Wie ein Affiliate Vice.de missbraucht und damit genug Geld verdient, um sich davon jedes Jahr einen VW Golf kaufen zu können

(Foto: namestartswithj89 / Flickr / CC BY 2.0)

Online Marketing Rockstars deckt mehrere Fälle von Clickfraud auf

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Vice ist eine Erfolgsgeschichte: Was 1994 als kostenloses Straßenmagazin in Kanada seinen Anfang nahm, hat sich in der Zwischenzeit zu einer globalen Medienplattform mit diversen Ablegern, einer Reichweite von 220 Millionen Konsumenten und einem kolportierten Jahresumsatz von einer halben Milliarde US-Dollar entwickelt. Von diesem Erfolg schneidet sich ein deutscher Affiliate Publisher offenbar täglich eine kleine Scheibe ab: Er ist Inhaber der Domain Vice.de und verdient augenscheinlich jedes Mal Geld, wenn ein User diese Adresse in den Browser eingibt – Online Marketing Rockstars hat nachgeforscht.

Wer die deutsche Seite von Vice aufrufen will und versucht, diese über die URL Vice.de zu erreichen, dürfte sich wundern – denn am Ende landet er auf einer Seite des Online-Marktplatzes Ebay. Die wirkliche deutsche Seite von Vice findet sich unter der Adresse Vice.com/de. Wir haben Vice.de mit einem Proxy-Tool genauer untersucht und herausgefunden, dass Besucher der Seite innerhalb von Millisekunden zunächst auf die URL Nadine-Versicherung.de und von dort aus auf Hammershop24.de weitergeleitet werden. Dort wird schließlich ein Klick auf eine Ebay-URL, die eine Affiliate-ID enthält, simuliert.

So wird der Traffic von Vice.de umgeleitet

Die diversen Redirects dienen ganz offensichtlich der Verschleierung – denn Ebay zahlt für die vermittelten User in der Annahme, es seien Nutzer mit Kaufabsichten. Hammershop24.de mutet an wie eine Produktsuchmaschine, vergleichbar mit Idealo und ähnlichen Portalen. Besucher eines solchen Portals interessieren sich üblicherweise für ein bestimmtes Produkt und wären damit für den Online-Marktplatz Ebay potenzielle Kunden – würde Hammershop24.de nicht nur der Täuschung dienen: Das Suchmaschinen-Tool SEOlytics beziffert den Search Visibility Rank von Hammershop24 auf 0,01 – niedriger geht es kaum. Das bedeutet, das Portal ist in den Suchergebnissen von Google quasi nicht vertreten und dürfte damit keinen organischen Traffic verzeichnen. Hammershop24.de ist reine Staffage.

Hammershop24.de

Hammershop24.de

Inhaber der Domains Vice.de und Hammershop24.de ist laut Denic.de Gregor Marwedel aus Karlsruhe. Wir haben versucht, hochzurechnen, wie viel Geld der Affiliate durch Vice.de verdient. Den eigenen Mediadaten zufolge erreicht Vice über die eigene deutsche Seite monatlich zwei Millionen Unique User. Das Statistik-Tool SimilarWeb schätzt den Anteil der Besucher, die Vice.com direkt aufrufen, auf 22 Prozent – das wären monatlich deutsche 440.000 Nutzer, die die Seite über Direkteingabe in die Browser-Zeile erreichen wollen. Geht man davon aus, dass 10 Prozent der User Vice.de an Stelle der korrekten Adresse eintippen, würde Marwedel monatlich 44.000 Klicks generieren.

2.200 Euro Umsatz alleine über Vice.de?

Pro Klick zahlt Ebay den Mitgliedern seines Partner-Netzwerkes eigenen Angaben aus dem Jahr 2011 zufolge durchschnittlich bis zu 21 US-Cent: „On average across Ebay Partner Network, publishers make between $0.06 and $0.21 per click sent to Ebay.“ Foren-Beiträge von Ebay-Publishern stützen diese Aussage. Im aus seiner Sicht ungünstigsten Fall würde der Inhaber von Vice.de also umgerechnet 5 Euro-Cent pro Klick verdienen – das wären 2.200 Euro im Monat, 26.400 Euro im Jahr, vor Steuern. Das aktuelle Golf-Modell, das laut Listenpreis in der Basis-Ausstattung 17.000 kostet, dürfte mit Einnahmen in dieser Höhe schon komfortabel erschwinglich sein.

Vice Deutschland hat bereits versucht, dem Inhaber die Domain Vice.de abzukaufen. „Das ist an absurden Forderungen gescheitert“, erklärte Benjamin Ruth, Geschäftsführer von Vice Deutschland, gegenüber Online Marketing Rockstars am Telefon. „Zum Glück haben wir eine starke Marke; insofern schadet uns die Situation, wie sie derzeit ist, nicht wirklich.“

Typosquatting mit Bild, Wikipedia und Arcor

Inhaber der Domain Nadine-Versicherung.de, die ebenfalls bei dem Missbrauch genutzt wird, ist Michael Schmitt aus Berlin. Offenbar unterhalten Schmitt und Marwedel eine rege Geschäftsbeziehung. Denn wie die Recherchen von Online Marketing Rockstars ergeben haben, ist Vice.de nicht die einzige Domain, die über Nadine-Versicherung.de auf Ebay weiterleitet. Wer sich Javascript-Dateien auf Vice.de und Nadine-Versicherung.de ansieht, findet dort Spuren weiterer Redirects. Marwedel versucht offenbar von der Strahlkraft einer weiteren starken Medienmarke als Trittbrettfahrer zu profitieren: Als Inhaber der Domain Bikd.de spekuliert er offensichtlich auf User, die Bild.de aufrufen wollen und sich dabei vertippen (mit dem so genannten Typosquatting hat sich Online Marketing Rockstars bereits an dieser Stelle beschäftigt). Auch die Domains Wikipetia.org und Therapiewiki.net gehören zu Marwedels Portfolio.

Mit Shopping-online-einkaufen.de betreibt der Affiliate außerdem eine weitere, Hammershop24.de ähnliche Seite. Über diese leitet er beispielsweise Traffic der Domain Bauer-Katalog.de zum Baur-Versand weiter. Als Zwischenseite fungiert Shopping-online-einkaufen.de auch für die Domain arcoe.de, die sich im Besitz von Michael Schmitt befindet. Arcoe.de, eine Typosquatting-Domain zu Arcor.de, leitet über das Shopping-Portal zu Vodafone weiter.

Andere Affiliate Netzwerke haben die Methoden der beiden Publisher möglicherweise schon entdeckt und sie von ihren Partnerprogrammen ausgeschlossen. Ein Aufruf der Domain Elice.de (ebenfalls im Besitz von Marwedel, statt Alice.de) führt zu einer Seite des Affiliate-Netzwerks Tradedoubler, auf der es heißt „There is no relationship between this site and the advertiser“. Ungültige Affiliate-Codes auf Shopping-online-einkaufen.de weisen ebenfalls darauf hin, dass Zanox nicht mehr mit beiden zusammenarbeitet.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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