Sven Schmidt im OMR Podcast: „Die Kurskorrektur bei Tech-Aktien ist gesund“

Florian Rinke26.1.2022

Der OMR Stammgast spricht über Börsenbewertungen von Tech-Aktien und Bewertungen von Start-ups

Sven Schmidt
Sven Schmidt ist Stammgast beim OMR Podcast. Foto: Machineseeker Group

Sven Schmidt ist berüchtigt für seine scharfen Analysen – und liefert bei seinem ersten Auftritt im OMR Podcast im Jahr 2022 wieder ab. Im Gespräch mit Philipp Westermeyer erklärt er, warum die Korrektur bei den Tech-Aktien gesund gewesen sei, weshalb die Inflation das Geschäftsmodell von Gorillas und Co. bedroht und was NFTs mit einem Stern zu tun haben, den er vor Jahren mal nach einer Frau benennen ließ.

Bei einem Blick auf die Börsenkurse sah man zuletzt häufig nur eine Farbe: rot. Innerhalb weniger Wochen sind die Kurse, insbesondere von Tech-Aktien, abgestürzt. Die Sorge vor Inflation, einem Krieg in der Ukraine und natürlich einer sich anbahnenden Zinswende in den USA machen die Anleger nervös. Doch Sven Schmidt sagt im OMR Podcast im Gespräch mit Philipp Westermeyer: „Ich persönlich halte die Korrektur in der Summe für gesund.“

Der Investor und Geschäftsführer der Machineseeker Group aus Essen sieht die Bewertungen von Start-ups seit Jahren kritisch. Quasi über Nacht wurden Unternehmen mit Milliarden bewertet, ohne dass sich Geschäftszahlen fundamental geändert hatten. Andere Firmen wagten den Sprung an die Börse, obwohl es auch immer wieder Zweifel am Zukunftspotenzial des Geschäftsmodells gab. „Ich glaube, Investoren haben nicht so stark differenziert, welche Geschäftsmodelle einen eingebauten unfairen Vorteil haben, aus dem man eine Überrendite ableiten kann“, sagt Sven Schmidt. 

Hinzu käme, dass manche Investor:innen vielleicht den Rückenwind, den digitale Geschäftsmodelle durch die Corona-Pandemie erfahren haben, überbewertet hätten: „Und jetzt stellt man fest, dass das Wachstum auf der gestiegenen Basis nicht in die Unendlichkeit fortgeschrieben werden kann. Und man stellt fest, dass manche Firmen vielleicht Umsatz machen, aber keine Marge.“ In den zurückliegenden Tagen waren an der Börse die Folgen davon zu sehen, dass sich der Markt verändert hat.

Gorillas & Co. droht die Inflationsfalle

Aus Sven Schmidts Sicht bedrohen die geänderten makroökonomischen Rahmenbedingungen auch die Geschäftsmodelle einiger Unternehmen ohne Preissetzungsmacht. Denn sie könnten die gestiegenen Kosten nicht ohne weiteres an ihre Kunden weitergeben. Also Beispiel nannte der Start-up-Experte den Bereich Quick Commerce. Hier waren die Bewertungen von Lieferdiensten wie Gorillas, Flink und Co. in den vergangenen Monaten extrem stark gestiegen. Investoren hatten hunderte Millionen Euro in den Markt gepumpt, obwohl unklar ist, ob sich das Geschäft überhaupt dauerhaft profitabel betreiben lässt.

Nun kämpfen diese Unternehmen mit verschiedenen negativen Entwicklungen gleichzeitig. Denn einerseits ist es schwierig, neue Arbeitskräfte am Markt zu finden, um weiter rasant zu wachsen. Teilweise mussten sogar die Lieferversprechen, die ursprünglich mal bei 10 Minuten pro Bestellung lagen, angepasst werden. Nun verschärft die Omikron-Welle mit Erkrankungen und Quarantäne-Fällen die Situation zusätzlich. „Auch das führt zu höheren Kosten, weil man ja nur die Hälfte der Kosten von den Krankenkassen ersetzt bekommt“, sagt Sven Schmidt. Gleichzeitig haben sich auch die Energiepreise – und teilweise sogar die Mieten – zuletzt erhöht.

„Die Kosten steigen bei Flink, Gorillas und Co. Aber sie sind nicht in der Lage, die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben“, sagt Sven Schmidt im OMR Podcast. Die Anbieter hätten Sorge, dass die Kunden zur Konkurrenz abwandern – oder am Ende sogar wieder einfach selbst zum Büdchen oder Supermarkt laufen. „Dann wird Inflation für das Geschäftsmodell zu einem relevanten Thema, weil die Marge durch diese gesenkt wird“, sagt Schmidt: „Und wenn ich dann in einem Markt bin, wo Investoren Geschäftsmodelle neu überdenken, kann das für mein Unternehmen relevant werden.“

Sven Schmidt sieht keine Korrektur bei Start-up-Bewertungen

Veränderungen bei Finanzierungsrunden für Start-ups kann OMR Stammgast Sven Schmidt, der das Marktgeschehen in der Start-up-Szene auch alle 14 Tage im Insider-Podcast von Deutsche Startups analysiert, bisher nicht erkennen – obwohl eigentlich niedrigere Bewertungen zu erwarten wären. Investor:innen haben laut Schmidt im Grunde nur zwei Wege, um aus ihrem Investment einen Erfolg zu machen: einen Verkauf der Firma oder einen Börsengang. Doch wenn bei beiden Exit-Strategien niedrigere Erlöse zu erwarten sind, müsste dies eigentlich auch zu niedrigeren Bewertungen bei Start-ups führen.

„Rein logisch müsste es zu einer Korrektur führen“, sagt Sven Schmidt. Doch einerseits sind zuletzt viele Fonds neu aufgelegt worden, die nun nach Investment-Möglichkeiten suchen. Und andererseits könnten viele Fonds versucht sein, die aktuelle Phase auszusitzen, um keine Bewertungskorrekturen in den eigenen Büchern vornehmen zu müssen. Sven Schmidt sieht das kritisch: „Firmen, die strukturelle Probleme haben, werden auch nicht besser, wenn man zwei Jahre wartet.“

„SPACs sind der Scheißhaufen der Börse“

Hinzu kommt: Börsengänge dürften aus Sven Schmidts Sicht für Digital-Start-ups in Zukunft schwieriger werden. Im vergangenen Jahr sei das Fenster für Börsengänge weit offen gewesen: „Da konnte ja praktisch jeder durch. Jetzt ist das Fenster nur noch einen Schlitz weit offen.“ Denn auch SPACs werden aus seiner Sicht weniger häufig als Exit-Kanal infrage kommen. Denn jene Börsengänge, bei denen zunächst eine leere Firmenhülle am Markt platziert wurde, die dann ein anderes, nicht-börsennotiertes Unternehmen aufkauft, haben zuletzt häufig die Erwartungen nicht erfüllt. Sven Schmidt wundert sich darüber nicht. Viele der aufgekauften Firmen sind aus seiner Sicht zum Zeitpunkt des Börsengangs für diesen nicht geeignet gewesen. Der Investor sagt: „Ein Risikokapitalgeber sagt immer, es gibt im Portfolio drei Teile: die Stars, die Firmen, die ordentlich laufen und den Scheißhaufen. Die SPACs sind der Scheißhaufen der Börse.“

Im OMR Podcast verrät Stammgast Sven Schmidt außerdem, was NFTs mit der Briefmarkensammlung seines Großvaters zu tun haben, warum sich Deutschland bei der aktuellen Impfkampagne ein Beispiel an den Olympischen Spielen in London nehmen kann – und warum eine gut geplante Marketing-Aktion für das „Pennergame“ in Brasilien vor einigen Jahren zu einem Produktverbot führte.

Die Themen des OMR Podcasts mit Sven Schmidt:

  • Was bringt das Namens-Sponsoring von Fernsehsendungen? (00:04:00)
  • Warum das Pennergame in Brasilien verboten wurde (00:09:00)
  • Der Absturz der Tech-Aktien und die Folgen (00:12:30)
  • Die Inflation setzt Gorillas & Co. unter Druck (00:17:30)
  • Wie Nudging beim Impfen helfen könnte (00:30:30)
  • Atomkraft? Ja, bitte! (00:41:00)
  • Wieso es bislang keine Korrektur bei Start-up-Bewertungen gibt (00:51:00)
  • NFTs sind wie Briefmarken-Sammlungen (01:00:30)
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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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