Mit Facebook-Sprüchen zum E-Commerce-Player

Martin Gardt16.6.2016

Diese Bilderseite erreicht 25 Prozent aller 18- bis 34-Jährigen in Deutschland und hat einen ungewöhnlichen Monetarisierungsansatz

Visual Statements Shirts
Visual Statements Shirts

Visual Statements, also mit Sprüchen versehene Bilder, funktionieren vor allem bei Facebook und Instagram richtig gut. Das zeigen Projekte wie Made my Day (über vier Millionen Facebook-Fans) oder Faktastisch (über drei Millionen Facebook-Fans). Mit etwas weniger Reichweite und einem andersartigen Vermarktungsansatz gibt es noch einen dritten Player in Deutschland: Visual Statements (so lautet auch der Firmenname). Wir erklären, wie das Unternehmen mit E-Commerce, Media und Offline-Handel aus Sprüchen Geld macht.

„Wir erreichen über unsere Social Media Kanäle mittlerweile monatlich 25 Prozent aller 18- bis 34-Jährigen in Deutschland“, sagt Kerstin Schiefelbein, Co-Geschäftsführerin der VS GmbH, zu Online Marketing Rockstars. Allein dem Facebook-Kanal „Visual Statements“ folgen über 550.000 Fans. Die insgesamt 1,2 Millionen Follower verteilen sich auf verschiedene Accounts und Plattformen – außer auf Facebook ist das Unternehmen auf Instagram und Snapchat aktiv. Der Großteil der Posts dreht sich, wie der Name schon sagt, um kurze Sprüche vor einem passenden Hintergrundbild. Allein mit diesem Content hat sich das Unternehmen diese Reichweite aufgebaut – nach eigenen Aussagen fast nur organisch: „Wir haben bisher kaum Geld in den Aufbau von Reichweite gesteckt. Das hätte sich VS auch Anfangs gar nicht leisten können. Der Vorteil ist, dass wir bis heute organisch gewachsen sind und echte Fans und Follower haben, was uns vor allem in der Monetarisierung zu Gute kommt“, erklärt Kerstin Schiefelbein. Laut Analyseplattform Socialbakers war Visual Statements von März bis Mai 2015 jeden Monat die Facebook-Brand mit den meisten Interaktionen in Deutschland.

Noch bis 2014 waren Fotos laut Socialbakers der effektivste Weg, um Nutzer in Facebooks Newsfeed zu erreichen. Das dreht sich jedoch seit 2015 und dem Start der neuen Videostrategie der Plattform. Socialbakers gibt an, dass Videoinhalte bei Facebook mittlerweile organisch doppelt so viele Nutzer erreichen wie Fotos. Besonders deutlich zeige sich der Trend bei Seiten von Brands. Die Entwicklung ist natürlich ein Problem für ein Projekt wie Visual Statements, das fast komplett auf Bilder setzt. Deshalb postet das VS-Team jetzt in regelmäßigen Abständen auch Sprüche als hintereinander geschnittene Videos und Viralvideos mit Katzen und Hunden. Bei letzteren ist allerdings nicht immer ganz klar, woher die Inhalte kommen.

Von der Nische in den Mainstream

Benedikt Böckenförde

Benedikt Böckenförde

Co-Geschäftsführer Benedikt Böckenförde gründet Visual Statements 2011 als Facebook-Seite. Vorher hatte der Freiburger mit der Seite „Du weißt du bist ein Freiburger, wenn“ auf der Plattform experimentiert. Daraus entsteht im Laufe der Zeit das Startup „StadtBESTEN“, das Böckenförde betreibt und in Basel, Köln, Mainz, Münster und Freiburg als eine Art soziales Online-Branchenbuch fungiert. Das Prinzip kennt Ihr bestimmt von Seiten wie „Heute in Hamburg“ oder „Mit Vergnügen Berlin“. Böckenförde und sein Team berichten über Events und Ereignisse in den Städten. Die dazugehörigen Facebook-Seiten haben ebenfalls Zehntausende Fans.

Kurz darauf probiert er sich am Trendthema Visual Statements und nennt die Facebook-Seite kurzerhand genau so. „Am Anfang war die Seite eine Art kuratierte Auswahl von bereits vorhandenen Bildern mit Sprüchen aus dem Internet. Damit habe ich eine kleine Nische bedient und nach kurzer Zeit hatte die Seite bereits 10.000 Fans auf Facebook“, so Böckenförde. Er ist bis heute vor allem für den Content und die kreative Entwicklung des Unternehmens zuständig, Kerstin Schiefelbein kümmert sich vor allem um Business Development und baut derzeit ein Büro in Berlin auf.

Fan Zuwachs Visual Statements

Der Fan-Zuwachs für Visual Statements bei Facebook in den letzten sechs Monaten. (Quelle: Socialbakers)

Mittlerweile erstelle Visual Statements die Sprüche selbst, so Böckenförde: „Wir haben eine eigene Redaktion aufgebaut aus festangestellten und freien Redakteuren. Das muss man sich wie eine Mini-Magazin-Redaktion vorstellen. Dort entsteht eigener Content und wir identifizieren beliebte Inhalte innerhalb der Community.“ Insgesamt umfasse das Team derzeit zehn Festangestellte und noch einmal so viele Freelancer. Motivierende Sprüche kämen am besten bei den Facebook-Fans an, insgesamt würden die Visual Statements aber auf alle Gefühlslagen abzielen. Wer auf die Seite schaut, erkennt viele Sätze, die sich um Freundschaft drehen. Diese teilt die Community besonders gern mit Freunden und so erreichen sie eine noch größere Reichweite: „Wir veröffentlichen über 60 Posts pro Tag in unserem Netzwerk. Damit erreichen wir monatlich über 15 Millionen Menschen allein in Deutschland, die mit unserem Content in Kontakt kommen“, erzählt Böckenförde.

Reichweite in den eigenen Shop schicken

Das Team identifiziere Trends, die besonders bei Teenagern („Millenials“) ankommen. Sprüche wie „Ich hör nur mimimi“ (ein Ausspruch, um einen meckernden Zauderer aufzuziehen) oder das Einhorn als Symbol funktionieren offenbar besonders gut und tauchen auf der Seite immer wieder auf. Visual Statements hat wie andere Facebook-Publisher (Made my Day, Faktastisch, Nachdenkliche Sprüche mit Bilder) eine eigene Sprache entwickelt, mit der sich die Fans identifizieren und die sie in den Kommentaren wieder aufgreifen. Das VS-Team sah darin offensichtlich eine Chance, eigene physische Produkte zu entwickeln und diese den Fans der Seite zu verkaufen.

Böckenförde und Schiefelbein entscheiden sich deswegen vor zwei Jahren für eine E-Commerce-Strategie, um Visual Statements zu monetarisieren. Sie bauen einen Shop mit verschiedensten Produkten – vom aufblasbaren Einhorn bis hin zu Fußmatten mit den erfolgreichsten Sprüchen. „Die Nachfrage nach Produkten mit unseren Designs und Statements kam aktiv aus der Community“, sagt Ben Böckenförde. Das VS-Team entwickle einen Großteil der Produkte immer noch aus der Nachfrage der Follower. Zur Zeit arbeite das Team aber auch mit einem Modelabel zusammen, um im Herbst eine erste „echte“ Modekollektion auf den Markt zu bringen. Ein weiterer Plan ist, die Reichweite von Influencern zu nutzen. Mit der Bloggerin Luisa Lion (186.000 Instagram-Abonnenten) hat Visual Statements bereits eine T-Shirt-Kollektion in den eigenen Shop gebracht. Weil die Produkte so gut ankommen, gebe es diese mittlerweile auch offline. Mit Pop-up-Stores habe sich das Visual Statements-Team einen Eindruck verschafft, mehrere Handelspartner verkaufen das Sortiment im stationären Handel.

Fast in jedem Facebook-Post von Visual Statements wird auf den eigenen Shop verwiesen – die übrigen enthalten einen Verweis auf den Instagram- oder Snapchat-Kanal. Der Vorteil eines Facebook-Projekts wie diesem ist, dass das VS-Team Motive und Sprüche ohne Risiko an der Zielgruppe testen kann. Die Ergebnisse der sozialen Marktforschung fließen dann in die Entwicklung neuer Produkte und Motive. Hier können die Nutzer die Sprüche nach Kategorien (z.B. Family, Friendship, Fun) sortieren und sich „Visual Stories“ – Galerien aus mehreren Statements anschauen. Auf der Webseite ist der Shop stets präsent, Nutzer können einen Newsletter mit Sprüchen abonnieren. Die Seite sei erst im letzten Jahr gestartet und befinde sich noch im Aufbau. Laut Kerstin Schiefelbein spiele dieser Content-Kanal eine untergeordnete Rolle, werde aber von „hunderttausend Besuchern im Monat“ besucht. Das bestätigt ein Blick in das Analyse-Tool Similar Web, wo über 170.000 Besuche pro Monat geschätzt werden.

Facebook-Seite wird zum Influencer

Kerstin Schiefelbein

Kerstin Schiefelbein

Die Vermarktung ist das dritte wirtschaftliche Standbein von Visual Statements. Die Web-Reichweite vermarktet Vice Digital, das Werbenetzwerk des US-Publishers. Auf der anderen Seite will Visual Statements selbst als Sprachrohr für Brands agieren – vor allem mit Native Advertising. Dafür hat das Unternehmen auf der Webseite die schon erwähnten „Visual Stories“ entwickelt. Bei Geschichten wie „5 angesagte Ideen für deine Wohnzimmerwand“ oder „5 Must-Haves für Backpacker“ verdient Visual Statements schon Affiliate-Provision. Denkbar sind ganze Stories, die sich um ein Unternehmen, einen Film oder ein Videospiel drehen. Auch Statements auf Facebook zu einer Brand sind denkbar, sagt Kerstin Schiefelbein: „Für unsere Partner agieren wir dabei selbst als eine Art Influencer, der die Zielgruppe aktiviert, sich in der gewünschten Form mit der Partner-Brand zu interagieren.“

Offenbar folgt das Unternehmen dem Vorbild des Partners Vice noch auf einer weiteren Ebene: Das Team erstellt Inhalte für Brands und fungiert als eine Art Kreativ-Agentur. „Gerade haben wir ein Video für Even & Odd (Eine Marke aus der Zalando-Gruppe) für deren aktuelle Kollektion produziert“, erzählt Schiefelbein Online Marketing Rockstars. Diese Inhalte finden dann auf den Social-Kanälen der Auftraggeber statt. Erste Brands weisen dem Unternehmen also bereits eine Expertise bei der Ansprache von Millenials zu – über Sprüche hinausgehend.

Facebook-Netzwerk mit Millionen Fans

Insgesamt betreibt die Visual Statements GmbH weit mehr Social-Media-Accounts als die zentrale Seite. Weitere Facebook-Accounts sind „Wordporn.“ (210.000 Fans), „Hotels in Heaven“ (über 160.000 Fans), „Verswand“ (fast 80.000 Fans) und „Stylehunter“ (über 36.000 Fans). Verswand und Wordporn ähneln mit ihren Inhalten stark dem Hauptprojekt, Stylehunter und Hotels in Heaven legen einen stärkeren Fokus auf Produkte (Luxus, Lifestyle, Hotels) und gebrandete Inhalte und Affiliate-Posts.

Wie viel Umsatz Visual Statements genau macht, wollen die beiden Geschäftsführer nicht verraten. Kerstin Schiefelbein sagt zumindest: „Visual Statements ist seit 2 Jahren ein profitables Unternehmen, wir haben dieses Jahr einen Umsatzzuwachs von 120 Prozent Year over Year und werden das bis Jahresende auch durch neue Monetarisierungswege sicher noch steigern können.“

MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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