele seiner über eine Million Instagram-Follower zum Download bewegt zu haben. Achtung: Die Sprache im Kollegah-Video ist nicht unbedingt für Kinder geeignet – oder für die Arbeit.

„Wer ist auch wegen Kollegah hier“ und „Kollegah macht die App berühmt“ sind zwei Bewertungen zu Madlipz im deutschen App Store. Das gleiche Glück hatten Doroudi, Afshar und Alikhanzadeh in den USA: Zeitgleich mit Kollegah teilt Snoop Dogg ein Madlipz-Video eines anderen Nutzers. Der kurze Ausschnitt, in dem Donald Trump veräppelt wird, verzeichnet auf Snoops Instagram-Kanal (13 Millionen Abonnenten) fast 750.000 Aufrufe. 1,6 Millionen Views bekommt das Video beim US-Sänger Chris Brown (32,4 Millionen Abonnenten).

Fanseiten auf der ganzen Welt

„Social Media ist unser Hauptkanal, um Aufmerksamkeit für die App zu gewinnen“, sagen die Madlipz-Gründer. Die meisten Nutzer würden ihre Videos bei Instagram posten, aber auch Facebook und Snapchat seien passende Plattformen. Erste Zusammenschnitte aus mehreren Videosequenzen würden derweil bei Youtube auftauchen. Mittlerweile gibt es jede Menge Fan Pages aus allen Teilen der Welt auf Instagram. Meist sind diese nach der Sprache benannt, in der die Parodien eingesprochen sind: madlipz_farsi_ (über 9.000 Abonnenten), madlipz_ironi (über 28.000 Abonnenten) und beste.madlipz aus Deutschland (über 3.000 Abonnenten) sind nur einige Beispiele.

Erst einmal kein Umsatz

Social Media als Marketingkanal Nr.1 zu nutzen, sei auch mit dem Blick auf die Kosten für das Unternehmen logisch. Bei Facebook habe ein App-Install bis zu einem US-Dollar gekostet. Mit Hilfe von Influencern gebe Madlipz nur etwa zehn US-Cent pro Install aus – auch weil die Videos über den eigentlichen Post hinaus organisch eine größere Reichweite erreichen. Madlipz selbst schalte bisher keine Werbung in der eigenen App: „Wir werden kein Advertising einbauen, bis wir den am wenigsten störenden Weg gefunden haben, es in die User Experience einzubauen“, sagen die Gründer. Noch mache das Team keinen Umsatz, sondern konzentriere sich auf Nutzerwachstum.

Madlipz Gründer

Die Madlipz-Gründer Amir Alikhanzadeh, Amirali Afshar und Shahed Doroudi (v.l.)

Das soll sich aber bald ändern: „Die Möglichkeiten sind da, um 2017 Geld zu verdienen. Wir hoffen Anfang 2018 den Breakeven zu erreichen“. Noch vor dem einjährigen Jubiläum der App wolle das Team eine Million Downloads feiern. Madlipz befinde sich in Gesprächen mit VCs und Investoren und habe am „Ideaboost“-Accelerator in Toronto teilgenommen. Dort bekommen Unternehmen bis zu 35.000 US-Dollar Funding – den Rest der Kosten haben die drei Gründer bisher selbst gestemmt.

Madlipz ist in den Grundlagen ja vergleichbar mit Dubsmash und dem Weg, den die aus Deutschland kommende Lipsyncing-App gegangen ist – Verbreitung über Social Media, User Generated Content und Wasserzeichen. Dubsmash hatte es verpasst, mehr aus seinem Tool zu machen und so mit Musically einen anderen Player auf den Plan gerufen. Madlipz könne sich aus Sicht der Gründer in verschiedene Richtungen entwickeln: eine Social-Media-Plattform (der Musically-Weg), eine Messaging App oder ein Brand-Awareness-Tool für Werbe- und PR-Agenturen. Bei letzterem wären Neuvertonungen von Werbespots denkbar.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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