Dieser 1-Mann-Unternehmer macht mit seinem Online-Kneipen-Quiz mehr Geld als in seinem Job

Martin Gardt8.5.2020

Stephen Walsh verlagert sein Rätsel-Hobby ins Netz und erreicht so in nur zwei Monaten 20.000 zahlende Kunden

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In der Corona-Krise heißt es für viele Unternehmen und Menschen: kreativ sein und digitale Ideen entwickeln. Das hat sich auch Stephen Walsh zu Herzen genommen. Der Mann aus Baltimore in den USA hatte vor der Pandemie ein Restaurant geführt und immer wieder Rate-Runden in den Kneipen der Stadt organisiert. Durch die Ausgangsbeschränkungen muss er umdenken und bringt ein Online-Quiz an den Start. An den täglichen Events sollen schon über 20.000 Nutzer teilgenommen haben. Wir zeichnen die verrückte Geschichte nach und zeigen weitere erfolgreiche Online-Kneipen-Quiz-Beispiele – auch aus Deutschland. 

Stephen Walsh kommt eigentlich aus Irland, lebt jetzt aber schon seit Jahren in den USA. Die Corona-Krise trifft ihn dort im März mit voller Wucht. Das Restaurant, in dem er arbeitet, muss schließen. Er steht über Nacht ohne Einkommen da. Er realisiert schnell, dass Quiz-Abende, die er vorher nebenbei in Kneipen seiner Heimatstadt Baltimore organisiert hatte, auch online funktionieren können. Walsh setzt sich vier Tage lang jeweils 18 Stunden an ein technisches Konzept. Am Ende steht sein neues Business „Walsh Trivia“, mit dem er am 17. März an den Start geht. Seitdem haben seinen Angaben zu Folge 20.000 Menschen bei ihm gerätselt.

Täglich mehrere Rätselrunden

Walsh veranstaltet seit dem Start täglich gleich mehrere Quiz-Runden – zum Teil sollen 300 Rätselfreunde an einer Session gleichzeitig teilgenommen haben. Der Gründer gestaltet die Events größtenteils als Quiz-Master. Wegen des großen Zuspruchs und meist gleich drei Rate-Partien pro Tag musste er jetzt aber auch seine Schwester als Moderatorin einspannen. „Ich genieße es, durch die Quiz-Runden zu führen“, sagt Walsh gegenüber Business Insider. „Ich liebe es, mit Menschen zu interagieren. Über die Kamera sehe ich, wenn ich sie zum Lachen bringe, wenn sie mir virtuell High Five geben oder die Hände in ihren Händen vergraben. Das gibt mir Antrieb.“ 

Und den braucht er auch, denn er denkt sich alle Fragen selbst aus: „Das ist auf jeden Fall anstrengend“, so Walsh. „Ich muss jeden Tag neue Spiele raushauen und ich kann nicht einfach simple Fragen von irgendwo her nehmen. Mental ist das sicherlich der anstrengendste Aspekt.“ Wer bei Walsh‘ Rätselrunde mitmachen will, kann sich auf der Plattform „Sign Up Genius“ ein passendes Zeitfenster aussuchen. Die Plätze pro Rate-Runde sind mittlerweile beschränkt – das betrifft aber nur die Zahl der Teams. Stephen Walsh veranschlagt drei US-Dollar pro Team-Anmeldung und zwei US-Dollar für jeden weiteren Spieler. Sein Geld bekommt er per Paypal oder den US-Zahlungsdienstleister Venmo. Bei 20.000 Teilnehmern kommt Walsh so auf einen Umsatz von über 40.000 US-Dollar seit Mitte März. „Ich weiß, dass es kurzfristig ist, aber das war eine großartige Möglichkeit für mich“, sagt er. „Ich habe noch nie so viel Geld wie jetzt in irgendeinem Job verdient. In meiner Traumwelt würde ich nie mehr arbeiten gehen. Das hier fühlt sich einfach nicht wie Arbeit an. 

Word-of-Mouth bringt die meisten Neukunden

Neben der Plattform „Sign Up Genius“ zur Anmeldung kommen Zoom und Google Forms für die eigentlichen Rätsel-Abende zum Einsatz. Bei Zoom sehen sich die Teilnehmer gegenseitig und hören seine Fragen. Beantwortet werden die dann in vorbereiteten Google-Forms-Fragebögen. „Es gibt immer noch Raum für Verbesserung, was die technische Seite angeht“, so Walsh. Seine aktuelle Aufgabe sei es, eine Anzeigentafel mit dem aktuellen Punktestand einzublenden, damit die Teams wissen, wer aktuell in Führung liegt. Er hofft, dass solche Verbesserungen ihm noch mehr Kunden einbringen, schließlich sei sein wichtigstes Marketing-Hilfsmittel Word-of-Mouth. Menschen die mitmachen, würden einfach ihren Freunden davon erzählen und so immer größere Teams bilden. Die Zufriedenheit der Spieler könne er vor allem an der Rückkehrquote ablesen. Laut Walsh hätten sich 83 Prozent der Nutzer nach einer Runde mindestens noch für zwei weitere angemeldet. 

Weiteres Marketing macht Stephen Walsh vor allem auf Facebook und Instagram. Er hat eine Werbeanzeige für ein anstehendes Quiz rund um die US-Serie „Friends“ auf den beiden Plattformen geschaltet. Auf Facebook informiert er knapp über 1.300 Follower über neue Rate-Runden. Auf Instagram sind es etwa 1.000 Abonnenten. Alles keine Mega-Zahlen, aber für das kleine 1-Mann-Business offenbar genug. 

Und eine witzige Anekdote gibt es noch rund um die Spieler von Walsh Trivia: Offenbar fahren viele US-Botschafts-Mitglieder auf der ganzen Welt auf die digitalen Rätsel ab. Nach Spielern aus der Botschaft in Islamabad in Pakistan seien mittlerweile Botschaftsteams aus der ganzen Welt treue Nutzer. Das ist auch der vorrangige Grund, warum Walsh jeden Tag gleich an drei Uhrzeiten Quiz-Runden startet – so können Spieler aus jeder Zeitzone dabei sein. 

In England geht ein Kneipen-Quiz viral

Nicht nur, weil Nutzer von Walsh Trivia aus der ganzen Welt kommen, sind Online-Ratespiele weit über die USA hinaus aktuell angesagt. Extrem erfolgreich ist zum Beispiel auch der Youtube-Kanal „Virtual Pub Quiz“, der auf der Plattform seit Ende März über 170.000 Abonnenten und mehr als fünf Millionen Views verzeichnet. Das Projekt ging schon vor dem Start der ersten Rate-Runde auf Facebook viral. Der Brite Jay Flynn hatte auf Facebook ein öffentliches Event für sein digitales Kneipen-Quiz am 26. März erstellt – gedacht für Leute, die sonst zum Quiz in den Greenfield Pub bei Lancashire kommen. Am Ende interessieren sich 500.000 Nutzer für das Event, 200.000 nehmen live teil. „Ich habe mit 30 bis 40 Leuten gerechnet“, erzählt Flynn Euronews. „Es war einfach surreal, dass wir beim ersten ein paar hunderttausend Leute dabei hatten. Von da an ist es explodiert.“ 

Anders als Stephen Walsh macht Jay Flynn aber kein Business aus der Reichweite. Er sammelt über die Plattform Patreon Spenden für das staatliche Gesundheitssystem Großbritanniens (NHS). Nach eigenen Angaben hat er bisher fast 160.000 britische Pfund (über 180.000 Euro) gesammelt. Durch die große Aufmerksamkeit – auch in der britischen Presse – sind auch andere Social-Kanäle des Projekts explodiert. Auf Facebook folgen dem Virtual Pub Quiz über 160.000 Nutzer, auf Instagram sind es knapp 21.000. Vielleicht vervielfacht sich das aber nochmal. Denn zuletzt gab es auch prominente Unterstützung. Bei einem der vergangenen Rate-Runden gab es eine überraschende Live-Performance von Take-That-Sänger Gary Barlow – vor über 170.000 Live-Zuschauern.

Hier noch wenig Aufmerksamkeit

Auch in Deutschland haben sich viele Kneipen, die vorher schon Rätsel-Abende veranstaltet haben, digitale Varianten überlegt. Hier in Hamburg findet zum Beispiel am 16. Mai schon zum vierten Mal „Aal by myself – Das internationale Quarantäne-Quiz“ des Aalhaus statt (Kneipenempfehlung, wenn Ihr wieder hinkönnt und mal in Hamburg seid). Das Team hofft hier auf Spenden der Teilnehmer. Das Unikat in Witten veranstaltet auch ein Online-Quiz für seine Stammkunden und auch „What the FAQ? – Das interaktive WLAN-Quiz“ aus Leipzig ist jetzt mit einer Online-Version seiner Veranstaltung am Start. Einer der Livestreams auf Youtube wurde immerhin von über 360 Menschen angesehen

Größere Player sind zum Beispiel das „Seitenquiz“ aus Berlin, das unter anderem über Twitch Zehntausende Zuschauer erreicht. Und auch das Castle Quiz aus Berlin kommt mit seinen Quiz-Videos regelmäßig auf über Tausend Views

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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