Katrin Suder: Wir brauchen mehr Seitenwechsel aus der Wirtschaft in die Politik

Florian Rinke12.2.2023

Die Ex-Staatssekretärin über die Zeit im Ministerium, Gefahren im Cyberraum und ChatGPT

Philipp Westermeyer und Katrin Suder trafen sich zur Podcast-Aufnahme im OMR-Office. Foto: Rikkert Aussems
Philipp Westermeyer und Katrin Suder trafen sich zur Podcast-Aufnahme im OMR-Office. Foto: Rikkert Aussems

Katrin Suder hat eine Karriere gemacht, für die andere Menschen zwei Leben bräuchten. Sie hat studiert, promoviert (und nebenbei nochmal studiert), wurde Partnerin bei McKinsey, Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, leitete den Digitalrat der Bundesregierung, sitzt heute in mehreren Aufsichts- und Beiräten und hat ganz nebenbei noch drei Kinder, um die sie sich kümmert – und das alles mit gerade mal 51 Jahren. Im OMR Podcast erklärt Katrin Suder, warum es mehr Seitenwechsel aus der Wirtschaft in die Politik bräuchte und welche Frage sie der künstlichen Intelligenz ChatGPT gestellt hat.

Seitenwechsler werden in der deutschen Politik oft kritisch beäugt. Wenn ein Politiker in die Wirtschaft wechselt, lautet ein beliebter Vorwurf, dass sie nun ihre politischen Kontakte vergolden würden. Und umgekehrt? Zwar verdient man auch als Minister*in oder Staatssekretär*in nicht schlecht. Doch die finanzielle Gründe dürften für kaum eine Top-Kraft aus der Wirtschaft am Ende entscheidend sein. Im Gegenteil. Entsprechend selten sieht man diese Wechsel. Katrin Suder bedauert das: „Deutschland ist tatsächlich im Europa-Vergleich das Land mit der niedrigsten Querwechsler-Quote. Für beide Seiten ist es schlecht, wenn der Austausch nicht da ist.“

Die 51-Jährige ist eine dieser Ausnahmen. Nach Physik-Studium und Promotion in Neuroinformatik (während der sie parallel noch Germanistik und Theaterwissenschaften studiert hat) ist sie bei der Beratung McKinsey in nur rund fünf Jahren zur Partnerin aufgestiegen, später leitet sie dann den Bereich „Öffentlicher Sektor“. Sie lernt Ursula von der Leyen kennen – und als die CDU-Politikerin Bundesverteidigungsministerin wird, wechselt Katrin Suder die Seiten. Sie wird Staatssekretärin im sogenannten Bendlerblock. Aus der Beraterin wird eine Architektin der Bundeswehr – in deren Zeit im Ministerium unter anderem eine neue militärische Domäne eingeführt wird: Der Cyberraum. Nach Land, See und Luft beginnt die Bundeswehr nun auch immer stärker, sich mit digitalen Bedrohungen zu beschäftigen. „Die Bundeswehr ist im Vergleich zu anderen staatlichen Organisationen auch noch nicht gehackt worden, das heißt, sie kann sich auch sehr gut verteidigen“, sagt sie nicht ohne Stolz.

Der Wechsel in den Volkswagen-Vorstand scheitert

Öffentlich geraten die Reformen bald jedoch in der Vergessenheit, denn ein Untersuchungsausschuss wirft einen Schatten über die Zeit von Ministerin von der Leyen. Es geht um die Frage, ob den Beratungen McKinsey und Accenture lukrative Aufträge zugeschanzt wurden. Auch Katrin Suder wird als Zeugin vorgeladen. Es ist die wohl schwierigste Phase in ihrer bisher so glanzvollen Karriere. Einerseits leitet sie da bereits den Digitalrat von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Andererseits muss sie sich, begleitet von einem Anwalt, für die Vergangenheit rechtfertigen. Einen Untersuchungsausschuss wünscht man keinem, sagt sie heute rückblickend.

Ihr Image hat damals Kratzer bekommen. Doch ihre Expertise und ihre Fähigkeiten werden weiterhin geschätzt. Der frühere Volkswagen-Chef Herbert Diess will Katrin Suder zur IT-Vorständin machen, auch sie kann sich den Job vorstellen. Doch der damals intern schon umstrittene Diess scheitert mit dem Plan an seinem Aufsichtsrat. Dafür sichern sich andere Katrin Suders Kompetenz. Heute sitzt sie im Verwaltungsrat des US-Unternehmens Cloudflare. Eine Deutsche in einem US-Verwaltungsrat? Auch das ist eine Seltenheit, doch mit dieser Rolle kennt sich Katrin Suder aus. Egal ob als Seitenwechslerin in der Politik oder als Frau im Physikstudium – die Exotin war sie schon in vielen Phasen ihres Lebens. Neben Cloudflare kontrolliert sie auch den deutschen Immobilienkonzern LEG, berät die Private-Equity-Gesellschaft EQT und die Kommunikationsberatung FGS Global. Ach ja, drei Kinder hat sie auch noch nebenbei mit ihrer Frau Katja Kraus, der früheren Managerin des Hamburger SV. Und ein Buch hat sie auch geschrieben.

Diese Frage stellte Katrin Suder ChatGPT

Sie sieht viele Facetten von Welt und Wirtschaft. Ihr Blick auf Deutschland ist – anders als der vieler Skeptiker – optimistisch. Während Katrin Suder die USA und auch China bei Themen wie der automatischen Bilderkennung vorne sieht, traut sie Deutschland speziell im Bereich Maschinenbau weiterhin viel zu. Sie sieht das Land dort sogar weiterhin vor den beiden Großmächten. „Wir beherrschen die physikalische Welt – und die ist nicht so leicht zu beherrschen. Das sehen wir ja auch daran, welche Probleme Tesla immer wieder mal hat“, sagt sie im OMR Podcast. Die entscheidende Frage ist aus ihrer Sicht, ob es der Hardware-Welt gelingt, die Software zu integrieren, um damit zu besseren Lösungen zu gelangen, oder ob es am Ende die Software-Welt sein wird, die die Hardware beherrscht.

Die Frage, wer Koch und wer Kellner ist, stellt sich auch beim Thema Künstliche Intelligenz. Speziell seit das US-Unternehmen OpenAI seine Software ChatGPT der Öffentlichkeit präsentiert hat, ist das Thema in aller Munde (was bekannte Tech-Experten in diesem Bereich für 2023 erwarten, haben wir hier zusammengefasst). Natürlich hat auch Katrin Suder die Lösung von OpenAI bereits ausprobiert, immerhin hat sie sich schon während ihrer Promotion mit dem Thema KI beschäftigt. Von ChatGPT ist sie durchaus beeindruckt: „Ich habe nach dem geopolitischen Konflikt mit China gefragt und fand die Antwort wirklich gut, weil sie differenziert war.“

Was Katrin Suder über den Konflikt von China und Taiwan denkt, warum sie aktuell lieber Aufsichtsrätin ist als Managerin und welche Herausforderungen sie beim Thema Cybersicherheit sieht, verrät sie im OMR Podcast.

Die Themen des OMR Podcasts mit Katrin Suder im Überblick:

  • Katrin Suder über Frauen-Quoten an Universitäten und das Bastel-Defizit (00:02:00)
  • Die Bundeswehr bekommt Cyberkrieger – Katrin Suders Zeit im Ministerium (00:08:20)
  • Verwaltungsrätin bei Cloudflare und Phishing-Angriffe auf Firmen (00:16:45)
  • Katrin Suder über ihren Fast-Wechsel zu Volkswagen und den Digitalrat von Angela Merkel (00:26:30)
  • Warum Daten eben doch nicht das neue Öl sind und die Folgen von ChatGPT (00:33:50)
  • Geht es beim China-Taiwan-Konflikt am Ende nur um Computerchips? (00:47:30)
  • In dieses Startup hat Katrin Suder investiert und ihre Aufgabe bei FGS Global (00:55:40)

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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