Rockstars im Hintergrundgespräch: Das ist der Mann, der die Fäden hinter Adwords zieht

Jerry Dischler und die Entwicklung des durchschnittlichen CPCs (Foto: Google, Montage: Online Marketing Rockstars)

Google Topmanager Jerry Dischler über den CPC-Rückgang und neue Wachstumsfelder

Jerry Dischler und die Entwicklung des durchschnittlichen CPCs (Foto: Google, Montage: Online Marketing Rockstars)

Jerry Dischler und die Entwicklung des durchschnittlichen CPCs (Foto: Google, Montage: Online Marketing Rockstars)

Der Umsatz wächst, der Börsenkurs steigt; Online-Branchenprimus Google geht es hervorragend. Aber wie lange wird das Wachstum noch anhalten? Immer wieder wird in der Branche über diese Frage spekuliert – auch, weil seit knapp vier Jahren der durchschnittliche Preis sinkt, den Google mit einem Klick auf seine Werbeprodukte einnimmt. Bislang ist es Google jedoch immer wieder gelungen, neue Wachstumsfelder zu erschließen und den Aktienpreis in neue Höhen zu treiben. Wir haben mit Google-Vizevorstand und Adwords-Produktmanager Jerry Dischler über die CPC-Entwicklung gesprochen und erfahren, mit welchen Produkten Google auch weiterhin wachsen will.

Der Cost-per-Click sinkt? Das ist doch gar nicht wichtig – diese Botschaft haben Google-Manager in den vergangenen Monaten immer wieder durchblicken lassen. „Wenn Sie sich ein Bild vom Zustand unseres Geschäftes machen wollen, sollten Sie dafür einen Blick auf unseren Umsatz und unser Umsatzwachstum werfen“, so Jerry Dischler gegenüber Online Marketing Rockstars. Er ist seit 15 Jahren für Google tätig und verantwortet heute als Vizevorstand das gesamte Produktmanagement für Google Adwords. Die Suchwortanzeigen sorgen für einen großen Teil von Googles Umsätzen – und entsprechend Dischlers Andeutung steigen diese nach wie vor.

Googles durchschnittlicher CPC sinkt seit fast vier Jahren (Grafik: Business Insider / Statista)

Googles durchschnittlicher CPC sinkt seit fast vier Jahren (Grafik: Business Insider / Statista)

Gerade hat Adwords den 15. Geburtstag gefeiert. Dass der CPC von Adwords sinkt, soll im Rahmen des Jubiläums offenbar niemanden interessieren. Und doch fragen Wall Street Analysten bei den vierteljährlichen Earnings Calls immer wieder nach dieser Kennzahl. Dass Verhältnis der US-Börsianer zu Google war in den vergangenen Monaten zwiegespalten: Zwar ist Google der digitale Platzhirsch und verdient so viel Geld mit Online-Werbung wie kein anderes Unternehmen. Doch fürchten die Analysten, dass der Konzern an eine Wachstumsgrenze gestoßen sein könnte und dass die Nutzer, die immer häufiger über das Smartphone auf das Internet zugreifen, auf den kleinen Geräten weniger Suchen durchführen.

Zudem hat Google in den vergangenen Jahren in sechs von zehn Quartalen die Erwartungen der Wall Street nicht erfüllt. Dem Aktienpreis hat das selten wirklich etwas anhaben können. Erst vor wenigen Tagen ist der Wert des Papiers erneut in die Höhe geschossen. Trotzdem will sich Google offenbar um mehr Transparenz und eine bessere Beziehung zu den Analysten bemühen. So bietet Medienberichten zufolge Ruth Porat (die neue Finanzchefin des Konzerns) höchstselbst namhaften Investmentbanken kurze Briefings über die Geschäftsentwicklung Googles an.

Mehr Klicks, doch niedrigerer CPC auf YouTube

Auch Jerry Dischler erteilt dann doch eine konkrete Auskunft auf die Frage nach den Gründen für CPC-Rückgang: „In den durchschnittlichen CPC werden sehr viele Werte mit eingerechnet – wie beispielsweise der CPC von Werbung auf YouTube.“ Dort läge der durchschnittliche CPC niedriger als bei den Anzeigen in Googles Suchmaschine, so Dischler. „Wenn also die Zahl der Klicks mit niedrigem CPC bei YouTube zunimmt, kann dies zu einem Sinken des durchschnittlichen CPCs führen, selbst wenn bei anderen unserer Angebote der CPC gar nicht sinkt.“ Eine genauere Aufschlüsselung der CPCs der einzelnen Bereiche will Google nicht zur Verfügung stellen. Dischler sieht aber keinerlei Grund zur Beunruhigung: „Für uns ist alles gut, unser Geschäft ist gesund.“

Google hatte YouTube erstmals in diesem Sommer am Rande eines Earnings Calls als Verursacher des CPC-Rückgangs ins Feld geführt. In den Jahren zuvor hatten Marktteilnehmer immer wieder über die Gründe für das Absinken des Preises spekuliert. Viele sahen den Boom des mobilen Internets als Ursache der Entwicklung an. In einem Börsenbericht im Jahr 2012 hatte Google selbst einmal unter anderem „die Veränderungen im Plattform-Mix wegen des Traffic-Wachstums auf mobilen Endgeräten, auf denen der durchschnittliche Cost-per-Click typischerweise niedriger ist als auf Desktop-Rechnern oder Tablets“, explizit als Grund für den damaligen CPC-Rückgang genannt.

Droht „Peak Google“?

Wenn Klicks auf Adwords-Anzeigen auf dem Smartphone weniger wert sein sollten als solche auf Desktop-Geräten, könnte sich dies für Google als fatal herausstellen – schließlich verschiebt sich die Internetnutzung der Verbraucher immer stärker Richtung Mobile. Das Werbeinventar von Google könnte damit in Zukunft an Wert verlieren. In namhaften Medien und Blogs wurde daraufhin immer wieder über „Peak Google“ und die Frage, ob Google seinen Zenit überschritten habe, diskutiert.

Nach Darstellung von Google selbst hat sich die Situation des Unternehmens im Mobile-Bereich in der Zwischenzeit deutlich entschärft. Mittlerweile bezeichnet Google den Mobile-Bereich, wie etwa bei der Vorstellung der jüngsten Quartalszahlen, als Wachstums- und Umsatztreiber. Mehr als 50 Prozent der Suchen fänden auf mobilen Endgeräten statt, sagte Google-CEO Sundar Pichai bei der Vorstellung der Ergebnisse im Earnings Call. Pichais wolkige Antwort auf die Frage eines Analysten, wann der Anteil von Mobile an den bezahlten Klicks auch die 50 Prozent übersteigen werde – „Ich erwarte, dass alle Zahlen dem Trend folgen“, so der Konzernchef – deutet jedoch darauf hin, dass Google mit Mobile-Suchen derzeit weniger Klicks auf Anzeigen generiert als im Desktop-Bereich. Zuletzt hat Google damit begonnen, bei einigen Suchanfragen in der mobilen Version seiner Suche einen weiteren, zusätzlichen Anzeigenplatz oberhalb der unbezahlten Suchergebnisse einzubauen.

Adobe: Der Traffic-Preis steigt, die Qualität sinkt

Darauf, dass sich Google mit dem Generieren von Klicks Mobile schwerer tut als auf Desktop, lässt auch eine aktuelle Untersuchung von Adobe schließen: Das Unternehmen berichtete in diesem Juni zwar gleichermaßen, dass der Mobile CPC von Google steige. Adobe kritisiert jedoch auch, dass trotz des Preisanstiegs die Click-through-rates gesunken sind. Das Unternehmen beruft sich dabei auf Zahlen aus der Adobe-Software „Media Optimizer“, mit der Kunden digitale Werbung schalten und optimieren können. Stimmen die Informationen, würde dies bedeuten, dass der von Google vermittelte Mobile Traffic teurer wird, während gleichzeitig die Qualität des Traffics sinkt.

„Google verdient mehr Geld mit dem Mobile Click, liefert den Kunden aber kein besseres Ergebnis“, so Adobe-Analystin Tamara Gaffney gegenüber adexchanger. Dies liege auch an der schlechten Conversion Rate von Mobile: „Wir können anhand unserer Daten sehen, dass selbst die beste Mobile-optimierte Seite nur die Hälfte des Umsatzes-pro-Nutzer einbringt wie eine Desktop-Seite.“ Möglicherweise sei deswegen ein Wendepunkt erreicht, an dem die Search Marketer sich dafür entscheiden könnten, ihre „Search Dollars“ lieber woanders auszugeben, so Gaffney.

„Noch niemand macht Mobile einen perfekten Job“

„Ich glaube, dass wir den Übergang zu Mobile gut bewältigen. Ich sage das so bescheiden, weil ich nicht denke, dass Mobile schon jemand einen wirklich perfekten Job macht“, so Jerry Dischler im Gespräch mit Online Marketing Rockstars. „Ich glaube, wir stehen noch ganz am Anfang einer langen Veränderung und die Branche entwickelt sich noch. Da passiert noch sehr viel.“ Aber die Werbetreibenden fingen langsam damit an, den Wert von Mobile zu erkennen und einen Nutzen daraus zu ziehen, so der Google-Manager – „das finden wir sehr spannend. Deswegen bauen wir hier unser Angebot aus.“

Während Dischler noch keine Marktteilnehmer sehen mag, die zufriedenstellende Lösungen für Mobile Advertising gefunden haben, dürfte nicht zu bestreiten sein, dass Google-Konkurrent Facebook derzeit wohl mit der erfolgreichste Mobile-Vermarkter der Welt ist. Im zweiten Quartal des laufenden Jahres (die Zahlen des 3. Quartals werden am 4. November bekannt gegeben) lag der Mobile-Anteil unter den Werbeumsätzen des Unternehmens nach eigenen Angaben bei 76 Prozent. In den ersten Monaten von 2015 hat Facebook 5,4 Milliarden US-Dollar mit Mobile Werbung verdient.

Google legt demgegenüber den Anteil von Mobile am Unternehmensumsatz nicht offen. Für diese Entscheidung musste sich der Konzern bereits einmal gegenüber der US-Börsenaufsicht SEC erklären. So sei es schwer, Mobile genau zu definieren, schrieb Google in einem Brief an die Behörde. Tablets etwa habe das Unternehmen am Anfang als Mobile-Geräte gewertet, heute rechne es diese dem Desktop-Bereich zu. Zudem werde die Gerätelandschaft mit dem „Internet of Things“ komplexer.

Stammt ein Fünftel von Googles Werbeeinnahmen aus Mobile?

Die Investmentbank Goldman Sachs versuchte sich im vergangenen Jahr an einer Schätzung von Googles Mobile-Umsätzen: 11,8 Milliarden US-Dollar soll das Segment im Jahr 2014 zu Googles Gesamtumsatz von insgesamt 59 Milliarden US-Dollar beigesteuert haben. Sollte die Schätzung richtig sein, dürfte Facebook Google bei den Mobile-Umsätzen eng auf den Fersen sein, obwohl der Gesamtumsatz der Social-Plattform deutlich niedriger ist als der von Google.

Offenbar will Google auf die Veränderungen im Markt noch stärker reagieren: „Seitdem wir Adwords in den Markt eingeführt haben, haben sich Google und das Web an sich stark verändert“, sagt Jerry Dischler. Nicht nur, dass Googles Suche sich verändert habe – „aus dem Verbraucher von damals, der mit niedriger Bandbreite ein Gerät nutzt, ist heute ein ‚Always-on-User’ geworden, der mehrere Geräte gleichzeitig nutzt und über einen Internetzugang mit hoher Bandbreite verfügt.“ Der „Kauftrichter“ sei ersetzt worden durch ‚Micromoments’: plötzliche „Aktivitätsausbrüche“, die sich über den Tag verteilen, so Dischler. „An diese Realität wollen wir unsere technologische Plattform anpassen.“

Mit neuen Produkten, die neu entstandene Bedürfnisse befriedigen, will Google weiteres Wachstum sichern. „Mit unseren neuesten Produkteinführungen haben wir die Bereiche Apps, Audience und Measurement in den Blick genommen“, so Dischler. „Wir haben unser Angebot zum Bewerben von Apps stark verbessert. Sowohl unsere Stammkunden als auch neue Advertiser, die alleine im App-Bereich tätig sind, erkennen den Wert der App-Distribution über Google.“ So genannte App Install Ads machen einen großen Teil des Mobile-Advertising-Kuchens aus.

Google will mehr App-Promotion-Budgets auf sich ziehen

Nun baut Google sein Angebot in diesem Bereich aus – mit „Universal App Campaigns“. Für das neue Produkt müssen Werbetreibende lediglich angeben, wie viel sie maximal für einen „Install“, also einen App-Download zahlen möchten. Google spielt dann automatisiert Werbemittel in Apps (über das Mobile Werbenetzwerk Admob), Display-Banner im Mobile Browser sowie seit neuestem auf YouTube und Search Ads im Google Play Store aus. Die Optimierung erfolgt automatisch durch Googles Technologie. „Der CPI variiert natürlich je nach App und Advertiser, aber viele unserer ersten Kunden haben sehr wettbewerbsfähige CPIs erzielen können“, so Dischler.

„Custom Match“, die zweite der jüngsten Produkteinführungen von Google zielt auf das Trendthema Audience. „Mit Custom Match können Werbetreibende ihre Bestandskunden im Web wiederfinden und mit Werbung ansprechen“, erklärt der Adwords-Chef. „Sie müssen dafür nur die E-Mail-Adressen ihrer Kunden hochladen. Wir gleichen diese dann anonymisiert mit den Daten ab, über die wir verfügen.“ Die Werbetreibenden zahlen für ihre Kampagnen die normale Vergütung; für das Targeting werden keine zusätzlichen Kosten fällig.

Googles „Custom Match“ erinnert nicht nur vom Namen her stark an Facebooks Produkt „Custom Audiences“, das das Unternehmen im Oktober 2013 für jeden Werbetreibenden verfügbar gemacht hat. Auch mit „Custom Audiences“ können Advertiser ihre Bestandskunden im Web wiederfinden. Dabei wird der Nutzer auf Basis seines Facebook-Profils identifiziert. Er muss dafür bei Facebook mit derselben E-Mail-Adresse registriert sein wie beim Werbetreibenden.

Neue Targeting-Option erinnert an Facebook

„Damit wir einen User für das ‚Custom Match’-Targeting wieder identifizieren können, muss dieser User mit seinem Google Account eingeloggt sein“, erklärt Dischler. Dazu, wie viele Nutzer täglich durchschnittlich mit einem Google-Account eingeloggt sind, will der Manager keine Auskunft erteilen. Immerhin dies: „Unser E-Mail-Service Gmail verzeichnet 900 Millionen Nutzer, die mindestens einmal in der Woche aktiv sind.“ Facebook beziffert die Zahl seiner „Monthly Active User“ auf 1,5 Milliarden, 968 Millionen Nutzer seien einmal am Tag aktiv. „Custom Match ist noch recht neu, aber so weit wir bis jetzt sehen konnten, war der Prozentsatz jener Nutzer, die wir wiederfinden können, sowohl für uns als auch für die Advertiser zufriedenstellend“, sagt Dischler.

Als dritte Neuerung führt Google künftig im Reporting-Bereich des Kampagnen-Tools so genannte Cross Device Conversions auf. Damit sollen die Werbetreibenden nachvollziehen können, wenn ein Nutzer sich beispielsweise auf einem Desktop-Rechner über einen Artikel informiert hat, diesen aber über Tablet oder Smartphone erworben haben.

Google will die geräteübergreifende Conversion-Messung besser messen

Das so genannte Cross Device Tracking ist derzeit im Markt ebenfalls ein enorm wichtiges Thema – erneut wegen der steigenden Endgerätevielfalt. Auch hier ist Facebook schon seit Längerem aktiv. Während Facebook Nutzer jedoch auf Basis ihres Facebook-Profils auf verschiedenen Geräten wiedererkennen kann – so diese bei Facebook eingeloggt sind – nutzt Google hierfür nach eigener Angabe Daten von Nutzern, die in der Vergangenheit einmal mit einem Google Account eingeloggt waren, und extrapoliert diese für alle Internetnutzer.

Mit allen drei Produkteinführungen muss Google sich also im Wettbewerb mit Facebook durchsetzen. Währenddessen wollen nicht nur Facebook, sondern auch Apple Google im Stammgeschäft angreifen – durch den Ausbau und die Verbesserung eigener Suchsysteme. „Wir begrüßen Wettbewerb in der Suche. Das ist gut für die Branche und sorgt für Innovationen“, sagt Dischler. „Es zeigt außerdem, dass Search immer noch relevant ist und von Social nicht verdrängt wird. Wir entwickeln uns selbst in rasantem Tempo weiter und sehen den Umstand, das andere ihre Suchangebote ausbauen, eher als Ermutigung. Wir möchten das beste Suchprodukt im Markt anbieten.“

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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