Wie Profi-Sportler jetzt selbst Publishing-Unternehmen gründen und Millionen verdienen

Martin Gardt9.4.2018

Mit "The Players' Tribune" und anderen Projekten machen Kobe Bryant & Co. selbst Journalismus

Kobe Bryant The Players' Tribune
Kobe Bryant ist "Editorial Director" bei The Players' Tribune (Foto: Jed Jacobsohn / The Players' Tribune)

In den USA gründen aktive und ehemalige Profi-Sportler wie LeBron James, Derek Jeter und andere Stars derzeit Digital-Publishing-Projekte. Durch den direkten Zugang zu ihren Kollegen schreiben Sportstars auf Plattformen wie „The Players‘ Tribune“ Storys aus erster Hand. Nun kommt das Konzept auch nach Europa.

Im Oktober 2014 gründet der frühere Baseballspieler der New York Yankees Derek Jeter gemeinsam mit der Sportvermarkterin Jaymee Messler „The Players‘ Tribune“. Auf der Webseite des Digital-Magazins schreiben Profisportler ihre eigenen Geschichten – ohne Journalisten. Das Konzept überzeugt gleich mehrere Investoren, die in drei Runden etwa 60 Millionen US-Dollar investieren – darunter Google Ventures, Bryant Stibel Investments und New Enterprise Associates. Heute verzeichnet die Plattform laut Analyse-Tool Similar Web zwar gerade mal um die drei Millionen Visits pro Monat – wenn Superstar Kevin Durant seinen Wechsel zu einem neuen Verein verkündet, geht so ein Artikel aber auch mal viral und wird millionenfach gelesen.

Scoops durch direkten Zugang – und volle Kontrolle

Neben Gründer Derek Jeter hat das Unternehmen Sportler wie Ex-NBA-Star Kobe Bryant als „Editorial Director“ früh mit ins Boot geholt und konnte sich so einen direkten Draht in die Profi-Community sichern. Prompt verkündete der absolute Superstar Bryant in Form eines Gedichts seinen Rücktritt. Neben diesem Scoop und dem zum Wechsel von Kevin Durant gibt es immer wieder so noch nicht gelesene Insights aus Sportler-Sicht auf der Seite. Die brasilianische Fußball-Legende Ronaldo schrieb im August 2017 über sein Leben, Football-Star Richard Sherman beschreibt detailliert, wie es war, als die Seattle Seahawks ihn entlassen haben und selbst E-Sportler erzählen ihre Geschichte in der Players Tribune

The Players Tribune

Editorial Director Gary Hoenig (zweiter von links) mit President Jaymee Messler, Derek Jeter and New Enterprise Associates’ Jon Sakoda. Foto: Jed Jacobsohn / The Players‘ Tribune

Dabei ist das mit dem Schreiben so eine Sache. Der erste CEO des Unternehmens Jeff Levick, zuvor Chief Revenue Officer bei Spotify, nennt das Konzept „A.G.C“ – „Athlete Generated Content“. Players Tribune sei die Plattform für eben diese Inhalte, so wie Spotify eine Plattform für Musik sei. Bei dem Publisher arbeiten zehn Ghostwriter mit den Athleten zusammen und machen eigentlich klassische journalistische Arbeit – den Sportler begleiten und viele Gespräche führen. Am Ende kommt dann aber ein Artikel aus Sicht des Sportlers mit diesem als offiziellen Autoren dabei raus. Und die Profis haben immer das letzte Wort, wenn es um „ihren“ Text geht.

Kooperationen mit großen Partnern

In Sachen Reichweite reichen Scoops und persönliche Geschichten von Stars aber wie beschrieben noch nicht zu den ganz großen Sprüngen. Drei Millionen Visits pro Monat sind nur ein Bruchteil von dem, was die US-Sport-Publishing-Konkurrenz verzeichnet. ESPN kam im März laut Similar Web auf 450 Millionen Visits, der noch recht junge Konkurrent Bleacher Report auf über 63 Millionen. CEO Levick sagt aber, dass das Engagement hoch ist, Nutzer 150 Millionen Content-Views auslösen und im Durchschnitt acht Minuten auf der Seite verbringen. Wenn der Gesamt-Traffic nicht hoch ist, aber einzelne Inhalte Millionen-Reichweiten verzeichnen, muss sich das in der Vermarktung auch widerspiegeln. The Players‘ Tribune setzt deshalb auf Kooperationen mit einzelnen großen Partnern, die meist ganze Formate präsentieren.

Ein neueres Stück des Baseballers Noah Syndergaard von den New York Mets wird von der Citi Bank präsentiert – kein Zufall, schließlich spielen die Mets im Citi Bank Field. Bei der Video-Reihe „Out of Context“ wird der Sponsor Samsung noch nativer integriert: Football-Star Richard Sherman und Basketballer Kristaps Porzingis filmen sich für das Format mit einem Samsung Galaxy S8 selbst. Weitere große Partner des Unternehmens sollen Procter & Gamble, Budweiser und Twitter sein. Gemeinsam mit Budweiser hatte The Players‘ Tribune sogar ein eigenes Content Studio aufgebaut. In Videos von und mit bekannten Sportlern wurden dann Budweiser Produkte platziert – verbreitet wurden die Inhalte auf den Social Kanälen des Publishers.

Eines der jüngsten Beispiele für so eine Content-Kooperation ist ein neues Facebook-Video mit dem deutschen Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen. Darin werden weitere Videos mit ihm angekündigt, während er mit einem Audi durch Barcelona fährt – der Partner wird mehrfach prominent eingeblendet. Solche Videos verbuchen auf den Kanälen von The Players‘ Tribune viel Engagement, schließlich hat der Publisher bei Facebook über 740.000 Fans, auf Instagram fast 200.000 und auf Youtube insgesamt über 38 Millionen Views auf alle Videos. 

Start in Europa

Was das Video mit dem deutschen Torhüter aber auch zeigt: The Players‘ Tribune will global agieren. „We have shown that not only can we get global athletes but we can tell their stories,” sagt CEO Levick gegenüber Reuters. Umgesetzt werden soll das mit Gerard Piqué, dem Verteidiger des FC Barcelona und der spanischen Nationalmannschaft und seiner Investmentfirma Kosmos. Er launchte „The Players‘ Tribune Global“ mit einem langen Artikel über seine Karriere. Der gibt leider nicht mehr her, als die Erkenntnis, dass er eine Whatsapp-Gruppe mit Spielern von Barcelona und Real Madrid eingerichtet hat. Trotzdem dürfte es nicht die schlechteste Idee sein, mit einem Mann vom FC Barcelona in den europäischen Markt einzusteigen. Der Verein ist auch in den Social-Kanälen einer der größten der Welt.

Auf der europäischen Seite wolle das Unternehmen noch stärker auf Video-Content setzen als in den USA. Als erstes Format geht „Piqué+“ an den Start. In kurzen Videos interviewt der Fußballer Kollegen wie Neymar oder Luis Suárez – wie erkenntnisreich Gespräche zwischen zwei Sport-Millionären sind, muss dann der Nutzer entscheiden. Großes Wachstum verspreche sich The Players‘ Tribune durch die anstehende WM im Sommer und Piqué kann es sicherlich schaffen, weitere Bekannte auf die Plattform zu ziehen. Für Büros in Barcelona und London sucht das Unternehmen bereits ein Content-Team.

Der größte Basketballer der Welt spielt mit

The Players‘ Tribune ist aber nicht das einzige Publishing-Projekt, bei dem Sportler selbst schreiben oder beteiligt sind. Der derzeit wohl bekannteste Basketballer der Welt, LeBron James, gründet 2015 mit seinem Freund und Geschäftspartner Maverick Carter „Uninterrupted“. „It’s all about authentication. And being authentic to what we talk about and being able to be yourself. That’s why I started Uninterrupted,“ erzählt James. „I came to Maverick one day, and I was like listen, I’m tired of my words being chopped and diced and put out. I talk for 20 minutes and they only show the headline.” Schon Ende 2015 investiert der US-Medienriese Time Warner über 15 Millionen US-Dollar in das Unternehmen. Seitdem läuft die Vermarktung über dessen Abteilung Turner Sports. 

Uninterrupted produziert Dokumentationen, Webvideos und sechs Podcasts – jeweils mit den Sportlern selbst. Einen Teil der Inhalte erstellt das Unternehmen für große Medienpartner wie Fox, Bleacher Report, Facebook und weitere. Das derzeit wohl erfolgreichste Format ist der Podcast „Road Trippin“ mit Channing Frye und Richard Jefferson – ehemalige Teamkollegen von James in Cleveland. Laut Unternehmensangaben wird jede Episode über 175.000 Mal heruntergeladen. Weitere bekannte Sportler, die bereits für Uninterrupted geschrieben oder vor der Kamera gestanden haben, sind die Football-Spieler Rob Gronkowski, Odell Beckham Jr., die Basketballer Vince Carter, Draymond Green und die mittlerweile als Wrestlerin aktive Ronda Rousey. 

In Sachen Vermarktung setzt Uninterrupted auf ein ähnliches Modell wie The Players‘ Tribune. Formate werden von Sponsoren präsentiert. Einzelne Sportler bekommen einen Teil der Umsätze. Große Partner sind etwa die Bank JP Morgan Chase und Uber. Chase etwa präsentiert aktuell eine Doku-Reihe von und mit Tennis-Star Serena Williams.

Plan für das Karriereende?

Wenn der bekannteste Basketballer mitspielt, ist der bekannteste American-Football-Star offenbar nicht weit. Auch der zuletzt im Super Bowl unterlegene Quarterback Tom Brady versucht sich als Medien-Mensch. Gemeinsam mit Ex-Footballer Michael Strahan und Gotham Chopra hat er „The Religion of Sports“ gegründet. Das Medien-Startup machte zuerst mit einer gleichnamigen Dokumentation auf sich aufmerksam. Für Aufsehen sorgte die Doku-Reihe „Tom vs. Time“, die Tom Brady auf dem Weg zum Super Bowl begleitete und ausschließlich auf Facebooks Video-Plattform Facebook Watch zu sehen war. Insgesamt soll das Format über 42 Millionen Views verzeichnet haben. Das Unternehmen sucht derzeit nach einer Finanzierung von drei Millionen US-Dollar.

Und auch Andre Agassi scheint nach dem Karriereende nochmal in das Medien-Business einsteigen zu wollen. Er unterstützt das von den Ex-Nike-Männern Brent Scrimshaw, Ben Crow und dem Sport-Forscher Todd Deacon gegründete Publishing-Projekt Unscriptd als Investor. Das Unternehmen erstellt Content gemeinsam mit Sportlern und verteilt diesen dann weltweit auf Publisher und Plattformen. Laut CEO Scrimshaw komme Unscriptd so auf eine Reichweite von über 800 Millionen Nutzern. Der Fokus liegt – wie bei den anderen Unternehmungen ja auch – voll auf Video. Die Vermarktung soll ebenfalls über native Einbindung von Sponsoren funktionieren. 

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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