Mit diesem Trick generieren Publisher auf Facebook mit Schrott-Content massive Reichweiten

So hat eine US-Page in 30 Tagen 900.000 Fans gewonnen

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Eine neue Welle rollt über Facebook hinweg: Viral-Publisher laden Videos hoch, die nur statische Memes, also unbewegte Bilder zeigen. Das Erstaunliche: Sie generieren damit Millionen von Views. Was steckt dahinter? OMR erklärt das Phänomen. Ein geklautes Bild, darüber ein Text, der leidlich witzig ist oder mit dessen Aussage sich viele Menschen identifizieren können, das Ganze im Videoformat gespeichert, und bei Facebook hochgeladen – nach diesem Rezept bauen Seitenbetreiber aus den USA auf der Plattform massive Reichweiten auf. Ein besonders erfolgreiches Beispiel:

Mit diesem Video hat „For Shits and Giggles“ 33 Millionen Views generiert (das Video ist nicht einbettbar, Quelle)

Die Renaissance der Memes auf Facebook

33 Millionen Views, mehr als 400.000 Shares und mehr als 50.000 Kommentare verzeichnet die Seite „For Shits and Giggles“ mit diesem „Video“. Eine schnelle Recherche mittels Googles Bildsuche ergibt: Das Foto ist ein Still aus der US-Komödie „Bad Moms“ – also geklaut.

Ähnliche mit Text versehene Bilder gibt es im Netz schon seit Jahren: Die so genannten Memes sind mittlerweile ein fester Teil der Internetkultur. Doch dass diese im Videoformat bei Facebook hochgeladen werden, ist eine neue Erscheinung.

Zehnstellige Reichweite?

Der anonyme Betreiber von „For Shits and Giggles“ hat bereits mehr als 350 Videos nach dieser Masche erstellt. Viele davon verzeichnen auf Facebook Abrufzahlen im Millionenbereich: 25 Millionen, 23 Millionen und 19 Millionen Views. Und das, obwohl die Produktionskosten dafür gen Null tendieren dürften. Die Reichweite aller Videos dürfte im deutlich neun-, vielleicht sogar zehnstelligen Bereich liegen.

Am 28. Mai postete der Betreiber das erste Meme-Video, am 14. Juni folgten gleich elf weitere. Schon von diesen haben einige bis heute View-Zahlen im zweistelligen Millionenbereich generiert. Wie eine Auswertung des Social-Media-Analytics-Tools Quintly zeigt, liegt die Interaktionsrate der Videos auch weit über jener der vom Seitenbetreiber geposteten Fotos.

Die Interaktionsrate der Foto- und der Video-Posts von „For Shits and Giggles“ im Vergleich (Quelle: Quintly)

Mit Meme-Videos die Zahl der Fans fast verdoppelt

Augenscheinlich ist wegen der statischen Videos auch die Zahl der Fans der Seite durch die Decke gegangen. Seit dem 14. Juni hat die Seite fast 900.000 neue Fans gewonnen. Zuvor war die Zahl der Fans über einen längeren Zeitraum beim Stand von einer Million stagniert. Nun nähert sich die Seite mit Riesenschritten der Marke von zwei Millionen.

Seit Mitte Juni steigt die Zahl der neugewonnen Fans von „For Shits and Giggles“ massiv an (Quelle: Quintly)

Eine Besonderheit: Der Betreiber von „For Shits and Giggles“ spielt seine Inhalte nicht einfach an alle Fans aus, sondern hat die Zielgruppe beschränkt: „Die Seite ist komplett getargetet“, so Quintly-Sprecher Julian Gottke gegenüber OMR. Die Inhalte werden somit nur Nutzern zwischen 13 und 23 Jahren ausgespielt. Offenbar spekuliert der Seitenbetreiber, dass diese Altersgruppe stärker mit den Videos interagiert. Besseres Engagement sorgt auf Facebook für eine höhere Reichweite.

Facebook will zur Video-Plattform werden

Besonders zugute kommen dürfte „For Shits and Giggles“ aber auch, dass Facebook Video-Inhalte besonders pusht. „Wir haben das Goldene Zeitalter von Video erreicht“, sagte Mark Zuckerberg im Jahr 2016 gegenüber Buzzfeed. „Ich wäre nicht überrascht, wenn in fünf Jahren der größte Teil des Contents, den die Menschen auf Facebook sehen und miteinander teilen, Video sein wird.“

Schon Ende 2014 verzeichneten Videos die mit Abstand höchste organische Reichweite auf der Plattform. Diese Entwicklung dürfte sich seitdem noch einmal verstärkt haben. Wie der Tool-Anbieter Buzzsumo erhoben hat, sinken bei „normalen Posts“ die Sharing-Zahlen, während sie bei Videos nicht nur ein Vielfaches derer von Posts betragen, sondern auch weiterhin steigen.

Die Entwicklung der durchschnittlichen Sharing-Zahlen von Link-Posts und Videos auf Facebook im Vergleich (Quelle)

Publisher hacken Facebooks Video-Offensive

Auf Facebook aktive Publisher setzen deswegen schon seit einigen Jahren immer mehr auf Video-Inhalte. Doch die sind teurer und aufwändiger in der Produktion als Text- oder Bild-Inhalte. Indem „For Shits and Giggles“ die statischen Bilder im Videoformat bei Facebook postet, tricksen die Betreiber offenbar erfolgreich Facebooks Algorithmus aus.

Auch andere Viral-Publisher nutzen diesen „Hack“: Die Seite „DIY Everything“ beispielsweise postet schon seit einigen Monaten Bilder im Video-Format; das erfolgreichste davon hat bislang 8,6 Millionen Views angesammelt.

Die Nutzer sind genervt

Offenbar hat das Phänomen in den USA ein solches Ausmaß angenommen, dass die Nutzer dort schon massiv genervt von der Täuschung der Publisher sind. Wer Twitter nach den entsprechenden Begriffen durchsucht, stößt schnell auf eine Vielzahl entsprechender Aussagen.

(Quelle)

Ryan Broderick, Global News Director von Buzzfeed, war die Entwicklung Anfang Juli aufgefallen, seine Kollegin Cates Holderness echauffiert sich darüber, dass ihre Timeline mittlerweile zu 75 Prozent aus solchen Videos bestehe.

Schiebt Facebook den Riegel vor?

Pikantes Detail: Buzzfeed nutzt die Methode mittlerweile selbst – wenig verwunderlich, ist der US-Publisher doch Meister darin, alle Chancen, die sich auf sozialem Plattformen neu ergeben, zu erkennen und auszunutzen. Zwar sind die Buzzfeed Meme-Videos nicht komplett statisch. Doch statt als Videos könnten die Buzzfeed-Macher diese auch als GIF-Bilddateien posten – wie es schon seit 2015 bei Facebook möglich ist.

Ob das Posten von statischen Bildern als Video eine nachhaltige Taktik für die Reichweitengenerierung ist, wird sich noch zeigen müssen. In der Vergangenheit hat Facebook gegenüber ähnlichen „Zweckentfremdungen“ meist relativ schnell den Riegel vorgeschoben.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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