Sport Tiedje: Mit DTC und VIPs zum europäischen Heimfitness-Marktführer

Wie Christian Grau aus einem Tischtennis-Laden einen 200-Millionen-Euro-Sporthändler gemacht hat

Christian Grau, Gründer und Inhaber von Sport Tiedje
Christian Grau, Gründer und Inhaber von Sport Tiedje

Wer Tom Cruise, Eminem, diverse Deutschrap-Stars, Fußball-Profis und zahlreiche Yachtbesitzer auf seiner Kundenliste stehen hat, der hat in den vergangenen 25 Jahren ziemlich viel richtig gemacht. Im OMR Podcast erzählt Christian Grau, Gründer und Inhaber von Sport Tiedje, wie er aus einem kleinen Tischtennis-Laden im norddeutschen Städtchen Schleswig Europas Markführer im Bereich Heimfitness mit zuletzt über 200 Millionen Euro Umsatz geformt hat.

Die Geschichte von Sport Tiedje beginnt klassisch: 1984 eröffnete der frühere Tischtennis-Bundesligaspieler Ulrich Tiedje in der Innenstadt von Schleswig ein Fachgeschäft für Sportartikel. Christian Grau, früher ein passionierter Basketballer und Trainer, ist Kunde des Ladens Im Jahr 1996 heuert er dort als Aushilfe an. Grau studiert zu dieser Zeit Informatik und BWL. Er kann seinen Chef Ulrich Tiedje überzeugen, es mit einem eigenen Webshop zu versuchen. 1999 geht der live. „Wir sind dann innerhalb weniger Wochen sehr stark durchgestartet“, sagt Grau.

Shops in neun europäischen Ländern

Auch wenn das Niveau damals natürlich nicht im Ansatz mit dem Markt für Fitness-Produkte von heute vergleichbar ist – der frühe Einstieg sichert Sport Tiedje eine ideale Ausgangsposition. Grau hat das Unternehmen, das er seit 2011 als alleiniger Gesellschafter führt, zum beherrschenden Player in seinem Segment machen können. Sport Tiedje betreibt heute rund 20 Online-Shops und 66 Ladenlokale in neun europäischen Ländern, teils unter eigenem Namen, teils haben die Schleswiger andere Firmen übernommen.

Vor allem die vergangenen Monate während der Corona-Pandemie haben Sport Tiedje einen massiven Wachstumsschub verschafft. Der Umsatz stieg um 55 Prozent auf 203 Millionen Euro. Das Jahr 2020 habe an sich normal begonnen, so Grau im OMR Podcast. Doch „ab März zündete dann die Corona-Rakete.“ Der Nachfrage-Schub ist so massiv, dass sein Unternehmen sogar noch deutlich mehr Umsatz hätte machen können, so Grau. „Aber irgendwo geht dir halt die Ware aus und die Kapazitäten fehlen.“

Zwischen Massenmarkt und VIPs

Dass mit dem Ende der Pandemie ein Einbruch der Nachfrage nach Heimfitnessgeräten einhergehen könnte, befürchtet Grau nicht. Obwohl die Inzidenz-Zahlen derzeit niedrig seien und die Fitness-Studios wieder öffneten, liege der Umsatz auf Vorjahresniveau. Viele Menschen würden nicht mehr ins Fitnessstudio zurück wollen, so Grau. Hinzu komme eine älter werdende Bevölkerung und eine immer weniger bewegungslastige Berufswelt, fasst der Inhaber von Sport Tiedje die Faktoren zusammen, die ihn optimistisch stimmen.

Den mit weitem Abstand größten Teil seines Umsatzes, so Grau, mache das Unternehmen mit klassischen Privatkunden: 85 Prozent. Darauf folge das B2B-Geschäft mit zehn Prozent. Sport Tiedje stattet neben Fitnessstudios auch viele Kreuzfahrtschiffe mit Fitness-Equipment aus. Die restlichen fünf Prozent des Umsatzes würden auf das VIP-Geschäft entfallen, so Grau.

Ein Privat-Gym für 400.000 Euro

Neben Fußballprofis und Musikern aus Deutschland ließen sich auch Hollywoodstars wie Tom Cruise und Hugh Jackman sowie der Rapper Eminem ihre privaten Gyms von den Schleswigern einrichten. Auch „Milliardäre“ zählten zu seinen Kund:innen, erzählt Grau. „Wir haben gerade einem Scheich in London einen Ballsaal umgestaltet in ein Fitnessstudio. Das sind dann 300.000 bis 400.000 Euro Umsatz mit einem Privatkunden“, sagt Grau.

Türöffner für dieses extrem lukrative Segment seien Personal Trainer gewesen. Die hätten Sport Tiedje gekannt und ihren Klient:innen empfohlen. Und die wiederum hätten die Fitness-Experten dann in ihrem Umfeld bekannt gemacht, erklärt Grau. So sei beispielsweise aus ersten Aufträgen für Profispieler des HSV über deren Wechsel zu neuen Vereinen ein Netzwerk aus Kund:innen in mehreren europäischen Ländern entstanden.

Empfehlungen und Reviews

Empfehlungen sind auch abseits des schillernden VIP-Geschäfts ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Sport Tiedje. Das zeigt sich in kleinen Hacks. So lässt Grau etwa seine Techniker nach der Installation eines Fitnessgeräts in einem Privathaushalt bei den Nachbarn Sport-Tiedje-Kataloge in die Briefkästen stecken. Das Kalkül: So hätten die den Namen der Firma bereits einmal gehört, wenn der Kunde oder die Kundin beim nächsten Treffen vom neuen Heimtrainer schwärmt.

Reviews spielen auch im Online-Shop eine zentrale Rolle, wo Sport Tiedje sie durch ein Gewinnspiel incentiviert, bei dem eine Erstattung des vollen Kaufpreises für das Gerät lockt. Ähnlich wie Musikhaus Thomann (deren Ansatz OMR bereits ausführlich beleuchtet hat) sind Sterne-Bewertungen und Erfahrungsberichte prominent auf den Produktseiten von Sport Tiedje eingebunden.

Abheben von Amazon

Darüber hinaus sorge eine hauseigene Redaktion dafür, dass die Kund:innen bei Sport Tiedje deutlich mehr und tiefer gehende Informationen zu den Artikeln finden als etwa bei Amazon. „Wir versuchen die Produkte möglichst gut aufzubereiten“, sagt Grau. Darum gebe man nicht nur technische Spezifikationen an, sondern ergänze die Beschreibung der Artikel um Videos, generelle Beratung über die Produkt-Kategorie und detaillierte eigene Bewertungen. So werde bei einem Laufband beispielsweise auch beschrieben, wie gut die Dämpfung sei und wie stabil das Gerät auf dem Boden stehe, so Grau. „Das verraten dir die Zahlen so nicht.“

Bei der Produktpräsentation legt Sport Tiedje neben prominenter Platzierung externer und eigener Reviews Wert auf sehr ausführliche Beschreibungen

Bei der Produktpräsentation legt Sport Tiedje neben prominenter Platzierung externer und eigener Reviews Wert auf sehr ausführliche Beschreibungen (Screenshot: OMR)

Die extrem aufwendige Produktpräsentation online ist aber nur ein Baustein einer Strategie zur Gewinnung neuer Kund:innen, die man als mehrstufigen Omni-Channel-Prozess umschreiben könnte. „Die meisten unserer Kunden finden uns online“, sagt Grau. Über 80 Prozent der Erstkontakte fänden über das Internet statt. Eine zentrale Rolle spielten hier Google und Preisvergleichs-Portale. Doch würden die Interessenten nicht unbedingt dort auch gleich kaufen. Viele besuchten in einem nächsten Schritt eines der Ladengeschäfte von Sport Tiedje, um sich die mitunter mehrere Tausend Euro teuren Fitness-Geräte anschauen zu können.

Habe man die Leute erst einmal im Laden, würden die Mitarbeitenden in der Beratung einen Schritt zurück vor das eigentliche Verkaufsgespräch gehen. Zunächst gehe es darum, herauszufinden, was die tatsächlichen Bedürfnisse der Kund:innen seien, so Grau. Wo ihre Problemzonen sind, ob Ernährungsdefizite bestehen und so weiter. Und auch nach dem Verkauf sei Sport Tiedje bemüht, eine Beziehung zu den Käufer:innen aufrecht zu erhalten. Mit ihrem Einverständnis würden seine Leute später anrufen, klären, ob die Ziele erreicht wurden und noch etwas benötigt werde.

„Aus dem Kunden einen Fan machen“

„Dadurch schaffen wir es, dass unsere Kunden ihre Fitnessgeräte wirklich nutzen – und lange nutzen“, erklärt Grau. Er hält nichts von dem Ansatz, Leuten Produkte anzudrehen, die diese möglichst nicht verwenden, weil dann auch keine Reklamation anfallen. „Für uns wäre das der Worst-Case“, sagt Grau. Seine Firma investiere relativ viel Geld in Kundengewinnung und Kundenservice. Denn das Ziel sei, so formuliert es Grau, „aus dem Kunden einen Fan zu machen.“

Wenn Ihr außerdem erfahren wollt, warum Christian Grau wenig von geschlossenen Fitness-Ökosystemen wie Peloton hält, weshalb Sport Tiedje jedes Jahr immer noch sechs Millionen gedruckte Kataloge verschickt, aber fast keine Produkte über Amazon verkauft, und wenn Ihr ebenso überrascht davon seid wie Philipp Westermeyer, dass der Instagram-Kanal des Sporthändlers gerade einmal 2.000 Follower hat, dann hört euch unbedingt die neue Folge des OMR Podcasts an.

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Alle Themen des Podcasts mit Christian Grau im Überblick:

  • Wie Sport Tiedje vom Tischtennis-Shop zum international aktiven Sporthandel wurde (ab 5:43)
  • Christian Graus Karriereweg von der Aushilfe zum Inhaber von Sport Tiedje (ab 7:33)
  • Warum Sport Tiedje neben Privatkund:innen auch Schiffe und Celebrities ausstattet (ab 11:53)
  • Welchen Anteil die Eigenmarken am Umsatz von Sport Tiedje haben und wie groß typische Warenkörbe sind (ab 14:09)
  • Mit welcher Produkt- und CRM-Strategie sich Sport Tiedje gegen Amazon behauptet (ab 16:54)
  • Über welche Kanäle Sport Tiedje mit den Kund:innen on- und offline kommuniziert (ab 22:29)
  • Warum der Händler seine Produkte nur in sehr begrenztem Maß über Amazon anbietet (ab 23:47)
  • Welchen Anteil die Corona-Pandemie am Umsatzsprung im Jahr 2020 hatte (ab 25:37)
  • Warum die Schleswiger anders als etwa Peloton bei seinen eigenen Produkten nicht auf ein geschlossenes Ökosystem setzt (ab 29:12)
  • Über die Bedeutung von Bewertungen und Parallelen zum Ansatz von Musikhaus Thomann (ab 30:40)
  • Warum Christian Grau gegenüber den Themen Influencer-Marketing und Co-Creation mit Creatorn skeptisch ist (ab 38:54)
  • Weshalb Sport Tiedje auf klassische Kataloge setzt, Grau aber nichts von Sponsorings hält (ab 45:28)
  • Warum Grau gerne Kooperationen mit Versicherungen eingehen würde – und woran es scheitert (ab 50:17)
  • Welche Rolle Containerschiffe und Luxusyachten beim Umsatz spielen (ab 52:02)
  • Warum Sport Tiedje seine Ladengeschäfte nicht in A-Lagen eröffnet (ab 54:03)
  • Welche Rolle die Präsenz auf Sportevents und Messen spielt (ab 58:25)
  • Warum der Instagram-Account von Sport Tiedje nur knapp 2.000 Follower hat (ab 1:01:04)
  • Ob Graus Firma eine Milliarde Euro wert ist und was er von einem Exit hält (ab 1:04:15)
  • Wie Sport Tiedje auf neue Märkte expandiert und mit welcher Strategie das Unternehmen dabei vorgeht (ab 1:09:59)
  • Warum Grau auf eine intern entwickelte Shop-Software und eine eigene Logistik setzt (ab 1:10:58)
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Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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