So buhlen Google, Facebook und Twitter beim WM-Finale um Traffic

Die Plattformbetreiber buhlen wie Marktschreier um die Aufmerksamkeit der Verbraucher (Bildquelle: Gilde der Marktschreier)

Die Konzerne kämpfen um Aufmerksamkeit auf dem „Second Screen“ – und um Werbebudgets

Die Plattformbetreiber buhlen wie Marktschreier um die Aufmerksamkeit der Verbraucher (Bildquelle: Gilde der Marktschreier)

Die Plattformbetreiber buhlen wie Marktschreier um die Aufmerksamkeit der Verbraucher (Bildquelle: Gilde der Marktschreier)

Die Fußballweltmeisterschaft zieht weltweit so viel Aufmerksamkeit auf sich wie keine andere Veranstaltung; das Turnier gilt deswegen auch als „heiliger Gral des Internet-Traffics“. Die großen Digitalkonzerne Google, Facebook und Twitter wollen mit Aktionsseiten, neuen Features und Content Marketing versuchen, die Nutzer dazu zu bewegen, ihre Plattformen während der WM zu nutzen – auch, um mehr Werbegelder auf sich ziehen zu können. Vor dem Finale deutet sich bereits an, dass die Plattform-Betreiber unterschiedlich erfolgreich sind – und die Deutschen bei der WM offenbar weniger Social-Media-Dienste nutzen, als von den Machern erhofft.

Twitter feierte auf globaler Ebene bisher offenbar große Erfolge mit der WM als Treiber für die eigene Nutzung. Laut eigenen Angaben haben Twitter-User bereits in der Gruppenphase des Turniers insgesamt mehr als 300 Millionen WM-bezogene Tweets abgesetzt. Das Halbfinalspiel Brasilien gegen Deutschland wurde zum meistdiskutierten Sport-Ereignis auf der Plattform, nach Sami Khediras Tor zum 5:0 verzeichnete Twitter die höchste bisherige Tweets-pro-Minute-Quote:

Bereits im Vorfeld des Turniers hat Twitter kräftig um die Aufmerksamkeit der Fußballfans geworben, etwa mit einem eigenen Online-Werbefilm, der bislang bei Youtube 1,2 Millionen Mal abgerufen wurde. Über den Unternehmens-Blog empfahl Twitter den Nutzern schon Wochen vor dem Turnier WM-relevante Accounts. Für den Zeitraum der WM passte das Unternehmen sogar die Registrierungsfunktion für seinen Dienst an: Nach Auswahl ihres Usernamens können die neuen Nutzer auswählen, welche Mannschaft sie unterstützen und aus entsprechendem Bildmaterial für ihr Profil- und Titelfoto auswählen. Bei Verwendung der offiziellen Hashtags der Mannschaften wird in den Tweets die entsprechende Länderflagge eingeblendet. Während der Spiele erinnerte die mobile Twitter-App durch eine Einblendung an die jeweilige Begegnung; für jedes Spiel wurde eine eigene Timeline eingerichtet. Vor dem Finale buhlte Twitter bei den Nutzern nun auch noch per E-Mail um Aufmerksamkeit: twitter_email

Darüber hinaus war Twitter während des gesamten Turniers sehr aktiv im Content Marketing. Das Datenteam in San Francisco wertet beständig die Nutzung der Plattform aus und postet die Erkenntnisse über ein eigenes Profil. Die Grafik zum Tweet-Rekord während des Brasilien-Deutschland-Halbfinales wurde beispielsweise 25.000 Mal retweetet, die Statistik von diversen Medien weltweit aufgegriffen.

Schwer einzuschätzen ist, ob die WM Twitter in Deutschland neue Nutzer zugeführt hat. Vor dem Turnier war die Zahl der deutschen User offenbar im Vergleich zu der anderer Länder relativ niedrig. Laut aktuellen Branchengerüchten verzeichnete Twitter vor der WM drei Millionen deutsche Nutzer. Unternehmensangaben zufolge nutzen demgegenüber weltweit 255 Millionen Menschen Twitter aktiv. Nicht weiter erstaunlich ist, dass eine Untersuchung aus dem vergangenen Dezember zeigt, dass Tweets in deutscher Sprache auf der Plattform unter ferner liefen rangieren. Auch die jüngsten Auswertungen des Twitter Datenteams deuten darauf hin, dass die Nutzung der Plattform während der WM in Deutschland geringer ausfiel als in anderen Ländern. Zoomt man etwa in der Weltkarte, die die Verteilung von Tweets während des Brasilien-Deutschland-Halbfinales im zeitlichen Verlauf zeigt, auf Deutschland, so werden dort weniger Tweets angezeigt als beispielsweise in Großbritannien, der USA oder Brasilien.

Für die Karte wurden nur Tweets mit dem Hashtag #BRAvGER berücksichtigt. Möglicherweise hatte sich unter den deutschen Nutzern mehr das Kürzel #BRAGER durchgesetzt – das zeigen auch entsprechende Presseberichte. Eine weitere Auswertung führt jedoch unter jenen fünf Ländern, die bisher die brasilianische Mannschaft via offiziellen Hashtag #BRA am häufigsten erwähnten, Deutschland nicht aus – trotz des historischen Halbfinales der DFB-Elf.

Facebook mit einem „Second Screen Problem“?

Konkurrent Facebook bietet nicht so viele Sonder-Features wie Twitter, hat aber ebenfalls eine eigene Seite für das Turnier eingerichtet. Auf gesonderten „Matchpages“ werden automatisiert wichtige Ereignisse wie Tore und Paraden gepostet (hier zum Beispiel das Brasilien-Deutschland-Spiel). Ein „Facebook Ref“, ein „Schiedsrichter“, kommentiert die WM-Ereignisse während des Turniers unter anderem mit kurzen Filmen. Derzeit verzeichnet die Seite rund 720.000 Fans.

Jens Wiese vom Blog Allfacebook.de, der dem Netzwerk ansonsten relativ wohlgesonnen ist, hat die WM-Aktivitäten von Facebook jedoch deutlich kritisiert und spricht gar von einem „Second Screen Problem“ des Netzwerks: Die Umsetzung sei nur halbherzig, auf den WM-Seiten gäbe es hauptsächlich Werbeposts und entscheidende Funktionen seien in den mobilen Apps nicht oder nur schlecht nutzbar.

Auch bei Facebook gibt es Hinweise, dass die deutschen Nutzer das Netzwerk offenbar weniger als andere nutzen, um sich über die WM auszutauschen. So hätten rund um das Halbfinale von Deutschland gegen Brasilien zwar 66 Millionen Menschen rund 200 Millionen Interaktionen erzeugt (Posts, Kommentare und Likes) – so viel wie bei keinem anderen Spiel. Doch unter den fünf Ländern mit den meisten Interaktionen ist auch hier Deutschland wieder nicht vertreten:

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Der von Facebook übernommene Fotodienst Instagram wird zwar von vielen an der WM teilnehmenden Fußballern genutzt; der Dienst selbst spielt das Thema aber wenig in den Vordergrund und hat auch keine eigene WM-Seite eingerichtet.

Noch mehr Google-Suchanfragen als bei der WM 2010

Für Google waren Fußballweltmeisterschaften schon bisher große Traffic-Treiber. Bereits das Turnier im Jahr 2010 habe mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als die Olympischen Spiele, die Tour der France und der Superbowl zusammengenommmen, sagte Google-Trends-Manager Roya Soleimani gegenüber CNBC – für die diesjährige WM rechnete der Konzern mit noch höheren Zahlen. Wenige Tage vor dem Finale weist Google Trends zwei Milliarden WM-verwandte Suchanfragen aus. Während der Begegnung USA gegen Deutschland hätten die Suchanfragen rund um das Spiel in den Vereinigten Staaten alle anderen Suchbegriffe abgehängt – sogar die nach Google selbst, welche ansonsten die häufigste Suche sei, zitiert Re/Code einen Google-Manager.

Bereits im Jahr 2010 hat Google eine Partnerschaft mit der Fifa abgeschlossen und kann seitdem Daten des Verbandes direkt auf den Ergebnisseiten der Suchmaschine einblenden. Viele der WM-bezogenen Suchen kann Google jedoch offenbar nicht monetarisieren. Wie der US-Branchendienst Search Engine Land schreibt, finden sich bei Suchen nach Begriffen, an denen die Fifa die Markenrechte hält, fast keine Anzeigen in Googles Suche.

Erstmals betreibt Google bei dieser WM einen eigenen „Newsroom“– vermutlich auch in der Hoffnung, auf diese Weise weniger Traffic an Social-Media-Plattformen zu verlieren. 20 Mitarbeiter von Google und der Partner-Agentur R/GA (die sich unter anderem auf Datenvisualisierung spezialisiert hat) sowie mehrere Freelancer arbeiten in San Francisco daran, virale Inhalte zu generieren. Unterstützt werden sie dabei von einem Entwickler-Team in Tel Aviv, das dem Team in Kalifornien ein „Google Trends Content Dashboard“ über aktuelle Bewegungen in Googles Suchmaschine zur Verfügung stellt.

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Der Newsroom erhebt während des Spiels, welche Suchanfragen in welchen Ländern zunehmen. Auf dieser Basis erstellt das Team kleine Infografiken, die auf Googles WM-Seite gepostet werden und für das Teilen auf Facebook und Twitter über das Smartphone gedacht sind – manchmal dauere deren Erstellung lediglich eine Stunde. Die Ergebnisse werden in neun Sprachen übersetzt. Negativ konnotierte Suchbegriffe, wie etwa das Wort „Scham“ nach der Niederlage Brasiliens, werden für die Infoschnipsel nicht berücksichtigt, wie eine Journalistin von NPR erfuhr.

Googles WM-Seite wird auch durch Adwords-Anzeigen beworben, wie ein Unternehmenssprecher gegenüber OnlineMarketingRockstars erklärte. Zu den Zugriffszahlen erteilt Google keine Auskunft. Auffällig ist jedoch, dass bei der Teilen-Funktion der Infografiken keine Share-Zahlen ausgewiesen werden.

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Roland Eisenbrand
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Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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