So wurde Supreme durch Verknappung und Growth Hacking zur größten Hype-Mode-Brand der Welt

Martin Gardt24.4.2018

Einzelne Supreme-Produkte bringen auf dem Resell-Markt 1.200 Prozent ihres Verkaufspreises

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Die New Yorker Skateboard-Brand Supreme verkauft schon seit 1994 Klamotten an „coole“ Kids, so richtig durch die Decke geht das Business aber erst seit ein paar Jahren – vor allem durch clevere Digital-Marketing-Strategien. Wir zeigen, wie Gründer James Jebbia aus der kleinen Skater-Brand dank künstlicher Verknappung, Growth Hacking bei Reddit und kostenlosem Influencer Marketing ein weltweit erfolgreiches E-Commerce-Unternehmen aufgebaut hat.

Als der in den USA lebende Brite James Jebbia 1994 den Skateboard-Shop Supreme in Manhattan eröffnet, ist Skateboarding schon ein weltweites kulturelles Phänomen. Passend dazu entstehen Brands, die sich auf die Mode für Skater spezialisieren: Weite Pullover, Baggypants, Basecaps. Ähnliche Marken wie Stüssy machen in den 90ern schon Millionen-Umsätze, zeitgleich entstehen bis heute erfolgreiche Nischen-Player wie DC Shoes und Element. Während des Großteils des jetzt 24-jährigen Bestehens ist Supreme eine Marke von vielen in der Skater-Welt – und auch nur hier bekannt.

Das ändert sich jedoch seit spätestens 2012 schlagartig. Heute steht Supreme für einen weltweiten Hype um Klamotten und kann selbst einen Ziegelstein mit dem eigenen Logo für 30 US-Dollar verkaufen, der dann später bei Ebay auch mal für 1.000 Dollar angeboten wird. Ende 2017 investiert die Carlyle Group kolportierte 500 Millionen US-Dollar für 50 Prozent der Anteile an Supreme – was den Unternehmenswert auf etwa eine Milliarde US-Dollar katapultiert. Eine überraschende Bewertung für einen Modeanbieter mit gerade einmal elf Shops in der ganzen Welt. Wir zeigen, wie die Digital-Strategie des Unternehmens Supreme zu einer Marke gemacht hat, die in Sachen Aufmerksamkeit schon längst mit den größten Luxus-Fashion-Brands der Welt mithalten kann.

Künstliche Verknappung für den Hype

Analysten gehen davon aus, dass die Investition von Carlyle eine Wette darstellt. Die Gruppe spekuliere darauf, dass die Brand 100 Millionen US-Dollar pro Jahr umsetzen könne – was allerdings einen Sprung von aktuellen Umsatzzahlen bedeute. Supreme selbst schweigt zu den Zahlen. Die Wette kann aber nur aufgehen, wenn das Unternehmen weiter auf der Erfolgswelle schwimmt, die vor allem durch Verknappung losgetreten wurde. Jede neue Kollektion der Marke löst wieder einen Hype aus, weil sich vor den elf Shops lange Schlangen bilden und der Online-Shop dauerhaft ausverkauft ist. Vor allem Nutzer und Fans sorgen oft selbst für Content (Bilder aus den Schlangen), hinzu kommen Fashion-Publisher wie Hypebeast und Highsnobiety, die über jedes Produkt der Marke berichten.

Supreme hat den Hype mittlerweile zu einem wöchentlichen Event gemacht. Vor jedem der Shops stehen jeden Donnerstag lange Schlangen, weil jede Woche eine neue Kollektion im Shop zu kaufen ist. Niemand weiß vorher, welche Produkte verfügbar sein werden. Zum Teil muss die Polizei eingreifen, weil die Straßen voller Menschen sind. „Ich wünschte, die Menschen würden verstehen, warum wir lange Schlangen haben“, sagt Supreme-Gründer James Jebbia. „Wir haben wenige Shops, verkaufen nur über unsere Kanäle und wir haben coole Sachen. Aber es sollte nicht so schwierig sein, in unsere Shops zu kommen. Wir wollen also auch Räume haben, in die Leute unter der Woche einfach reinlaufen können und unsere Klamotten auschecken.“ Auf Zalando & Co. wird es also auf lange Sicht keine Supreme-Klamotten geben, Exklusivität gehört dazu.

Resell-Markt füttert die Legendenbildung

Die Aufmerksamkeit stärkt die Brand aber auch online so sehr, dass Supreme kaum Geld ins Marketing stecken muss. So kommen über 99 Prozent des Such-Traffics organisch zu Stande – vor allem über die Suche nach der Marke. Laut dem Analyse-Tool Similar Web sind nur 0,03 Prozent des Search-Traffics gekauft. Fast der komplette Traffic des Supreme-Shops (knapp acht Millionen Visits pro Monat) kommt über direkte Zugriffe (49,43 Prozent) und Suchanfragen (46,32 Prozent) zu Stande. Gleichzeitig bilden sich Online-Communitys rund um die Marke, weil die Fans sich über anstehende Verkaufsstarts austauschen und angesagte Stücke für viel Geld weiterverkaufen wollen. Die Facebook-Gruppe „Supreme Talk UK/EU“ gehört mit ihren knapp 100.000 Mitgliedern zu einer der größten. „Supreme DE“ kommt auf knapp 20.000 Mitglieder.

Search-Traffic Supreme

Der Search-Traffic von Supreme ist fast komplett organisch (Quelle: Similar Web)

Weil jeden Donnerstag frische Ware kommt, schicken Facebook-Communitys und Publisher auch jede Woche Nutzer zum Supreme-Online-Shop. Und die wissen: Ist ein Produkt hier oder in einem der Läden ausverkauft, gibt es wahrscheinlich nie wieder die Chance, es regulär zu kaufen. So ist mittlerweile ein blühender Reselling-Markt entstanden. Zum Teil werden Produkte mit einem Aufpreis von 1.200 Prozent bei Ebay angeboten. Ein Pullover, den die Brand gemeinsam mit dem französischen Luxus-Label Louis Vuitton designt hat, wird auf der Auktionsplattform derzeit zum Teil für 15.000 US-Dollar angeboten.

Rund um Supreme ist, wie vom Sneaker-Markt gelernt, eine eigene Ökonomie entstanden. Jeden Donnerstag stehen Kunden in den Schlangen, nur um die gekauften Produkte direkt auf Ebay & Co. weiterzuverkaufen. Noch etwas professioneller sichern sich Bot-Entwickler eine dicke Marge. Sie erstellen Programme, die automatisiert sofort Supreme-Produkte kaufen, wenn diese Online gehen. Ein von Wired ausführlich beschriebenes Beispiel zeigt, wie zwei Amerikaner mit ihrem Bot ein Business aufgebaut haben: Kunden zahlen vor dem Livegang der neuen Produkte am Donnerstag einen Aufpreis an die beiden, um die Chance zu haben, über deren Seite an ein Supreme-Shirt oder ähnliches zu kommen. Der Name des Unternehmens: The Supreme Saint.

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Die etwas andere Newsletter-Strategie

Der Shop von Supreme ist extrem zurückhaltend gestaltet. Unter dem Logo stehen unter anderem Links zu den jeweiligen Kollektionen und dem Shop. Auch die Unterseiten kommen ohne große gestalterische Elemente aus. Damit unterstützt die Brand die Message, dass sie es gar nicht nötig hat, um Kunden zu werben. Und diese Strategie wendet Supreme dann auch in der E-Mail-Marketing-Strategie an: Wer sich für den Newsletter anmeldet, bekommt erst einmal nichts. Statt die Nutzer mit Werbemails zu bombardieren, löst die Brand durch ihr Nichtstun fast ein Verlangen bei den Newsletter-Abonnenten aus – ein Warten auf die nächste Mail.

Wenn dann mal etwas kommt, sind es Infos zu den nächsten verfügbaren Klamotten in den jeweiligen Shops, mit dem Hinweis, sich doch einen Platz in der Schlange zu sichern. Darüber hinaus ist Supreme dafür bekannt, an besondere Nutzer spezielle Produkt-Updates zu schicken und auch mal zu verraten, welche Produkte demnächst in welchem Laden landen. Wie das Unternehmen diese Liste erstellt, ist nicht bekannt – darauf landen will natürlich jeder Fan.

Supreme Newsletter

Ein typischer Supreme-Newsletter

Wirklich inhaltlich ist Supreme nicht unterwegs. Die Content-Marketing-Strategie besteht aus den sogenannten Lookbooks. Hier zeigt die Brand, wie die kommende Kollektion aussehen wird, ohne zu verraten, wann welches Produkt in den Verkauf geht. Die Fotos landen später auch auf dem Instagram-Kanal, der mittlerweile 10,2 Millionen Follower erreicht. Kommt das Lookbook einer neuen Kollektion startet natürlich wieder der Hype mit Artikeln in den Medien und Youtubern, die mit ihrer Kritik an den Klamotten Hunderttausende Views generieren.

Social-Riese auf Reddit und Instagram

Wer bei Similar Web in die Traffic-Statistik schaut, wundert sich, warum Reddit für über 43 Prozent des Social-Traffics von Supreme sorgt und damit deutlich vor Facebook, Youtube und Twitter liegt. Das liegt einerseits daran, dass viele Supreme-Fans genau in die Reddit-Nutzergruppe fallen: jung und männlich. Andererseits schafft es Supreme offenbar, Reddit-Moderatoren dazu zu bewegen, Links zur eigenen Webseite zu posten – und zwar extrem prominent. Zur Sommerkollektion 2017 veröffentlichte ein Moderator im Supreme-Subreddit zum Beispiel einen sogenannten Super Thread zum Thema. In diesem Kanal sollten die unzähligen Posts zu der neuen Kollektion gesammelt werden – festgepinnt ganz oben stehen prominent zwei Links zur Supreme-Seite. Hätte die Brand selbst Links zur neuen Kollektion gepostet, wäre das Echo aus der Reddit-Community sicher nicht positiv ausgefallen. Die ist bekannt dafür, Eigenwerbung gnadenlos abzustrafen.

Supreme Social Traffic

Die größten Social-Traffic-Kanäle der Supreme-Webseite (Quelle: Similar Web)

Auch in anderen Social-Kanälen agiert das Unternehmen extrem erfolgreich. Auf Instagram hat Supreme wie bereits beschrieben 10,2 Millionen Follower. Pro Post verzeichnet der Kanal meist zwischen 150.000 und 550.000 Likes und zum Teil über 6.000 Kommentare. Jeden Monat kommen knapp 500.000 neue Follower dazu. Auf Facebook hat die Marke knapp zwei Millionen Fans, recyclet aber meist einfach die Instagram-Beiträge. Trotzdem werden die Posts tausendfach geliket und hundertfach geteilt.

Prominente und Brands springen auf

Auch Prominente werden durch die Knappheit und den Hype rund um die Marke angezogen. Es gilt heute als Statussymbol, überhaupt Supreme-Klamotten tragen zu können – schließlich kommen Otto-Normal-Verbraucher sehr schwer an die Produkte. Gleichzeitig multiplizieren Promis den Hype zusätzlich. Rapper Kanye West zeigte sich schon früh in Supreme-Klamotten, genauso wie Lady Gaga, Victoria Beckham oder Kate Moss. Bezahlen muss das Unternehmen die Stars nicht.

Extrem aufmerksamkeitsstark sind darüber hinaus Kollaborationen zwischen Supreme und anderen bekannten Marken. Vor allem die Zusammenarbeit mit Louis Vuitton sorgte 2017 für einen extremen Run auf die Kollektion. Sogenannte Collabos gehören mittlerweile für viele Firmen dazu, es ist keine Seltenheit, dass Streetwear-Label wie Supreme mit Luxus-Herstellern zusammen arbeiten. Supreme sticht aber allein durch die Anzahl der Kollaborationen hervor. Neben Louis Vuitton arbeitete die Brand bereits mit Nike, Levi’s, Fila, Vans, The North Face und vielen anderen. Welche der zwei Brands jeweils am meisten profitiert, ist unklar. Man könnte so eine Collabo aber als klassische Win-Win-Situation beschreiben.

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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