Wefox, Gorillas und Co.: Darum sponsern so viele Startups plötzlich Fußball-Clubs

Früher haben Digitalfirmen auf Performance Marketing gesetzt. Heute zieren sie Fußball-Trikots

Das Berliner Startup Auto1 wirbt auf dem Trikot von Hertha BSC mit seiner Marke Autohero. Foto: herthabsc/citypress
Das Berliner Startup Auto1 wirbt auf dem Trikot von Hertha BSC mit seiner Marke Autohero. Foto: herthabsc/citypress

Deutsche Startups konnten in den vergangenen Jahren Rekordsummen von Investoren einsammeln oder über Börsengänge erlösen. Viele entscheiden sich nun dafür, mit Fußball-Clubs Werbung zu machen. Und so zieren plötzlich deutsche Marken europaweit die Trikots von Weltclubs – von Paris bis Mailand. Das zeigt die finanziellen Möglichkeiten der Szene, ist aber nicht ungefährlich, wie ein prominentes Beispiel zeigt.

Vor sieben Jahren bahnte sich ein echter Coup in der Hauptstadt an. Gerüchte über eine Partnerschaft zwischen Rocket Internet und Hertha BSC Berlin machten die Runde. Ausgerechnet Rocket! Die Startup-Schmiede war erst ein Jahr zuvor für eine Milliardensumme an die Börse gegangen – und nun sollten diese neue Welt und die Alte Dame zusammenfinden? Nun ja, am Ende war es wie so oft bei Hertha: Es wurde dann doch nichts. Die Hoffnungen verpufften schneller als die Millionen-Investitionen des heutigen Investors Lars Windhorst. „Ich bin mir sicher, dass Hertha schon bald einen neuen Hauptsponsor präsentieren kann. Rocket wird es aber nicht sein“, sagte der damalige Rocket-Kommunikationschef Andreas Winiarski der B.Z., einer Berliner Boulevard-Zeitung.

Damals wäre Hertha BSC Berlin eine Art Pionier geworden. Denn obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits einige vielversprechende Startups in Deutschland gegründet wurden, waren sie noch nicht bis in die Fußball-Bundesliga vorgedrungen. Auf den Trikots dominierten 2015 weiterhin Großkonzerne wie die Telekom, SAP oder Volkswagen. Lediglich Aufsteiger SC Paderborn hatte in der Saison 2014/2015 mit kfz-teile24 ein junges Berliner Digitalunternehmen auf der Brust. Und in anderen Ligen sah dies ganz ähnlich aus.

Rund 46 Millionen Euro für das Trikot von Manchester United

Heute ist die Situation eine andere. Aufgepumpt mit Millionensummen von Investoren, werden Startups und Digitalfirmen immer häufiger als Sponsoren im Fußball aktiv. Die beiden Express-Lieferdienste Gorillas und Getir gaben kürzlich Partnerschaften mit Paris St. Germain bzw. Tottenham Hotspurs bekannt. Die Göppinger Software-Firma Teamviewer sicherte sich knapp anderthalb Jahre nach seinem Börsengang die Brust von Manchester United – angeblich für rund 46 Millionen Euro pro Saison. Im OMR Podcast beschreibt CEO Oliver Steil den Deal Anfang 2021 als M&A-Prozess mit sehr komplizierten Vertragsverhandlungen. Und auch das Berliner Gebrauchtwagen-Startup Auto1 entdeckte nach dem Börsengang den Fußball für sich – und wurde Trikotsponsor von jener Hertha, die 2015 noch leer ausgegangen war beim Werben um die Startup-Szene.

Der Club sorgte mit dem Deal sogar für ein Novum in der Bundesliga: erstmals wurde nämlich ein Startup von einem Startup auf der Brust eines Vereins abgelöst. Vor Auto1 (das bei Hertha mit seiner Marke Autohero wirbt) hatte bereits das Logo des Immobilien-Startups Homeday die Brust der Berliner geziertwährend Lokalkonkurrent Union Berlin kürzlich das Versicherungs-Startup Wefox als neuen Trikotsponsor für die kommende Saison vorstellte.

Wefox wirbt mit Union Berlin und dem AC Mailand

Wefox, das im vergangenen Sommer nach eigenen Angaben 650 Millionen Dollar von Investoren einsammeln konnte, setzt jedoch nicht nur in Deutschland auf den Fußball. Im Februar verkündete Gründer Julian Teicke auch eine Partnerschaft mit dem Top-Club AC Mailand. Statt der Brust wird das Logo der Berliner zwar eher das Hinterteil der Spieler zieren, da es unterhalb der Spielernummer auf dem Rücken zu sehen ist – doch das ficht den Gründer nicht an. „Wir starten in Italien mit einem Knall“, kommentierte Teicke bei Linkedin. Denn parallel zum Sponsoring expandiert Wefox auch mit seiner Marke nach Italien. Über seine Pläne mit Wefox hat Teicke auch schon im OMR Podcast gesprochen.

Wefox-Gründer Julian Teicke freut sich bei Linkedin über die Partnerschaft mit dem AC Mailand. Foto: Screenshot

Wefox-Gründer Julian Teicke freut sich bei Linkedin über die Partnerschaft mit dem AC Mailand. Foto Screenshot

Experten wundert dieser Boom nicht. Im Gegenteil. „Die Plattform, die durch Sport entsteht, kann man nicht einfach so nachbauen. Startups wie Gorillas, Getir oder Wefox wollen sehr schnell die breite Masse erreichen. Das geht in Europa am besten über den Fußball“, sagt Konstantin Druker, der sich bei der Beratung Pricewaterhouse Coopers um den Bereich Sport Business kümmert (dabei handelt es sich um seine persönliche Meinung). Günstig ist das allerdings nicht. „Je nach Club ist man schnell bei mehr als zehn Millionen Euro für das Trikot-Sponsoring. Aber gemessen an den Summen, die Startups wie Gorillas, Getir, Wefox und Co. einsammeln, sind das teilweise trotzdem relativ gesehen keine großen Beträge“, sagt Konstantin Druker. Daher kann es sich aus seiner Sicht lohnen. Bei der schnellen Skalierung nur auf Perfomance Marketing zu setzen, reicht laut Konstantin Druker nämlich nicht zwingend für den schnellen und breiten Markenaufbau aus: „Daher sollte man immer auf eine Kombination verschiedener Marketing-Kanäle setzen“.

Der Vfl Bochum war in der Bundesliga der Pionier

Viele Unternehmen sehen im Sport-Sponsering ein geeignetes Mittel, um ihre eigene Marke zu emotionalisieren. Früher waren es Versicherungen, Banken oder Energiekonzerne, die den Sport genutzt haben. Heute sind es die digitalen Herausforderer wie das Versicherungs-Startup Wefox oder der Trading-Anbieter Flatex (Borussia Mönchengladbach). Und auch für Software-Unternehmen wie Teamviewer, die kein physisches Produkt präsentieren können, kann Sport-Sponsoring eine Möglichkeit sein – auch wenn die Anleger die Partnerschaft zunächst nicht goutierten. Als der Manchester-United-Deal bekannt wurde, rauschte die Aktie erstmal in den Keller. Kein Wunder, entsprach die kolportierte Summe des Deals doch ungefähr zehn Prozent des Jahresumsatzes der Göppinger.

Andere gingen da behutsamer vor. „Wir haben damals beim Vfl Bochum unheimlich viel durch das Hauptsponsoring von Trivago gelernt“, hat Wilken Engelbracht kürzlich erzählt. Engelbracht ist einer der Gründer des Risikokapitalgebers Cusp Capital aus Essen. Aber 2017 war er beim Vfl Bochum im Vorstand zuständig für Marketing. Ähnlich wie Auto1 oder Teamviewer war auch die Hotel-Suchmaschine damals gerade erst an die Börse gegangen – und wollte nun Erfahrungen im Sport-Sponsoring sammeln.

Trivago wirbt auf dem Trainingstrikot des FC Chelsea

Mit dem Vertrag haben laut Engelbracht damals beide Seiten Neuland betreten: Erstmals seien signifikante Teile der Vergütung von geschäftsbezogenen Leistungskennzahlen abhängig gewesen. In Düsseldorf, wo Trivago seinen Hauptsitz hat, sorgte die Entscheidung für lange Gesichter. Die Bochum-Fans hingegen freuten sich – denn Trivago begann die Partnerschaft direkt mit einer Art A/B-Test: Das neue Trikot wurde anfangs mit und ohne Logo angeboten, die Fans hatten die freie Wahl – und Trivago konnte einen Eindruck gewinnen, wie positiv die eigene Marke wahrgenommen wird.

Das Bochumer Experiment hat Trivago nach einer Saison beendet. Erfahrungen sammelt man mit Werbung im Fußball allerdings weiterhin. Im Mai 2021 gaben Trivago und der FC Chelsea ihre Partnerschaft bekannt. Die Düsseldorfer sicherten sich allerdings lediglich das Recht, auf der Trainingskleidung zu werben. Das Trikot überließ man dem Mobilfunker Three. Damit ist das Trivago-Logo zwar nicht während der Spiele in der Premier League zu sehen, dafür aber millionenfach im Internet, wenn über soziale Netzwerke Inhalte aus dem Training geteilt werden.

Globale Reichweite muss man auch nutzen können

Die Hotel-Suchmaschine bekannte sich auch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine zu der Partnerschaft, sprach sich aber für einen Eigentümerwechsel aus. Denn Chelsea befindet sich im Besitz des Kreml-nahen russischen Oligarchen Roman Abramowitsch. Dies führte zu der kuriosen Situation, dass Trivago-Vorstandschef Axel Hefer gleich zweifach mit der Frage konfrontiert wurde, wie man es künftig mit russischem Geld hält. Denn Hefer ist gleichzeitig auch Aufsichtsratschef des FC Schalke 04, der jahrelang vom russischen Gaskonzern Gazprom gesponsert wurde.

Abseits solcher akuten politischen Fragen gibt es bei der Wahl des richtigen Partners für Startups und Digitalunternehmen allerdings noch andere Dinge zu beachten. Davon ist jedenfalls Pwc-Berater Konstantin Druker überzeugt. Ein wesentlicher Faktor sind aus seiner Sicht die eigenen Möglichkeiten: „Wenn man auf Clubs mit globaler Reichweite setzt, muss man auch in der Lage sein, diese in den jeweiligen Regionen zu aktivieren. Dafür reicht dann im Zweifel nicht das Büro in Deutschland.“

Ist Franz Beckenbauer der Erfinder des Influencer-Marketings?

Allerdings: Ob der Boom der Startup-Sponserings von Dauer für die Clubs ist, ist schwer absehbar. Denn es gibt noch einen weiteren Trend, der aus Sicht von Konstantin Druker immer wichtiger werden wird: Influencer-Marketing. „Die Botschaft kann über einzelne Sportler persönlicher verbreitet werden als über Clubs oder Verbände“, sagt der PwC-Experte. Schon jetzt bringen Weltstars wie Cristiano Ronaldo (420 Millionen Follower bei Instagram) mehr Reichweite mit als ihre Clubs (Manchester United kommt auf rund 57 Millionen Instagram-Follower). Laut einer aktuellen Studie der Marktforscher von Nielsen halten Fans Partnerschaften mit Profisportler:innen für die beste Möglichkeit für Marken, um mit Konsumenten in Kontakt zu treten. Sportmannschaften landen nur auf Rang 2.

Welche Konsequenzen das haben kann, konnte man allerdings schon zu Zeiten erleben, in denen noch niemand von „Influencer:innen“ oder „Creator:innen“ gesprochen hat. Jahrelang schäumte man beim FC Bayern München regelmäßig vor Wut, weil ausgerechnet Vereinspräsident Franz Beckenbauer einen Werbevertrag nach dem anderen an Land zog – und das immer ausgerechnet mit Konkurrenten der eigenen Sponsoren. Warben die Bayern mit Opel, fuhr Beckenbauer Mercedes, verkündete man eine Partnerschaft mit der Telekom, tauchte der „Kaiser“ in der Werbung von O2 auf, und wenn die Bayern-Profis Erdinger Weißbier tranken, griff Franz Beckenbauer zum Warsteiner. Da legst di nieda!

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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