Belegt dieses Startup, dass Werbung immer mehr zur Steuer für die Armen wird?

Welect verschenkt Bahn-Tickets, wenn User Werbung schauen

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„Werbung wird immer mehr zu einer Steuer, die nur von armen Leuten gezahlt wird“ – das sagt Marketing-Professor Scott Galloway von der New York University angesichts der Entwicklung in der Marketing- und Medienbranche. Die Idee eines deutschen Startups könnte nun ein Hinweis sein, dass sich Galloways Prognose langsam bewahrheitet: Über die App Welect können Nutzer gratis S-Bahn-Tickets erhalten – wenn sie sich Werbung anschauen. „Tickets, Fahrkarten oder Content im Netz: Lass es dir einfach von anderen bezahlen – von Sponsoren deiner Wahl“, heißt es auf der Facebook-Seite von Welect. In einem ersten Pilotprojekt können die Nutzer S-Bahn-Tickets für die Düsseldorfer Rheinbahn gratis erhalten, wenn sie sich über die App Welect Go Werbespots anschauen. Innerhalb kurzer Zeit soll Welect Go mehr als 10.000 Mal heruntergeladen worden sein.

In der Welect-App können die Nutzer auswählen, welche Werbung sie anschauen wollen (Foto: Unternehmen)

In der Welect-App können die Nutzer auswählen, welche Werbung sie anschauen wollen (Foto: Unternehmen)

Ausweitung auf andere Produktsegmente

Hinter der App stehen zwei Mitarbeiter der Mediaagentur Mediacom. Offenbar wollen sie das Geschäftsmodell auch auf andere Bereiche ausrollen. Auf seiner Website wirbt das Unternehmen um weitere potenzielle Partner: „Jetzt einfach Welect in Ihrer Paywall oder den Check-Out-Prozess Ihres Shops einbinden. Und schon zahlt ein Sponsor Ihrem Kunden den eigentlich kostenpflichtigen Content, einen Rabatt oder kostenpflichtigen Service.“

Welect ist möglicherweise ein Beleg für Scott Galloways These, dass künftig nur noch Menschen, die sich ein bestimmtes Produkt sonst nicht leisten könnten oder würden, Werbung schauen werden. „Werbung ist scheiße. Wenn man wohlhabend ist, muss man keine Werbung sehen“, so Galloway in einem Vortrag auf dem DLD zu Anfang des Jahres (s.u., etwa bei 3:25). Verbraucher würden Serien lieber auf iTunes herunterladen und dafür zahlen – alleine, um keine Werbespots anschauen zu müssen. Auch bei Netflix und Amazon Video zahlen die Nutzer für den Zugang, bleiben dafür aber von Werbung verschont. Der Musik-Streaming-Dienst Spotify bietet einen kostenlosen Zugang an – nur zahlende Kunden können werbefrei Musik hören.

Brands, die nicht klassisch werben, wachsen

Die Entwicklung hat nach Galloways Einschätzung auch zur Folge, dass Marken zunehmend Probleme haben, über das klassische, etablierte Mediageschäft überhaupt noch ihre angestammte, zahlungsbereite Kundschaft zu erreichen. So zitiert der Marketingprofessor in seinem Vortrag die CEOs von L’Oréal und von Estee Lauder, laut denen im Jahr 2014 vor allem solche Marken starkes Umsatzwachstum erzielt hätten, die nicht auf klassischem Wege geworben hätten.

Möglicherweise ist auch der Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl ein Beleg dafür, dass es gar keine klassische Werbung mehr braucht, um Wohlhabende zu erreichen. So sollen die Trump-Wähler über ein mittleres Jahreshaushaltseinkommen von 72.000 US-Dollar verfügen (der landesweite Durchschnitt liegt bei 56.000 US-Dollar). Mehreren Quellen zufolge soll Trump deutlich weniger für TV-Spots und andere klassische Werbeformen ausgegeben haben als seine Rivalin Hillary Clinton.

Was haltet Ihr von Scott Galloways These? Verliert klassische Werbung auch an Wert, weil über sie nicht mehr die attraktiven Zielgruppen erreichbar sind? Wir sind gespannt auf Eure Meinung!

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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