Überall Einhörner: Das sind die wertvollsten SaaS-Startups Europas

Martin Gardt 9.2.2021

In Europa wachsen verschiedene Unicorns im Bereich Software-as-a-Service heran – der Spitzenreiter ist 36 Milliarden US-Dollar wert

SaaS-Startups Europa OMR Reviews

Wer jetzt ein Unternehmen gründet und sich ein Geschäftsmodell aussuchen müsste, sollte vielleicht auf Software-as-a-Service setzen – also Software im Abomodell. Microsoft, Salesforce, SAP, Adobe, Shopify – einige der derzeit erfolgreichsten Unternehmen der Welt bieten ihre Leistungen in der Cloud mit monatlichem Abrechnungsmodell an. Auch in Europa wachsen SaaS-Startups in verschiedenen Bereichen heran, die schon Milliarden wert sind – und derzeit in Sachen Kunden und Umsatz trotzdem nochmal deutlich zulegen. Wir zeigen Euch die wertvollsten Vertreter.

Zu Beginn noch ein kurzer SaaS-Exkurs. Vor über 20 Jahren führt Salesforce den Begriff und das Geschäftsmodell ein. Das Prinzip: Unternehmen bieten ihre Software in der Cloud als Dienstleistung an. Kunden müssen sich so nicht um Updates, neue Versionen und Server-Kapazitäten kümmern. Im Gegenzug zahlen sie monatlich für den Service – und nicht mehr einmalig für die Software. Vor allem im Bereich Customer Relationship Management (CRM) oder Enterprise Resource Planning (ERP) gehören SaaS-Lösungen zu den Marktführern. Die Analysten von Gartner gehen von einem Gesamtumsatz von 105 Milliarden US-Dollar für SaaS-Unternehmen in 2020 aus.

Bevor wir unsere kleine Liste präsentieren, noch ein letzter Hinweis: Wir zeigen hier Startups, die in Europa gegründet wurden – auch wenn sie ihren Hauptsitz mittlerweile in die USA verlegt haben. Was uns bei der Recherche aufgefallen ist: Viele SaaS-Startups mit Milliarden-Bewertung kommen aktuell aus Israel oder haben dort ihre Wurzeln – darunter AppsFlyer, Monday.com, GONG, Walkme oder Sisense. Obwohl viele US-Analysten auch israelischen Player mit zu Europa zählen, landen diese aber nicht in unserer Liste.

UiPath: Von Rumänien nach New York

2005 gründen Daniel Dines und Marius Tîrcă UiPath in Bukarest. Beide sind noch als CEO und CTO an Bord – nur dass sie heute die Geschäfte von New York City aus führen. Und die scheinen prächtig zu laufen. Erst vor wenigen Tagen verkündet das Unternehmen eine Finanzierungsrunde über 750 Millionen US-Dollar. Die Bewertung von UiPath explodiert auf 35 Milliarden Dollar. Insgesamt stecken rund zwei Milliarden Dollar an Investments im 15 Jahre alten SaaS-Unternehmen.

Aber woran werkeln Dines und Tîrcă überhaupt? UiPath ist ein großer Player in Robotic Process Automation (RPA). Dahinter steckt die automatisierte Bearbeitung von vorgegebenen Geschäftsprozessen durch Software-Roboter – also Bots. Alle sich „wiederholenden, monotonen Vorgänge“ innerhalb eines Unternehmens will UiPath durch die klassischen Buzzwords AI und Machine Learning bewältigen. Nach eigenen Angaben liegt der wiederkehrende Umsatz bei 200 Millionen US-Dollar im Jahr – Tendenz rasant steigend. 5.000 Unternehmen sollen UiPath mittlerweile im Einsatz haben. Nächstes Ziel: Ein Börsengang noch in diesem Jahr.

GitLab: Entwickler-Hilfe für Millionen

Ein Ukrainer und ein Niederländer schließen sich 2014 in Utrecht zusammen und machen aus GitLab ein Firma. Damals ist das ganze noch ein kleines Projekt von Dimitri Saparoschez (dem Ukrainer) – sein Co-Gründer Sytse „Sid“ Sijbrandij (heute CEO) glaubt aber dran. GitLab hilft Entwicklern in Unternehmen dabei, ihren Code in einer Entwicklungsumgebung zu managen. Das Unternehmen hat eine Community Edition am Start, die Open-Source und damit frei zugänglich ist.

Mit der Enterprise Edition profitiert GitLab aber vom SaaS-Boom. Erst Anfang des Jahres verkündete das Unternehmen einen Verkauf von Anteilen in Höhe von 195 Millionen US-Dollar. Die Bewertung: sechs Milliarden Dollar. Auch hier ist der Börsengang schon fest eingeplant. Außer es kommt ein großer Player vorbei. Wettbewerber GitHub wurde 2018 für 7,5 Milliarden US-Dollar von Microsoft gekauft.

Veeam: Sicherheit aus der Schweiz

Okay, hier schummeln wir ein bisschen. Veeam aus der Schweiz ist mittlerweile nämlich kein eigenständiges Unternehmen mehr. Seit März 2020 gehört es dem US-VC Insight Partners. Die Bewertung von fünf Milliarden US-Dollar zum Zeitpunkt des Kaufs lässt trotzdem aufhorchen. Wie so viele Unternehmen auf der Liste will Veeam jetzt den US-Markt erobern. Das soll mit der eigenen Software für Datensicherheit und -Wiederherstellung in der Cloud gelingen, für die nach eigenen Angaben 365.000 Nutzende zahlen. Der Jahresumsatz liege bei einer Milliarde US-Dollar.

Darktrace: Auf dem Weg an die Börse

Auch Darktrace baut sein Geschäftsmodell rund um digitale Sicherheit auf. Die Software des 2013 in Großbritannien gegründeten Unternehmens soll mit Hilfe von AI und Machine Learning (die Buzzwords wieder) Cyber-Angriffe erkennen und abwehren können – auch in der Cloud. Spannend ist dabei vor allem die Gründungsstory: Darktrace entsteht aus einer Zusammenarbeit ehemaliger britischer Geheimdienstmitarbeiter und Mathematikern der Cambridge Universität. Jetzt arbeitet das Unternehmen vor allem an seinem kolportierten Börsengang, der eine Bewertung von fünf Milliarden US-Dollar bringen soll.

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Talkdesk: Einer der großen CRM-Gewinner

Wie ziehen weiter nach Portugal, wo Talkdesk seit 2011 zu einem europäischen Einhorn gewachsen ist. Mitte 2020 sammelt das Unternehmen 143 Millionen US-Dollar ein – die Bewertung steigt auf drei Milliarden Dollar. Warum Talkdesk so wertvoll ist? Das Unternehmen hilft Konzernen wie IBM, Dropbox oder Peloton, seine Kundenkontakte im Blick zu behalten. Neben reiner Datenverwaltung bietet Talkdesk eine zentrale Kommunikation per SMS, Livechat, E-Mail, Telefon und soziale Netzwerke über die Plattform. Durch die Pandemie bekommt das Geschäftsmodell der Portugiesen nochmals Auftrieb, weil Call-Center und Kundenmanagement im Home Office gelandet sind – und auch von da aus auf die Daten zugreifen müssen.

MessageBird: Riesen-Runde für den Twilio-Herausforderer

Ein weiterer Pandemie-„Gewinner“ dürfte MessageBird aus Amsterdam sein. Die Plattform bietet die technologische Grundlage für Kundenkommunikation – erlaubt es also Firmen, Telefonanrufe, SMS und Messenger-Nachrichten über die Cloud abzuwickeln. Die Unternehmen können die Kommunikationskanäle über MessageBird auch einfach in ihre Apps und Webseiten integrieren.

Damit konkurriert das SaaS-Startup mit dem US-Riesen Twilio (hier im OMR-Porträt), der derzeit einen Börsenwert von fast 65 Milliarden US-Dollar aufweist. Durch den Aufwind in der Corona-Krise ist aber auch MessageBird wertvoller denn je. Im Oktober 2020 verkündet das Unternehmen eine Finanzierungsrunde in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, die die Bewertung auf drei Milliarden Dollar pusht.

Celonis: Mehr SaaS-Business geht nicht

Wir sind beim deutschen Vertreter der Liste angekommen: Celonis setzt auf SaaS- und Enterprise-Software-Lösungen wie denen von SAP, Oracle und Salesforce auf und analysiert die Effektivität der dort stattfindenden Prozesse. Celonis zeige Flaschenhälse bei den Abläufen und helfe, diese zu beschleunigen. Dieses sogenannte Process Mining setzen unter anderem Bayer, Vodafone, Siemens, Dell, Lufthansa und andere große Namen ein. Die Kundenliste scheint auch Investoren beeindruckt zu haben: 2019 steigt die Bewertung des Unternehmens durch ein 290-Millionen-Dollar-Invest auf 2,5 Milliarden US-Dollar.

Collibra: Intelligent mit Daten umgehen

Viele der bereits vorgestellten SaaS-Startups bauen ihren Erfolg auf Datenverarbeitung und -analyse auf. Und das ist auch für Collibra aus Brüssel zentral. Die Tools des Unternehmens helfen dabei, Unternehmensdaten zu sammeln und zentral zur Verfügung zu stellen. So sammeln zum Beispiel große Versicherer die Daten über ihre Kundinnen und Kunden in der Collibra-Plattform, sodass Teams auf der ganzen Welt auf diese zugreifen und sie für Angebote nutzen können. Und da Home Office und eine dezentrale Struktur gerade unumgänglich sind, dürfte das Unternehmen weiter profitieren. Zuletzt sammelte Collibra im April 2020 über 112 Millionen US-Dollar ein – bei einer Bewertung von 2,3 Milliarden Dollar.

Kaseya: Digitale Infrastruktur mit mehreren Brands

Aus Dublin kommt ein SaaS-Einhorn mit viel Tradition. Schon im Jahr 2000 wird Kaseya gegründet – heute ist das Unternehmen etwa zwei Milliarden US-Dollar wert. Kaseya sieht sich selbst als Rundum-Lösung für die IT-Infrastruktur von Firmen jeglicher Größe. Verschiedene Tochter-Brands bieten die jeweiligen Software-Leistungen dann unter eigenem Namen an. Von Remote Management der IT (VSA) über Service Automation (BMS) bis hin zu einem IT Service Desk (VOREX).

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Personio: HR-Champion aus Deutschland

Der neueste Vertreter im Club der SaaS-Bewertungs-Milliardäre ist das deutsche HR-Startup Personio. Erst am 18. Januar 2021 verkündet das Team eine Investition in Höhe von 125 Millionen US-Dollar, die dem Unternehmen eine Bewertung von 1,7 Milliarden Dollar beschert. Personio liefert kleineren und mittelgroßen Firmen (zwischen zehn und 2.000 Mitarbeitern) eine umfassende HR-Plattform. Die soll Recruiting, Onboarding, Gehaltszahlungen, Urlaubsplanung und weitere Funktionen an einem Ort bündeln. Allein im vergangenen Jahr habe Personio seinen Umsatz verdoppelt und zählt mittlerweile 3.000 Kunden in Europa. Die Pandemie dürfte dem Startup weiteren Auftrieb verleihen. Denn auch die sonst eher schwierige Zielgruppe mittelständischer Unternehmen wird derzeit noch stärker in die Digitalisierung gedrückt.

Pipedrive: Frisch gebackenes Unicorn

Auch noch nicht so lange im Club der Werte-Milliardäre ist Pipedrive. Allerdings schummeln wir hier – wie auch bei Veeam – ein bisschen. Ende 2020 geht das estnische Startup nämlich für einen kolportierten Preis von 1,5 Milliarden US-Dollar an die amerikanische Private-Equity-Firma Vista. Warum Pipedrive dem Geldgeber so viel wert ist? Das Unternehmen bietet eine Sales-CRM-Software, mit der die Nutzenden eine „Sales Pipeline“ erstellen und visualisieren können. So sehen Sales-Mitarbeitende anschaulich, auf welcher Stufe sich ihre Deals gerade befinden und wo Handlungsbedarf besteht. Mehr als 95.000 Sales-Teams nutzen das Tool laut Unternehmensangaben bereits.

Auch eine Erwähnung wert:

Wir wissen, dass so eine Liste nie komplett sein kann und im recht unübersichtlichen SaaS-Business kann immer mal ein bemerkenswertes Unternehmen durchrutschen. Hier kommen noch ein paar aufstrebende Kandidaten der europäischen SaaS-Szene, die wir Euch nicht vorenthalten wollten:

Mirakl aus Frankreich hilft E-Commerce-Unternehmen ihren Marktplatz zu managen. Contentsquare, auch aus Frankreich liefert ein Analytics-Tool für die Auswertung der User-Experience auf Webseiten. Brevo, die nächsten Franzosen, bieten ein E-Mail-Marketing-Tool und platzieren sich als Wettbewerber zu Mailchimp. Commercetools aus Deutschland ist mit seiner Shoplösung für größere Unternehmen so ein bisschen auf den Spuren Shopify Plus unterwegs. Und Contentful aus Berlin hilft großen Unternehmen wie Urban Outfitters ihren Content über alle Kanäle hinweg zu managen.

Martin Gardt
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Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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