Einer der ersten großen Web-Tracking-Unternehmer macht jetzt Blocker und sagt es gebe ideologische Gründe

Martin Gardt24.7.2015
Monsteblock! Mit eBlocker sagt Christian Bennefeld Tracking von Google, Facebook & Co. den Kampf an. (Fotomontage: Online Marketing Rockstars)

Der Hamburger Christian Bennefeld gründete die Analytics-Firma eTracker und führte das Unternehmen 13 Jahre. Jetzt macht er mit eBlocker das Gegenteil. Wir haben gefragt, warum.

Monsteblock! Mit eBlocker sagt Christian Bennefeld Tracking von Google, Facebook & Co. den Kampf an. (Fotomontage: Online Marketing Rockstars)

Monsteblock! Mit eBlocker sagt Christian Bennefeld Tracking von Google, Facebook & Co. den Kampf an. (Fotomontage: Online Marketing Rockstars)

„Ich hatte immer ein Störgefühl, wenn ich online ging, weil ich weiß, wie die Branche funktioniert“, sagt Christian Bennefeld gleich zum Anfang des Gesprächs mit Online Marketing Rockstars. Bennefeld ist Mathematiker, hat einen langen Pferdezopf und gilt als Vorreiter im Tracking-Business. 2000 hatte er die Analytics- und Targeting-Firma eTracker gegründet und zu einer der führenden Webanalyse-Plattformen in Deutschland aufgebaut. Jetzt startet der 46-Jährige ein ganz anderes Projekt: Mit eBlocker will er jegliches Tracking blockieren – mit einer Box für Zuhause. Derzeit schraubt er mit einem kleinen Team an der Technik, im Dezember soll es losgehen. Wie er der Online Marketing-Branche an den Kragen will, steht hier.

Christian Bennefeld

Christian Bennefeld (Foto: eBlocker)

Bennefeld selbst sieht seinen Wechsel vom Tracking-Anbieter zum –Verhinderer ganz nüchtern: „Wir haben bei eTracker den Fokus auf Datenschutz gelegt, handeln im Kundenauftrag und legen keine Website-übergreifenden Nutzerprofile an.“ Genau das stoße Bennefeld am meisten auf. Companys wie Google, Facebook und Amazon, die durch ihr Tracking ermöglichten, dass Nutzer von Werbeanzeigen verfolgt würden, seien das große Problem. In dieser Riege habe auch eTracker nie mitgespielt. Sein altes Unternehmen (an dem Bennefeld immer noch beteiligt ist) setze auf statistische Auswertung anonymer Besucher. Daher sei es für eTracker vollkommen egal, ob demnächst 1.000 Leute pro Tag weniger erfasst werden können, weil seine Blocker-Technologie so weit verbreitet ist. Nur die Grundgesamtheit werde kleiner, Stichproben blieben möglich und eTracker-Kunden würden immer noch Ergebnisse erhalten, an welchem Punkt etwa die meisten Nutzer im Warenkorb aussteigen.

eBlocker ist Bennefelds Stinkefinger an Facebook, Google & Co.

Third-Party-Tracker bei Bild.de.

Third-Party-Tracker bei Bild.de.

Trotzdem will er mit seinem neuen Produkt jegliche Tracker ausschalten – auch die von eTracker. Das soll durch einen Mini-PC und eine eigene Software funktionieren. Das Paket nennt sich eBlocker und soll ab Dezember im Handel sein. „Wir richten uns an den DAU – den dümmsten anzunehmenden User“, sagt Bennefeld. „Der eBlocker funktioniert wie ein Föhn, reinstecken und los gehts.“ Der Mini-PC wird per Ethernet an den DSL-Router angeschlossen und muss nicht weiter eingestellt werden. Jedes Gerät im Netzwerk des verbundenen Routers funktioniert automatisch mit dem eBlocker. Der soll dann jegliche Tracking-Dienste von Third-Party-Anbietern, also Facebook (z.B. Facebook Connect), Google (Adsense) oder Twitter (Twitter Button) blocken. Diese transparenten Pixel tauchen auf fast jeder Webseite der Welt auf, geben einen Zählimpuls ab und lesen Daten vom Browser aus – wie Cookies oder Logins. „Wir verwenden zur Erkennung von Third-Party Trackern sowohl öffentliche Filterlisten als auch eigene Filterlisten und haben selbst lernende Algorithmen entwickelt, die Tracker erkennen“, sagt Bennefeld. Das Gerät habe er deshalb entwickelt, weil Anti-Tracker-Software allein umständlich auf allen Geräten im Haushalt installiert werden müsste. Mit eBlocker gebe es eine Zentrale, die sofort alle Geräte vor Tracking schützt – solange sie mit dem Router verbunden sind.

Auch die recht junge Tracking-Art Canvas Fingerprinting soll Bennefelds eBlocker verhindern. Die Technik setzen bereits tausende Webseiten-Betreiber ein. Dabei bewirkt die Seite, dass der Browser des Nutzers im Hintergrund (innerhalb von Sekundenbruchteilen) ein Bild erstellt – natürlich ohne, dass er das bemerkt. Jede Browser-PC-Kombination macht bei der Erstellung des Bildes kleine Unterschiede, abhängig von Browser-Version und Computerkomponenten. Dadurch entsteht ein fast eindeutiger Fingerabdruck des Nutzers, mit dem der Computer dauerhaft erkannt werden kann. Bisher gibt es für diese Technik kein verlässliches Gegenmittel, eBlocker soll das ändern.

Adblocker giftet gegen Adblocker

Gleichzeitig verhindert eBlocker auch das Ausspielen jeglicher Online-Werbung. In jedem Banner stecken Tracking-Pixel der Werbenetzwerke, die eine Analyse der Display-Performance zulassen. Als Adblocker will sich Bennefeld trotzdem nicht sehen: „Das ist moderne Wegelagerei bei Adblock Plus und aus meiner Sicht illegal“. Er spielt damit auf die Geschäftspraxis des größten Adblockers an, zahlende Unternehmen auf eine Whitelist zu setzen und deren Werbung trotzdem zu zeigen. Er selbst würde Werbung ohne Tracking-Pixel gern zulassen, aber wenn er ein Produkt verspreche, das jegliches Tracking verhindert, müsse er auch Display-Werbung sperren. Das funktioniert übrigens auch in Apps – bei jedem Smartphone oder Tablet, das an einem Router mit einem eBlocker hängt. Das bedeutet: Keine Banner in kostenlosen Spieleapps. 

So könnte die eBlocker-Hardware aussehen. Ganz abgeschlossen ist das Produkt-Design aber nicht. (Foto: eBlocker)

So könnte die eBlocker-Hardware aussehen. Ganz abgeschlossen ist das Produkt-Design aber nicht. (Foto: eBlocker)

Doch was wünscht sich Bennefeld von der so kritisierten Werbeindustrie und wie sollen Publisher Geld verdienen? Er kritisiert im Gespräch mit Online Marketing Rockstars vor allem die Borniertheit der Branche und wünscht sich in eine Zeit zurück, als Werbung noch nach Page Impressions verkauft und die gleichen Display-Ads für jeden angezeigt wurden. „Wir wollen dort monetarisieren, wo wir eine Leistung erbringen – beim Nutzer. Nicht wie so viele durch das Abgreifen von intimen Nutzerdaten“, sagt Bennefeld. Facebook, Google und all die anderen sind natürlich anderer Meinung. Mit Adservern wie Atlas plant Facebook ja genau das Gegenteil von Bennefelds Traumvorstellung: Ein viel genaueres Tracking der Nutzer über alle Geräte hinweg. 

Anonymität und Kinderschutz sind logischer Schritt

Sein eBlocker soll aber noch mehr können, als nur Werbetracker zu blockieren. Die IP-Adressen der Nutzer können auf Wunsch anonymisiert werden, was über das bekannte und unabhängige TOR-Netzwerk passiert. Damit trägt Bennefeld der NSA-Angst vieler potentieller Käufer seiner Blocker-Box Rechnung. Und auch eine Kindersicherung will er einbauen. So können Eltern für ihre Kids eigene Profile mit Filterlisten für spezielle Inhalte anlegen. 

Der nächste Schritt für Bennefeld und seinen eBlocker ist eine Indiegogo-Kampagne Anfang August. Auf der Crowdfundingplattform will er erste Geräte an technisch versierte Kunden verkaufen. Die sollen das System testen und wichtiges Feedback geben. Ende des Jahres soll die Serienproduktion beginnen. Das Gerät könnte dann etwa 150 Euro kosten und Software-Updates für ein Jahr im Paket beinhalten. Das hieße, dass die Filterlisten für Tracker und Ads regelmäßig vom Team angepasst werden. Nach dem ersten Jahr könnte solch ein Update zwischen fünf und zehn Euro im Monat kosten. Richtig gefährlich könnte für Marketer aber ein anderer Schritt von Bennefeld werden: „Wir verschenken unsere Software“, sagt er stolz. Wer sich selbst einen Mini-Computer á la Raspberry Pi zusammenbauen kann, kommt so für etwa 30 Euro zum eigenen eBlocker – wenn er die kostenlose Software darauf installiert. Bennefeld hält übrigens 100.000 verkaufte Geräte im ersten Jahr für realistisch, das könnte dann ganz langsam neue Schwierigkeiten für Marketer und Publisher bringen.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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