Supbot: Hat ein kanadischer Teenie mit einer Supreme Bot App 250.000 US-Dollar umgesetzt?

Die App kostet 22 Euro und verzeichnet geschätzte 18.000 Downloads

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(Foto: im_mancuso auf Instagram – steht in keiner Verbindung zum Entwickler von "Supbot")

Es dürfte nicht allzu viele Teenager geben, die mit einem selbst entwickelten Produkt in nicht einmal einem halben Jahr eine Viertelmillion US-Dollar einnehmen. Aber Dante Laviolette aus Toronto ist offenbar kein durchschnittlicher Jugendlicher. Er hat eine App entwickelt, mit der die Nutzer im Online-Shop der kultisch verehrten Streetwear-Marke Supreme automatisiert einkaufen und sich so im besten Fall die nachgefragten Kleidungsstücke sichern können, bevor diese in Sekundenschnelle ausverkauft sind.

Die Verwendung von so genannten Bots, um sich limitierte Kleidungsstücke oder Sneaker zu sichern, bevor diese nicht mehr verfügbar sind, ist eigentlich nichts ganz Neues. Neben Bots, die den Kauf von exklusiven Sneaker-Modellen von Nike und Adidas möglich machen sollten, haben findige Geschäftemacher in den vergangenen Jahren immer mehr Bots entwickelt, mit denen die Nutzer im Supreme Online-Store einkaufen können. In der Regel kostet ein Erwerb solcher Software ab 50 US-Dollar aufwärts. Manche von ihnen setzen sogar auf ein Abo-Modell, bei dem nach einer Saison die Nutzungslizenz kostenpflichtig erneuert werden muss. Das US-Medium Wired hat 2017 in einem lesenswerten Artikel über die Anbieter von Supreme-Bots von dem „RSVP Sniper“ berichtet, dessen Kaufpreis 595 US-Dollar beträgt und der sich mehr als 500 Mal verkauft haben soll.

Eine Milliarde Pageviews an einem Tag

Wer zahlt warum solche Preise, nur um die Möglichkeit zu bekommen, noch mehr Geld ausgeben zu können (denn schließlich müssen die Kleidungsstücke ja auch mit Bot regulär bezahlt werden)? Um Supreme ist innerhalb der vergangenen Jahre ein riesiger Hype entstanden („So wurde Supreme durch Verknappung und Growth Hacking zur größten Hype-Mode-Brand der Welt“). Jeden Donnerstag erreicht mittels „Drop“ („Marketing-Instrument ‚Drop‘: Warum diese Methode aus der Streetwear-Szene zum Trend wird“) neue Ware die Läden und den Online-Shop – und ist innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. An einem „Drop“-Tag kann die Supreme-Website so knapp eine Milliarde Pageviews und fast zwei Millionen Kauf-Versuche verzeichnen, wie es bei Wired heißt.

Mittlerweile hat sich rund um Supreme eine eigene (man verzeihe uns das Wortspiel) „Sup Economy“ mit einer eigenen Sprache entwickelt: Dazu gehören Reseller, die die neuen Stücke systematisch ein- und häufig mit hohem Gewinn über Online-Marktplätze weiterverkaufen. Und natürlich die „Hypebeasts“ genannten Fans, die unbedingt die neuesten Stücke von  Supreme (oder anderen exklusiven „Streetwear“-Marken wie Bathing Ape („Bape“) oder Palace Skateboards) ihr Eigen nennen wollen. Manche von ihnen werden selbst zu Unternehmern, die Artikel doppelt kaufen, damit sie einen mit Aufschlag wiederverkaufen und so den Kauf des anderen (zumindest zum Teil) refinanzieren können.

Attraktiver Preispunkt trifft Vertriebsplattform mit Millionenreichweite

Die Bot-Anbieter befriedigen die Bedürfnisse von beiden Seiten: Heute kaufen nicht nur die Reseller, sondern auch die Fans mittels Bots ein, weil es ihnen anders gar nicht möglich ist, an die begehrten Stücke heranzukommen (so sie nicht in einer Stadt leben, in der Supreme-Kleidung im Offline-Handel verfügbar ist).

Ein Großteil der bislang verfügbaren Bots ist Deskop-basiert. Zwar bieten manche von ihnen auch Mobile-Versionen an. Die sind aber alle nicht über Apples App Store erwerbbar, sondern werden in der Regel alleine über die Website des Anbieters vertrieben. Wer im App Store aktuell nach „supreme bot“ sucht, findet dort lediglich eine einzige App, die verspricht, automatisiert den gesamten Kaufprozess abzuwickeln: Supbot. Und nicht nur das: Mit einem Kaufpreis von 22 Euro bzw. 20 US-Dollar ist die App im Vergleich zu anderen Bots auch deutlich günstiger.

Aus dem Kinderzimmer zum App-Entwickler

In seinem Instagram-Account weist sich Dante Laviolette als Betreiber von Supbot aus (Screenshot)

Hinter Supbot steht der erst 19-jährige Dante Laviolette aus Toronto in Kanada. Das bestätigte Laviolette gegenüber OMR in einem schriftlichen Interview. „Ich programmiere, seitdem ich zehn Jahre alt bin. Meine Leidenschaft für das Programmieren habe ich durch das Computerspiel Roblox entdeckt.“ Um für das eigene Level erstellen zu können, habe er die Programmiersprache Lua gelernt. In den Jahren darauf habe er sich noch zwei weitere Programmiersprachen angeeignet. In der High School habe er seinen ersten Bot in Java programmiert, für die Ticket-Plattform Ticketmaster. „Das war eine nützliche Erfahrung.“ Nach der High School habe er zunächst Computerwissenschaften studiert, das Studium jedoch nach einem Semester abgebrochen, um Unternehmer zu werden, und weil er die Idee für eine Supreme-Bot-App hatte. Mit dieser habe er seine Begeisterung für Supreme und das Programmieren miteinander verknüpfen können.

„Ich hab dann ein wenig Zeit damit verbracht, die Programmiersprache Swift zu lernen und neben ein paar Wirtschaftsbüchern auch  Bücher über Data Structures und Algorithmen zu lesen“, so Laviolette. Zunächst habe er sich angesichts der sehr strengen Richtlinien von Apples App Store schwer damit getan, einen Supreme-Bot zu entwickeln. „Um die App so zu entwickeln, dass Apple sie zulässt, war viel abstraktes Denken und eine ausgefeilte Planung vonnöten.“ Nach mehreren Monaten, in denen er mehr als 100 Stunden in der Woche gearbeitet und viel Kaffee getrunken habe, konnte er im Mai dieses Jahres den Supbot in den App Store bringen.

18.000 Downloads durch den Drop-Effekt

Relativ schnell entwickelte sich die App zum Erfolg. An den Drop-Tagen steigt der Supbot regelmäßig in den App Store Rankings. Im September, als Supreme eine gemeinsame Kollektion mit der Highfashion-Marke Comme des Garçons auf den Markt brachte, die noch stärker nachgefragt war als „normale Drops“, war Supbot in den USA, Kanada und Großbritannien die meist heruntergeladene Shopping-App, wie das Berliner App-Analytics-Tool Priori Data zeigt. In Kanada und den USA war die App sogar kategorieübergreifend die viert- bzw. sechstbeliebteste Kauf-App.

Die Entwicklung der App Store Rankings des Supbots in den USA, Kanada und Großbritannien laut Priori Data

Mehr als 18.000 Mal soll die App so bereits heruntergeladen (und natürlich zuvor gekauft) worden sein. 30 Prozent der mit den Verkäufen generierten Umsätze gehen an Apple. Priori Data schätzt, dass Laviolette selbst mehr als 254.000 US-Dollar mit dem Supbot umgesetzt hat. Laviolette selbst wollte gegenüber OMR keine Angaben zu Downloads und Umsätzen machen.

Die Schätzung der In-Store-Einnahmen mit dem Verkauf der Supbot-App (Quelle: Priori Data)

Search und Social sind die wichtigsten Traffic-Quellen

Nach Schätzung des Statistik-Tools Similarweb generiert Laviolette die Hälfte der Downloads über Search. Bei Google rankt die App zur Keyword-Kombination „supreme bot app“ zwar nicht ganz oben, aber immerhin auf Platz 7 der ersten Suchergebnisseite. Die andere Hälfte der Downloads soll laut Similarweb aus Social Media stammen. Supbot betreibt einen Instagram-Account mit derzeit rund 8.500 Followern und einen Twitter-Account mit 1.200 Followern.

Die prozentuale Verteilung der externen Traffic-Kanäle auf die Supbot-Seite im App Store laut Similarweb

Auf Instagram informiert Laviolette die Follower über anstehende Drops und über die Artikel, die es dabei zu kaufen gibt. Die Bilder dafür stammen in der Regel von dem Account „Supreme Community„, der ebenfalls eine Supreme-Fan-App betreibt. Der Supbot-Account verzeichnet mit solchen Posts Likes und Kommentare im jeweils hoch dreistelligen Bereich.

Community Building über Instagram

Noch wichtiger aber dürfte der Dialog mit den Nutzern kurz nach den „Drops“ sein. Laviolette animiert seine Kunden, Screenshots von erfolgreich „gecoppten“ Artikeln entweder ihm per Direktnachricht zu schicken, oder diese auf ihren Accounts zu posten. Auf diese Weise vergrößert der App-Entwickler die Reichweite seines Marketings und kann gleichzeitig potenziellen Interessenten beweisen, dass sein Produkt funktioniert. Die so gesammelten Screenshots postet er wöchentlich als Instagram Story (hier ein Beispiel). Alle wöchentlichen Storys sind dauerhaft als archivierte Highlights abrufbar. Hinzu kommt: Wie ein von einem anderen Nutzer bei Twitter geposteter Screenshot zeigt, schaltet Laviolette offenbar auch bezahlte Anzeigen bei Instagram.

Auf den Social-Media-Plattformen mischen sich unter die positiven Posts von Nutzern, die mit dem Supbot erfolgreich auf Einkaufstour waren, auch immer wieder diverse von solchen, die enttäuscht davon berichten, dass die App bei ihnen nicht funktioniert hat. Auf Instagram geht Laviolette auf Kritik ein und gibt Tipps für optimale App Settings. Und zumindest nach außen wirkt es so, als würde Laviolette den Bot permanent weiterentwickeln. In nicht einmal sechs Monaten hat er zwölf Mal Updates zur App veröffentlicht. Das dürfte schon alleine deswegen notwendig sein, weil hinter den Kulissen ein permanentes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Supreme und den Bot-Betreibern stattfindet: Ändern die Supreme-Macher etwas an der Website (beispielsweise auch nur eine Kleinigkeit an der URL-Struktur), und die Entwickler merken dies nicht, landet der vorab aufgegleiste Bot in einer Sackgasse und der Kauf wird nicht abgeschlossen. Er habe zwar mit Supreme noch keinen Kontakt gehabt, glaube aber, dass Supreme die Nutzung von Bots weder komplett unterbinden könne, noch dies wolle, sagt Laviolette. „Die Bots helfen ja den Hype um die Marke anzufachen.“

Wie legal und wie sicher ist das Geschäft mit den Bots?

Ob das Geschäftsmodell von Bot-Anbietern im Allgemeinen und Supbot im Speziellen langfristig bestehen kann, ist zumindest fragwürdig. Die Entwickler agieren rechtlich in einer Grauzone. Alleine, ob es nach deutschem Recht legal ist, dass die Supbot-Nutzer ihre kompletten Kreditkartendaten inklusive Sicherheitscode in der App hinterlegen müssen, damit die App funktioniert, ist überaus fraglich. In der App heißt es, die Daten würden nur auf dem Handy des Nutzers gespeichert; wie sicher das ist, ist eine andere Frage. Noch dazu hat die App nicht einmal Terms of Service/Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Nutzer scheint das bislang nicht zu stören.

Laviolette sieht sich in einer komfortablen Position: „Apple erlaubt ja keine Copycat-Apps, deswegen ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie einen weiteren Supreme-Bot in den App Store lassen.“ Er wolle für den Rest seines Lebens Unternehmer bleiben und erst einmal den Supbot weiter entwickeln. „In den nächsten Wochen wird es noch einige coole Updates geben.“

Supreme
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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