Dank Pinterest und gesunder Rezepte: So erreicht Eatsmarter 13 Millionen Visits pro Monat

Martin Gardt25.2.2021

Eatsmarter lockt jeden Monat Millionen Rezepte-Suchende auf seine Webseite – jetzt will das Unternehmen nicht mehr nur seine Reichweite vermarkten

Eatsmarter Aufmacher

Wenn es so etwas wie „Corona-Gewinner“ gibt, dann zählen Rezeptseiten auf jeden Fall dazu. Eine der größten in Deutschland fliegt dabei bei vielen noch unter dem Radar: Eatsmarter. Das schon 2009 gegründete Portal verzeichnet nach eigenen Angaben jeden Monat 13 Millionen Visits und 23 Millionen Seitenaufrufe auf seiner Webseite. Uns hat Co-Geschäftsführer Niklas Reinhardt erzählt, wie das Unternehmen solche Reichweiten komplett organisch erzielt, welche Rolle dabei die Pinterest-Seite des Unternehmens mit einer Million Followern spielt und wie aus einer Rezepteseite ein digitaler Ernährungsberater werden soll.

„Dirk Manthey hat Eatsmarter 2009 gegründet. Er hatte Functional Food in Kalifornien für sich entdeckt und wollte Menschen in Deutschland zeigen, dass leckere Ernährung auch gesund sein kann. Damals war das noch eine absolute Nische“, erzählt Eatsmarter-Geschäftsführer Niklas Reinhardt gegenüber OMR. Manthey hatte vorher den Milchstrassen-Verlag in Hamburg groß gemacht – ist also Print-Veteran. Eatsmarter wird also als Online-Portal mit begleitendem Magazin konzipiert. Das erscheint mit einer Auflage von 90.000 verkauften Zeitschriften immer noch sechs Mal im Jahr. Niklas Reinhardt ist als einer von drei Geschäftsführern vor allem für den Online-Bereich zuständig – und der entwickelt sich offenbar extrem gut.

Plötzlich mitten im Hype

„Es gibt in der Corona-Krise keine Gewinner. Aber das hohe Interesse an gesunder Ernährung ist für die Brand eine enorme Chance. Die Entwicklung der letzten Jahre hat sich nochmal multipliziert“, sagt Reinhardt. Von 2018 zu 2019 sei der Traffic um 20 Prozent gestiegen – von 2019 zu 2020 dann um 42 Prozent. Wie bereits beschrieben verzeichnet Eatsmarter aktuell nach eigenen Angaben 13 Millionen Visits pro Monat.

Wer Rezepte des Portals aufruft, erkennt schnell, wie sich Eatsmarter vom starken Wettbewerb (Chefkoch, lecker.de, unzählige Blogs) absetzen will. Auf der Rezept-Seite tauchen neben bekannten Elementen wie Bewertungen, Fotos, der Anleitung und Zutaten auch ein „Health Score“ und eine Auflistung der Nährwerte auf. „Unsere Datenbank spielt dabei eine große Rolle. Auf Grundlage der Nährwerte in den Rezepten haben wir einen Health Score für jedes Gericht entwickelt“, erklärt Niklas Reinhardt. Der zeige auf einer Skala von eins bis zehn an, wie gesund ein Rezept ist. Dazu würden einzelne Zutaten einen Gesundheitswert bekommen (Gemüse gut, Weißmehl schlecht) und Kaloriengehalt sowie Nährstoffgehalt herangezogen.

Eatsmarter Health Score

Mit dem Health Score von Eatsmarter soll schnell erkennbar sein, wie gesund ein Rezept ist

„Wir wollen erklären, welchen Einfluss Zutaten auf die Gesundheit haben, wollen Menschen mit chronischen Krankheiten oder beim Erreichen ihrer Ziele helfen“, so Reinhardt. „In unserer Redaktion sitzen fast ausschließlich studierte Ernährungswissenschaftler. Sie können genau erklären, warum ein Rezept gesund ist, und entwickeln stetig neue.“ Ein Großteil der Rezeptideen komme aus der Redaktion – zum Teil aber auch von TV-Köchen wie Christian Rach, Johann Lafer oder Alfons Schuhbeck. User Generated Content setze das Team bewusst nicht ein. Die Qualität der Rezepte und Bilder sei auch für die Verwendung auf Social-Media-Plattformen zu wichtig.

Rezepte löschen für mehr Sichtbarkeit

Eatsmarter-Co-Geschäftsführer Niklas Reinhardt

Eatsmarter-Co-Geschäftsführer Niklas Reinhardt

Der größte Traffic-Lieferant ist Search – typisch für Rezeptseiten. Niklas Reinhardt spricht von 60 bis 70 Prozent SEO-Traffic, der Rest komme direkt oder über Social-Kanäle. „Der Traffic ist aktuell komplett organisch. Wir haben bisher nur wenig in Marketing investiert. Am Ende stecken wir das Geld lieber ins Produkt“, so der Co-Geschäftsführer. Umso wichtiger also, in der Google-Suche gute Rankings zu erzielen. Das hat aber nicht immer geklappt. „Eatsmarter hat gleich zu Beginn 2.500 Rezepte entwickelt – inklusive Videos und hochauflösenden Bildern. Das Problem: Das Produkt war gut, nur der Traffic stimmte nicht“, erzählt Reinhardt. 

Das Traffic-Wachstum sei in den Jahren nach der Gründung vor allem durch eine Vielzahl an Rezepten erreicht worden. „Bis 2017 hat allein die Masse von 200.000 Rezepten für SEO-Traffic gesorgt. Dadurch wurde aber auch der Qualitätsanspruch verwässert. Als dann mit einem Google-Update die Qualität der Webseiten stärker in den Fokus rückte, hat uns das schon einen ordentlichen Knick gegeben“, erzählt Niklas Reinhardt.

Das zeigt sich auch am Sichtbarkeitsindex des Analyse-Tools Sistrix. Hier verzeichnet Eatsmarter bis 2017 stabil einen starken Wert von über 70. Mit dem Google-Update sackt dieser auf weniger als die Hälfte ab. Nach offenbar langem Kampf ist die Tendenz seit Ende 2019 wieder deutlich steigend. Knapp 270.000 Top-10 Rankings kann Eatsmarter derzeit aufweisen. Bei Keywords wie „Tomatensuppe“, „Brokkoli kochen“ oder „Poke Bowl“ rankt die URL auf Platz 1. Laut Sistrix ist Eatsmarter.de zu mehr als 92.000 Keywords auf den Positionen 1 bis 3 platziert; 171 davon verzeichnen ein Suchvolumen von mehr als 10.000 Anfragen monatlich. Es sind vor allem Obst- und Gemüsesorten, gesundes Essen also, zu denen die URL gut rankt.

Sichtbarkeitsindex Eatsmarter

So hat sich die Sichtbarkeit von eatsmarter.de auf Google in den vergangenen Jahren verändert (Quelle: Sistrix)

„Bei der Neuausrichtung haben wir uns bewusst von Content getrennt. Von ehemals 200.000 Rezepten sind jetzt noch 80.000 auf der Seite. Unser Growth Hack ist am Ende Qualität.“ Suchmaschinenoptimierer sprechen in diesem Zusammenhang auch von Crawl Budget Optimierung: Weil Google nicht alle Seiten einer Website crawlt (also nur ein bestimmtes „Crawl Budget“ hat), empfehlen Suchmaschinenoptimierer, von der Suchmaschine nur Seiten hoher Qualität indexieren zulassen.

Eatsmarter habe erkannt, dass es in der jetzigen Phase am wichtigsten sei, eine Brand aufzubauen, die Nutzende oft direkt auf die Seite bringt, sagt Niklas Reinhardt. „Wir wollen erreichen, dass die Leute, die von Google zu uns kommen, direkt merken, dass sie bei Eatsmarter sind“, sagt Reinhardt. „Das Wichtigste ist, dass die Leute über Eatsmarter sprechen und wir eine Brand aufbauen. Je besser wir den Markenkern herausarbeiten, desto eher entsteht Word-of-Mouth.“

Infografiken als Growth Hack

Beim Brand-Building spielen natürlich auch Social-Kanäle eine große Rolle. „Bei der Herangehensweise an Social war unser erster Schritt, die Kanäle nicht mehr als Verlängerung der Online-Maßnahmen zu verstehen, sondern als eigene, dritte Säule der Brand neben der Website und dem gedruckten Magazin“, so der Eatsmarter-Geschäftsführer. Instagram diene dabei vor allem als Kanal, um mit der Community direkt zu kommunizieren. Das Portal kommt hier auf knapp 330.000 Follower. „Du musst deine Community verstehen, einbeziehen, direkt ansprechen. Unsere Redakteure sind oft in den Stories zu sehen und bauen so eine Beziehung auf. Das ist so erfolgreich, dass es mittlerweile oft kopiert wird.“

Eatsmarter habe aber noch ein anderes Ass im Ärmel gehabt als nur nahbare Redakteure: „Unsere Infografiken waren bei Instagram ein großer Gamechanger“, sagt Reinhardt. Schon lange seien diese ein Element des gedruckten Hefts gewesen. Irgendwann habe das Team sie dann auch bei Instagram gepostet – mit entsprechendem Erfolg. Infografiken wie die über Zutaten mit besonders viel Eiweiß oder solchen über Lebensmittel, die gerade Saison haben, sind meist die mit den meisten Likes und Kommentaren auf dem Instagram-Kanal von Eatsmarter. Daneben postet das Portal Bilder aus seinen Rezepten und ab und an Ernährungstipps.

Mittlerweile versuche sich die Rezepte-Seite auch an weiteren Instagram-Ideen. „Unser neues Live-Format mit Experten-Talks ist direkt eingeschlagen. Wir verzeichnen zwischen 20.000 und 30.000 Aufrufe für die 30-Minuten-Gespräche“, erzählt Reinhardt. Die Ernährungswissenschaftlerin Maja Seimer interviewt hierfür Expertinnen wie die Food-Bloggerin Nathalie Gleitman zum Thema Histamin-Intoleranz oder die Autorin Franca Mangiameli zu TOFI (Thin Outside Fat Inside). Seit Mitte 2019 hat sich die Followerzahl von Eatsmarter auf Instagram auch durch solche Format-Ideen verdoppelt – auch das sei komplett organisch passiert.

Die Instagram-Entwicklung von Eatsmarter

So haben sich die Followerzahlen von Eatsmarter auf Instagram entwickelt (Quelle: Ninjalitics)

Wie wird man Pinterest-Millionär?

Der große Traffic-Bringer unter den Social-Kanälen sei für Eatsmarter aber Pinterest. Auf der Bilder-Such-Plattform kommt das Rezept-Portal auf über eine Million Follower. Das ist für Rezeptspezialisten nicht ungewöhnlich – Chefkoch.de verzeichnet 1,2 Millionen Pinterest-Follower. Trotzdem ist es beachtlich, dass Eatsmarter auf Pinterest, wo sonst eher eine schnelle Suche und Klicks auf Rezepte im Mittelpunkt stehen, offenbar viele User in Follower konvertieren kann. „Unsere professionellen Rezept-Bilder sind auf Pinterest der große USP. Weil wir keinen User Generated Content haben, sehen die im Vergleich zum Wettbewerb richtig gut aus“, sagt Niklas Reinhardt. „Wer dich oft genug sieht und deinen Content relevant findet, folgt dir auch.“

Eatsmarter auf Pinterest

Auf seinem Pinterest-Account postet Eatsmarter mehrmals täglich und ist so auf eine Million Follower gewachsen

Hinzu kommen aber weitere Erfolgsfaktoren, die das Wachstum auf der Plattform angetrieben hätten: „Wir gehen alle neuen Möglichkeiten von Pinterest mit. Als vor zwei Jahren die Videofunktion gestartet ist, waren wir einer der ersten Publisher, die diese genutzt haben. Und auch die neu eingeführten Story-Pins haben wir gleich umgesetzt“, so der Eatsmarter-Geschäftsführer. Daneben verfolge das Unternehmen eine klare Keyword-Strategie: „Am Ende haben wir strategisch gute Boards gebaut, befüllen diese regelmäßig und nutzen die richtigen Keywords. Mein Tipp: Immer die Trend-Reports von Pinterest anschauen. Welche Keywords sind noch nicht besetzt? Welche lassen sich noch mit passendem Content bespielen?“

Es zähle bei Pinterest vor allem, für so viele Suchanfragen wie möglich Ergebnisse liefern zu können. „Unsere Inhalte-Strategie auf Pinterest könnte man so bezeichnen: Viel hilft viel. Häufiges Posten wird belohnt. Allerdings nur mit der richtigen Strategie und hoher Qualität“, erzählt Reinhardt. Laut dem Analyse-Tool Similar Web sorgt Pinterest derzeit für etwa 60 Prozent des Social-Traffics von Eatsmarter – weit vor Facebook mit 25 Prozent. „Kein anderes soziales Netzwerk kann dir schneller mehr Traffic liefern. Und trotzdem wird Pinterest von vielen noch unterschätzt“, sagt Niklas Reinhardt.

Geschäftsmodell umbauen – mehr Unabhängigkeit

Diese Reichweite monetarisiert Eatsmarter derzeit relativ klassisch. „Für die User sind alle Inhalte kostenlos. Wir finanzieren uns über Bannerwerbung und große Partnerschaften“, so der Geschäftsführer. Und doch versucht sich das Rezepte-Portal ein wenig abzuheben: „Wir haben uns von Vermarktern getrennt und vermarkten uns seit 2018 eigenständig programmatisch.“ An die eigene Lösung docken sich SSPs (Supply Side Plattformen) an – in offener Auktion werden dann die Inventare vergeben. Zusätzlich gebe es auch Platzierungen, die Eatsmarter in persönlichen Verhandlungen anbietet. Das große Problem: Als kleiner Verlag sei es oft schwieriger, von großen Agenturen bedacht zu werden.

Umso wichtiger sind die von Reinhardt angesprochenen großen Partnerschaften, etwa mit Reformhaus oder der Techniker Krankenkasse. „Unsere große Stärke: Wir sind ein eigenständiger Verlag und arbeiten wie eine Kreativagentur. Wir überlegen uns genau, wo der Mehrwert für die Kunden und die Community ist und erarbeiten daraus individuelle Konzepte“, erzählt Reinhardt. „Wir versuchen uns aber von Abhängigkeiten zu lösen. Corona hat den TKPs nicht gut getan. Während das Werbegeschäft kurzfristig gelitten hat, sind wir jedoch langfristig dank unserer thematischen Ausrichtung gut aufgestellt.“

Wandel zum Ernährungsberater

Und diese thematische Ausrichtung zeigt hin zu Eatsmarter als digitalem Ernährungsberater. Dabei soll vor allem die bestehende Datenbank mit Health Scores und Nährwerten helfen. „Spannend wäre, wenn wir in Zukunft individuell Nährwerte und Health-Scores für unsere User abbilden können“, so Niklas Reinhardt. So wolle Eatsmarter in Zukunft persönlich auf den jeweiligen Nutzenden zugeschnittene Rezepte anzeigen – je nach Lebenssituation, Vorlieben und Jahreszeit. Dafür dürfte dann auch die derzeit noch etwas stiefmütterlich behandelte App wichtig werden – daraus könne der Ernährungscoach für die Hosentasche werden.

Derzeit sieht es danach aus, als baue Eatsmarter mit dieser Vision im Hinterkopf weitere neue Produkte und experimentiere dabei auch mit Paid Content: Auf der Plattform Elopage hat der Verlag einen Abnehmkurs aufgesetzt. Das 12-Wochen-Programm kostet aktuell 79 Euro. Die Ernährungsexpertin Maja Seimer, die auch die Instagram-Expertenrunden moderiert, führt durch den Kurs. „Unser Abnehmkurs war ein erster Test. Wir sind zum 1. Januar gestartet und es hat die Erwartungen gesprengt. Mitte Februar hatten wir die eingeplanten Jahreserlöse schon erreicht“, sagt Niklas Reinhardt. Genauere Zahlen will er im Gespräch nicht nennen. Insgesamt mache der Versuch Mut, weitere Kurse etwa zum Thema Fasten zu planen.

An seiner Vision baut Eatsmarter aktuell zwar vor allem im DACH-Raum, das Thema gesunde Ernährung sei aber ein globaler Trend und die Marke soll auch international Stück für Stück erfolgreiche funktionieren. Eine englischsprachige Seite mit allen Rezepten ist bereits online, genauso wie ein Instagram-Kanal für Eatsmarter USA (bisher aber erst 1.300 Follower). Zurück in der Gegenwart hält sich Niklas Reinhardt in Sachen Jahresumsatz übrigens bedeckt. Nur so viel: 2020 sei geschäftlich das beste Jahr der Firmengeschichte gewesen.

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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