Youtube Advertising 2018: Welcher Spot hat massiv Geld verbrannt, welcher hat gezündet?

From Worst to Best Practice: OMR zeigt die Clips und nennt die Zahlen

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Wie kann man überhaupt noch in einer Zeit, in der die klassischen Medien immer weiter an Relevanz verlieren, eine jüngere Zielgruppe mit Branding-Maßnahmen erreichen? Viele Advertiser versuchen die entstehende Lücke u.a. mit Youtube-Werbung zu füllen. Doch bisher haben nur wenige verstanden, wie Branding auf Youtube funktioniert, meint Christoph Burseg vom Youtube-Analytics-Tool Veescore. Exklusiv für OMR hat er ausgewertet, welche deutschen Werbetreibenden sich beim Youtube Marketing geschickt anstellen – und welche Ihr Geld verschwenden.

Christoph Burseg

Bei der Analyse der Effizienz von Werbespots auf Youtube sei eine Kennzahl zentral, so Burseg: Wie viele Views benötigt der Advertiser mit dem jeweiligen Werbevideo, um jeweils einen neuen Abonnenten für seinen Kanal zu generieren? „Youtube ist ja nicht einfach nur eine Abspielstation so wie früher klassische TV-Sender, sondern auch eines der größten Social Networks der Welt. Wem es nicht gelingt, mit Youtube-Werbung Zuschauer an sich zu binden und eine Community aufzubauen, mit der er langfristig interagieren kann, der lässt ein Großteil des Potenzials von Youtube ungenutzt – und verschwendet so nicht zuletzt Geld“, sagt Burseg.

„Alle 200 Views einen neuen Abonnenten schaffen nur Youtuber“

Letzteres ist laut Burseg der Fall, wenn ein Youtube-Spot mehr als 10.000 Abrufe benötigt, um einen neuen Abonnenten zu generieren. „Alles unter 10.000 Views mit Werbung pro neuem Abonnent ist akzeptabel“, so der Youtube-Experte. „Unter 5.000 ist gut, unter 1.000 sehr gut und unter 500 fantastisch. Aber wenn man die Reichweite einkauft, ist schon unter 1.000 kaum zu schaffen. Alle 200 Aufrufe einen neuen Abonnenten zu gewinnen, gelingt eigentlich alleine Youtubern, die nur organische Abrufe bekommen.“

Für OMR hat Burseg mittels der Youtube-Analytics-Software Veescore eine Liste der größten deutschen Youtube-Werbespots des vergangenen Jahres erstellt und diese nach ihrer Performance sortiert. Dabei offenbarte sich ein breites Spektrum.

HUK24: 66.000 Views für einen neuen Abonnenten

Der HUK24-Spot wirkt weniger wie ein Youtube-spezifisches Creative, sondern erinnert eher an die vielen Direct-Response-Spots, die mittlerweile im klassischen TV laufen. Das 19-sekündige Video verzeichnet aktuell 8,4 Mio Views und ist „nicht gelistet“, das heißt im Kanal der HUK24 nicht auffindbar. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Reichweite nahezu komplett eingekauft ist. „Vorsichtig geschätzt dürfte ein View zwei Euro-Cent gekostet haben. Eigentlich gehe ich sogar davon aus, dass es mehr waren“, sagt Christoph Burseg. Möglicherweise hat die HUK24 also 160.000 Euro oder sogar mehr für die Reichweite des Spots gezahlt. Doch der Spot hat seit dem vergangenen Oktober laut Veescore-Analyse nur 120 Abonnenten generiert – jeder davon hat also 1.330 Euro gekostet.

Granini: 60.000 Views für einen neuen Abonnenten

12,5 Millionen Abrufe für einen neunsekündigen Spot, der magere 200 neue Abonnenten generiert hat. Darunter zwölf Kommentare unter dem Spot, fast alle negativ. Keinerlei Community-Building oder -Management. Der gesamte Kanal „Die Limo“ von Granini 14,5 Millionen Views. Der Großteil der Abrufe dürfte gekauft sein. Das Marketing-Potenzial von Youtube lässt sich deutlich besser ausschöpfen als Granini es tut.

Wirkaufendeinauto.de: 55.000 Views für einen neuen Abonnenten

Die Auto1-Group, Betreiber von Wirkaufendeinauto.de, ist eine beeindruckende deutsche Erfolgsgeschichte: Seitdem die japanische Softbank zu Anfang des vergangenen Jahres 460 Millionen US-Dollar in das Unternehmen investiert hat, beläuft sich seine Bewertung Medienberichten zufolge auf fast drei Milliarden US-Dollar. Mit finanzkräftigen Investoren im Rücken ist auch Geld für Marketing da: 67,6 Millionen Views hat dieser 20-Sekünder bislang angesammelt. Bei Kosten von zwei Euro-Cent pro View wäre man in diesem Fall schon im siebenstelligen Euro-Bereich. Zum Audience Building eignet sich der Clip mit misogynistischem Einschlag augenscheinlich weniger: Laut Veescore hat der Kanal von Wirkaufendeinauto.de durch den Clip lediglich 1.200 Subscriber gewonnen.

Immowelt: 30.000 Views für einen neuen Abonnenten

Immerhin: Mit der kruden Grundidee, dem leicht absurden Humor und dem Hip-Hop-Soundtrack vereint der Immowelt-Spot mehrere Elemente, die sonst auf Youtube häufig gut funktionieren. Entsprechend sind die Kommentare und Bewertungen unter dem Werbespot überwiegend positiv. Aber mit einem fast vierminütigen Musikvideo über die Geschichte der menschlichen Suche nach größerem Wohnraum Nutzer an sich zu binden, scheint nicht so gut zu klappen: 24,2 Millionen Views verzeichnet das Videos bislang; demgegenüber stehen 800 neue Abonnenten.

Garnier: 26.000 Views für einen neuen Abonnenten

Tutorials, wie etwa in diesem Fall für eine Hochsteckfrisur, können auf Youtube ebenfalls gut funktionieren. Youtube-Sternchen wie Bianca Heinicke alias „Bibi“ haben mit diesen ihre ersten Reichweiten aufgebaut. Möglicherweise hat Garnier in diesem Fall jedoch nicht richtig den Ton der Zielgruppe getroffen. 8,7 Millionen Views stehen rund 300 neue Abonnenten gegenüber. Und die längere Version des Videos, die am Ende des obigen „Teasers“ verlinkt ist, verzeichnet lediglich 120.000 Abrufe.

Barilla: 18.000 Views für einen neuen Abonnenten

Der italienische Pasta-Konzern Barialla lässt den Tennisstar Roger Federer mit dem italienischen Sternekoch Davide Olidani Pasta kochen. An Interaktion mit den Zuschauern ist das Unternehmen offenbar wenig interessiert: Die Kommentarfunktion ist deaktiviert. Nach neun Millionen Views hat Barilla 500 neue Abonnenten gewonnen.

L’Oréal: 15.000 Views für einen neuen Abonnenten

Auch mit einem Super-Influencer wie Stefanie Giesinger als Testimonial ist der Youtube-Erfolg nicht vorprogrammiert: Der Werbeclip für das Shampoo Elvital hat 400 neue Abonnenten generiert und dafür 6,7 Millionen Views benötigt.

Zalando: 2.300 Views für einen neuen Abonnenten

In dem „Me unlimited“ betitelten 30-Sekünder stellt Zalando weibliche „Role Models“ in den Mittelpunkt: die Sängerin Beth Ditto (früher bei der Band Gossip), die deutsche Weitspringerin Alexandra Wester, das belgische Model Hanne Gaby Odiele sowie Sonia Ben Ammar, Model, Sängerin und Schauspielerin französisch-tunesischer Herkunft. 14,9 Millionen Views verzeichnet der Clip aus der vorjährigen Frühjahrskampagne, 6.000 Abonnenten hat er generiert.

Penny: 2.200 Views für einen neuen Abonnenten

Virale Weihnachts-Clips bilden seit einigen Jahren fast schon ein eigenes Subgenre in der Werbung, und stellen damit eine der letzten Bastionen dar, in denen sich Werbeagenturen noch kreativ austoben können. Meist versuchen die Schöpfer dabei, auf mal mehr, mal minder gesuchte Art eine Brücke von einer anrührenden Geschichte zum Produkt des jeweiligen Werbetreibenden zu schlagen. Serviceplan hat mit dieser animierten Geschichte über eine alleinerziehende Mutter offenbar den Nerv der Zuschauer getroffen: 15,4 Millionen Aufrufen stehen 6.700 neue Abonnenten gegenüber.

Aldi: 1.311 Views für einen neuen Abonnenten

Dass es zu Weihnachten nicht immer die hochemotionalen Geschichten sein müssen, hat Aldi mit diesem Spot bewiesen, der auf der einen Seite das alljährliche Hochrüsten in Sachen Weihnachtsbeleuchtung augenzwinkernd ein wenig auf die Schippe nimmt, gleichzeitig aber äußerst passend für Beleuchtungsartikel bei Aldi wirbt. Leider ist der Original-Upload mittlerweile nicht mehr verfügbar (das eingebettete Video oben ist ein Re-Upload eines Drittkanals). Möglicherweise hat Aldi für die Verwendung des Songs („Sandstorm“ von „Darude“, schon weit vor dem Aldi-Clip ein eigenes „Meme“) auch nur eine temporäre Lizenz erworben [UPDATE: Aldi hat dies inzwischen gegenüber OMR bestätigt]. Wie die Veescore-Auswertung zeigt, hatte der Original-Upload nach 5,9 Millionen Abrufen rund 4.500 neue Abonnenten für Aldi generiert. „Das ist wirklich ein sehr gutes Input-Output-Verhältnis und ein guter Return-on-Invest“, sagt Christoph Burseg.

Die Werte des Original-Uploads von Aldis Weihnachts-Clip (Quelle: Veescore)

Werbetreibenden, die im neuen Jahr bei Youtube erfolgreich sein wollen, empfiehlt Experte Christoph Burseg, nicht einfach stumpf Views für Werbe-Clips einzukaufen, ohne weitere Inhalte hochzuladen oder mit den Zuschauern zu interagieren. „Ich rate zu einer umfassenden YouTube Strategie, so wie man sie im besten Fall ja auch bei Facebook oder auf der eigenen Website verfolgt. Ohne organisch funktionierende Inhalte ist alles kacke.“ Denn erst wenn es einem gelinge, mit der Kernzielgruppe positiv zu interagieren, sei es sinnvoll, die Inhalte durch bezahlte Werbung an eine größere Zielgruppe auszuliefern. „Denn Landingpages, die nicht konvertieren, wird doch auch kein vernünftiger Mensch mit viel Reichweite befeuern; Facebook Posts, die kein Engagement bekommen, nicht boosten.“

So generiert man Abonnenten mit organischen Abrufen

Unterhaltung komme in den großen Reichweiten wenig überraschend am besten an, so Burseg. „Und die größte Reichweite auf YT ist halt richtig boulevardesque. Und es ist nicht kreativ, Filme für Unternehmen zu machen, die alleine die Unternehmen happy machen, sondern Ideen zu generieren, die boulevardesque sind und trotzdem on-brand.“

Zwei Beispiele für Unternehmen, denen dies mit Youtube-Videos gelungen ist und die dementsprechende gute Werte vorzuweisen haben, hat Burseg auch parat. Edelautobauer Porsche hat in einem knapp sechsminütigen Video die Bestrunde seines Hybridmodells 919 auf dem Nürburgring dokumentiert. Der Clip hat bislang rund 3,3 Millionen Views angesammelt – etwa alle 410 Abrufe gewinnt Porsche einen neuen Abonnenten.

Mitbewerber Audi hat sich anlässlich des Rückzugs von Mercedes-Benz aus der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) mit einem Youtube-Video respektvoll vom bisherigen Konkurrenten verabschiedet. Das Video hat zwar die vergleichsweise geringe Zahl von 700.000 Views angesammelt. Aber immerhin kommt alle 460 Abrufe ein neuer Abonnent für Audi Deutschland hinzu:

Youtube
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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