Das Web-Adressbuch – Hier wird seit 17 Jahren das Internet ausgedruckt

Torben Lux26.11.2014
Web-Adressbuch featured

Die Geschichte von Mathias Weber und seiner Suchmaschine auf Papier

vWPa14 Was macht man in der heutigen modernen Welt, wenn man auf der Suche nach einer bestimmten Internetseite ist oder eine Auswahl von Seiten zu speziellen Themen haben will? Während vermutlich alle Leser hier und wohl auch alle halbwegs digitalen Menschen anderswo in Nullkommanichts ein Keyword in die Google-Suchleiste hämmern würden (digitale Pioniere fragen natürlich Siri), gibt es auch noch eine andere, seltene, ja fast ausgestorbene Art der Internetnutzer. Die würden dann nämlich ein Buch aufschlagen und im Inhaltsverzeichnis nachschauen. Klingt nach absurder Print Fiction? Weit gefehlt. Die Rede ist hier vom Web-Adressbuch, was seit 1998 die besten Surftipps aus diesem Internet ausdruckt. Auf Papier. Als Buch. Irgendwie verrückt, oder? Wir haben trotzdem ein bisschen im Klassiker geschmökert und mit dem Herausgeber Mathias Weber gesprochen.

Mathias Weber

Mathias Weber

„Ausgewählt: Die 5.000 besten Surftipps aus dem Internet!“, so lautet der Untertitel der inwischen 18. Auflage von „Das Web-Adressbuch für Deutschland“. Seit 1998 erscheint die Suchmaschine auf Papier jetzt schon. Und wäre Ende desselben Jahres nicht auch noch Google gegründet worden – wer weiß, was dann passiert wäre. Mathias Weber, Gründer und Chef vom m.w. Verlag, ist natürlich trotzdem zufrieden. Immerhin konnten seitdem insgesamt deutlich über 500.000 Exemplare verkauft werden, wie er im Gespräch mit Online Marketing Rockstars erzählt. Das Konzept für das Buch und dessen Ursprung erklärt er so: „Wie jeder andere auch ärgere ich mich über schlechte Webseiten. Das war damals nicht anders und ich wollte mit dem Buch einfach eine Übersicht der relevantesten Seiten für verschiedenen Themengebiete liefern. Und auch heute ist das Buch eine gute Ergänzung zu Google, wo viele tolle Seiten entweder nicht oder kaum sichtbar auftauchen.“

95 Prozent der Aufnahme-Anträge müssen abgelehnt werden

WebadressbuchSeitdem recherchiert das Team – heute sind es fünf festangestellte Mitarbeiter – das gesamte Jahr, um neue Perlen des Internets aufzuspüren. Webmaster können zwar auch direkt selbst einen Antrag um Aufnahme einreichen, „95 Prozent davon müssen wir aber leider ablehnen. Wenn wir nicht begeistert sind und es keinen echten Mehrwert gibt, hat die Seite keine Chance. Dann übrigens auch nicht als Anzeigenkunde“, so Mathias Weber. Finanziert wird das Ganze trotzdem über Anzeigen. Kunden können laut Preisliste für 599 Euro (individuelle Rabatte und Absprachen mal außen vor) einen Screenshot ihrer Webseite buchen, der die Hälfte einer Seite einnimmt und so mehr Aufmerksamkeit erhalten soll, als die normalen kleinen Texteinträge. Rund 125.000 Euro sollen so in diesem Jahr zusammengekommen sein. Oben drauf kommen natürlich noch die Erlöse aus dem Buchverkauf. Genug, um damit Gewinne einzufahren? Laut Bundesanzeiger gelang das in den Jahren 2011 und 2012 mit satten Fehlbeträgen von jeweils über 50.000 und 60.000 Euro zumindest nicht. „In den Jahren hatten wir tatsächlich ein paar Probleme. Das lag unter anderem an dringend notwendigen Umzügen und der Entwicklung des E-Books. 2013 konnten wir wieder etwa 30.000 Euro Gewinn machen und dieses Jahr sieht es ähnlich aus“, erklärt Mathias Weber. Und das ohne jegliches Marketing-Budget. Man wolle aber in Zukunft ein wenig mit der Zeit gehen. Ein E-Book gibt es schon, bald sollen auch Aktivitäten in den sozialen Netzwerken folgen.

Screenshot: Werbemöglichkeiten beim Web-Adressbuch

Es scheint sich also tatsächlich zu lohnen. Das konnte, aus Kundensicht, im Gespräch mit Online Marketing Rockstars auch das Hamburger Erotikportal FunDorado.com bestätigen: „Das Web-Adressbuch hat klar seine Daseinsberechtigung. Wir sind jetzt seit 2003 jedes Jahr dabei und das natürlich nur, weil es sich für uns lohnt. Um die Conversions auch messbar zu machen, enthält die Anzeige immer einen einzigartigen Code. So können wir Neuanmeldungen in unserem Portal genau nachvollziehen.“ Dass die Erotik-Branche hier vielleicht noch eine Sonderrolle einnimmt, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden.

„Die Errungenschaft des neuen Jahrtausends“, wie es in der eigenen Verlagsstory heißt, ist das Buch vermutlich nicht. Trotzdem macht es Spaß, darin zu blättern und auch als Onliner die eine oder andere neue Seite zu entdecken. Ein bisschen Kultcharakter schwingt da schon mit. Einen großen Kritikpunkt gibt es am Ende allerdings dennoch: Die 5.000 besten Surftipps und keine Rede von OnlineMarketingRockstars.de? Das wollen wir natürlich nicht auf uns sitzen lassen und haben direkt einen Aufnahmeantrag gestellt. Dann werden wir im nächsten Jahr hoffentlich auch mal ausgedruckt.

Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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