WTF ist DAO denn jetzt schon wieder? Der DAO-Explainer

Florian Heide29.10.2021

Wir erklären das aktuell heißeste Buzzword aus der Krypto-Community und wie auch Ihr Mitglied werdet

DAO

Nach NFT genug von unverständlichen Akronymen aus der Krypto-Welt? Nicht so schnell: DAO ist nämlich das neue Buzzword der Stunde aus der Krypto-Community. Warum Ihr den Begriff und was dahinter steckt unbedingt kennen solltet und welche Risiken DAO-Projekte bergen, das erfahrt Ihr hier.

Stellt euch Folgendes vor: Ihr betreibt ein junges, aufstrebendes IT-Unternehmen mit Angestellten auf der ganzen Welt. Plötzlich greifen Hacker an. 16 Millionen Dollar verschwinden, ungefähr die Hälfte Eures gesamten Geschäftsvermögens. Ihr macht mithilfe Eurer Angestellten den Täter in Kanada ausfindig. Es handelt sich um einen 18-jährigen Studenten. Und der verklagt Euch. Denn er will sein gestohlenes Geld behalten – und beruft sich dabei ausgerechnet auf die von Euch verfasste Geschäftsordnung.

So ähnlich erging es diesen Monat den Betreibern des Krypto-Portfoliomanagers Indexed Finance. Weshalb das überhaupt möglich ist: Indexed Finance ist kein normales Anlageunternehmen. Es ist eine DAO, eine „Decentralized autonomous organisation“. So nennen sich neuartige, firmenähnliche Organisationsstrukturen, die mittels eines Programmiercodes auf Basis der Blockchain-Technologie funktionieren. Und genau auf diesen Programmiercode beruft sich der Hacker jetzt. Denn: Eine gesetzliche Regelung gibt es für DAOs noch nicht. Und solange ein Code Fehler aufweist, dürfen diese Lücken auch genutzt werden, findet der Hacker zumindest. Die Betreiber:innen von Indexed Finance wollen das verhindern. Aber weshalb gibt es das überhaupt, Unternehmen, die einen Programmiercode haben? Und was versprechen sich die Betreiber davon? Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Woher kommen DAOs?

2016 entwickelten die zwei Brüder Christoph und Simon Jentzsch aus Mittweida die Investmentfirma The DAO. Die Idee: Eine Community, die Geld in Form der Kryptowährung Ether sammelt und gemeinsam darüber entscheidet, in welche Krypto-Projekte sie investiert. The DAO war selbst als Krypto-Projekt gedacht, es gab keinen physischen Sitz, keine Chefs und keine Hierarchie. Nur einen Programmiercode, gespeichert auf der Ethereum-Blockchain. Das Projekt legte einen fulminanten Start hin, wurde dann aber – wie Indexed Finance im vergangen Oktober – gehackt. Zwar war der Ruf von DAOs danach erstmal beschädigt, dennoch entstanden im Laufe der vergangenen Jahre neue DAO-Prokjekte, von denen manche zu einiger Bekanntheit auch außerhalb der Kryptoszene gelangten.

Was versteht man heute unter DAOs?

DAOs gelten als eine neue Art der Arbeitsorganisationsstruktur, die sich mit Krypto-Projekten beschäftigen und dabei selbst der Blockchain-Technologie bedienen. Es handelt sich um Open-Source-Blockchain-Protokolle, vereinfacht gesagt um eine Community von Menschen, die einen öffentlich einsehbaren Code programmieren, dessen Datensätze, wie zum Beispiel Finanzströme, auf einer Blockchain wie Ethereum gespeichert sind. In diese Codes sind bestimmte Regeln eingebettet, sogenannte Smart Contracts. Einmal festgelegt, funktioniert das Programm unabhängig von den einzelnen Beteiligten. Die Smart Contracts ersetzen das, was im normalen Arbeitsleben die Rahmenbedingungen für das Arbeiten definieren, also beispielsweise Arbeitsverträge oder Gehaltsabwicklungen. Wie bei normalen Unternehmen sind DAOs auch in Branchen aufgeteilt: Es gibt Kreditplattformen, Softwareunternehmen oder wie im Fall von Indexed Finance Portfoliomanagement für Investitionen in Krypto-Projekte.

Wie viele DAOs gibt es?

Laut dem Fachblog beincrypto gibt es aktuell rund 700.000 DAO-Mitglieder. Das klingt nicht viel, allerdings gewinnen die einzelnen Organisationen vor allem finanziell immer mehr an Bedeutung. Laut dem Handelsblatt sind die zehn wertvollsten DAO-Projekte, darunter die Kryptokreditvergabe-Plattform MakerDAO oder die Kryptobörse Uniswap, bereits über 30 Milliarden Dollar wert. Eine kleine Übersicht bekannter Projekte gibt es hier.

Was macht DAOs so besonders?

DAOs schreiben sich Dezentralität, Autonomie und Transparenz auf die Fahne. Dezentralität bedeutet, dass es keine zentrale Instanz wie etwa Chef:innen oder eine Regierung gibt: Die grundsätzlichen Regeln eines DAO-Projekts werden zu Beginn von allen Beteiligten formuliert. Diese Regeln lassen sich nicht mehr verändern, es sei denn, alle Beteiligten treffen eine entsprechende Absprache. Auch Entscheidungen über die zukünftige Ausrichtung der Unternehmung trifft eine DAO-Community im Konsens, also beispielsweise wer als Programmierer mitentwickeln darf oder mit welchen Unternehmen man kooperiert. Einmal programmiert, funktioniert das Blockchain-Protokoll unabhängig von den Beteiligten. Es bildet alle Unternehmensprozesse ab und steuert diese automatisch und ohne, dass der oder die Einzelne darauf Einfluss hat. Da Blockchains öffentlich einsehbar sind, gelten DAOs außerdem als besonders transparent.

Wie kann ich an DAOs teilnehmen?

Die meisten DAO-Projekte vergeben tokenisierte Stimmrechte. Das bedeutet, dass Ihr Euch in das Projekt mittels einer Kryptowährung einkaufen könnt. Um beispielsweise bei der momentan größten DAO-Organisation Maker DAO mitzumachen, könnt Ihr Euch DAI-Token kaufen. Dieser kostet pro Stück ungefähr einen US-Dollar. DAOs wie Maker benutzen bei Entscheidungen das Proof-of-Stake-Modell. Das heißt, je mehr der geforderten Kryptowährung Ihr besitzt, desto mehr Gewicht hat Eure Stimme bei den Entscheidungen.

Was versprechen sich die Betreiber:innen davon?

DAO-Vorreiter wie der Belgier Wouter Kampmann, der an Maker DAO beteiligt ist, sind vom Nutzen der neuen Organisationsform überzeugt. „Jeder kann mitmachen“, sagt er dem Handelsblatt in einem Interview (Paywall). Jeder könne sich an dem Projekt beteiligen, die Abstimmungen würden öffentlich auf Youtube stattfinden. Andere sehen in den Smart Contracts und dem Fehlen einer zentralen Instanz eine Möglichkeit, Bürokratie abzubauen. Statt der HR-Abteilung überweist der Programmiercode automatisch Gehälter – natürlich in entsprechender Kryptowährung. Kampmann sieht in der Gemeinschaftabstimmung sogar eine Möglichkeit, Staaten und Gemeinschaften neu zu organisieren. „Die Technologie hinter DAOs würde es ermöglichen, die Demokratie noch viel näher an die Menschen zu bringen“, sagt er. 

Wie verdienen DAO-Betreiber ihr Geld?

Bei DAO-Organisationen wie Maker DAO verdienen Entwickler:innen Geld. Das kommt von Gebühren, die die Investoren zu entrichten haben. Von Maker DAO leben laut Handelsblatt rund 40 Einzelpersonen, manche davon verdienen sogar bis zu anderthalb Millionen Dollar im Jahr. Grundlage dafür ist die erste Finanzierungsphase. Die beginnt nachdem die Beteiligten ein Regelwerk programmiert haben. Erst wenn die anschließende Finanzierungsphase abgeschlossen ist und ausreichend Investoren gefunden wurden, gilt die DAO als autonomes System. Auch Investor:innen können an DAOs verdienen, zum Beispiel wenn sie sie früh in einen Community-Token investieren, der später an Wert gewinnt. Maker DAO beispielsweise hat eine aktuelle Marktkapitalisierung von rund sechs Milliarden Dollar.

Welche Kritik gibt es an DAOs?

Eines der größten Probleme zeigt sich an Projekten wie The DAO oder Indexed Finance: Sind Sicherheitslücken einmal im Code eingebettet, können die erst wieder rückgängig gemacht werden, wenn eine entsprechende Abstimmung aller Beteiligten erfolgt. Das birgt Chancen für Hacker – und kann zu Millionenverlusten bei Anleger:innen führen. Dazu kommt: Es gibt keine einheitlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen für DAOs. Sie haben keinen physischen Sitz, daher stellt sich die Frage, welches Gericht für Betroffene zuständig ist. Dazu kommt, dass die meisten Aufsichtsbehörden oder Steuerämter selbst zu wenig von den jungen DAO-Strukturen verstehen. Auch an dem Proof-of-Stake-Konsensmodell gibt es Kritik: Wenn sich Stimmrechte erkaufen lassen, inwiefern wollen sich DAOs dann vor dem Einfluss ihrer Großinvestoren schützen?

Arbeiten wir also bald alle für DAO-Organisationen?

Wahrscheinlich nicht. Allerdings sind DAOs nach Kryptowährungen und NFTs eine weitere Entwicklung aus den Händen von Krypto-Entwickler:innen, die sich stetig ihren Weg in den Kosmos des Mainstreams bahnen.

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Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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