Nach den Ost Boys: Mark Filatov alias Slavik Junge spricht über seine Business-Strategie

Florian Heide16.4.2021

Unternehmer, Rapper, Serienstar: So ging es nach dem Ende von “Deutschland asozialster Webserie” weiter

Slavikjunge

Slavik und Wadik waren als „Ost Boys“ eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Comedy-Duos bei Youtube. Ihre Mockumentary-Serie wurde mehr als 100 Millionen Mal aufgerufen. Nach der Trennung 2019 startete Mark Filatov in der Rolle des Slavik Junge eine Solo-Karriere. Mit OMR spricht er darüber, wie er sich über Youtube, Tiktok und Instagram eine eigene Millionen-Reichweite aufgebaut hat und mit welchen Mitteln er diese nun monetarisiert.

Die Ost Boys (hier im OMR Porträt) waren so etwas wie die post-sowjetische Variante von Erkan und Stefan: Mark Filatov und Dimitri Tsvetkov verkörpern zwei ständig fluchende, prollig-unterhaltsame Mittzwanziger, die ihre Zuschauer mitnehmen, wie sie im Berliner Plattenbau-Bezirk ihre Tage zwischen Arbeitsamt („Tempel des Wohlstands“), Frauen („Fötzchen“) und der Suche nach schnellem Geld (Millionen-Dollar-Idee: Semetschki-Lieferservice) totschlagen. Schon damals erreicht die nach eigener Aussage „asozialste Webserie Deutschlands“ bis zu zehn Millionen Zuschauer im Monat. Nach der Trennung habe Filatov laut eigener Aussage vor einem Problem gestanden: „Wir haben mit den Ost Boys nie wirklich Geld verdient“, sagt er gegenüber OMR. Die teils lukrativen Werbedeals mit beispielsweise Edeka oder dem Online-Sporthändler sportspar.de (hier die Gründer im OMR Podcast) seien Ausreißer gewesen, auch mit dem Einnahmen aus dem Merch-Shop zusammen hätten sie im Schnitt nur zwei- bis viertausend Euro im Monat eingenommen.

Das große Ost Boys Cash blieb aus

„Nach dem Ost Boys Aus stand ich da, ohne Geld und dachte: Blyat, was mach ich jetzt?“, sagt Filatov. Er strebt die Solo-Karriere an, doch ihm ist klar: „Wenn ich jetzt alleine bin, brauche ich schnell eigene Reichweite“. Um sich diese zu verschaffen, behält er sein Alter Ego Slavik Junge bei und entkoppelt es von den Ost Boys. Filatov setzt eigene Kanäle bei Youtube, Instagram und später auch Tiktok auf. Die einstige Reichweite des Ost-Boys-Channels sowie das verzweigte Netzwerk, dass sich das Duo durch regelmäßige Promi-Features aufgebaut hat, verhelfen ihm zu schnellem Wachstum: Laut Analysetool Socialblade erzielen Filatos Videos schon zwei Monate nach dem Ende der Ost Boys siebenstellige Abrufzahlen.

Um seinen Youtube-Kanal zu bespielen, setzt Filatov vor allem auf ein Mini-Webserienkonzept. Er dreht Videoreihen wie den „Geilnes-Test“, wo er teure Sportwagen oder auch mal Helikopter testet, veranstaltet einen „Iron Faces“ getauften Backpfeifen-Wettbewerb nach russischem Vorbild oder verdingt sich als Tourguide in Weltmetropolen. Wie bei den Ost Boys bindet Filatov immer wieder andere reichweitenstarke Gäste wie zum Beispiel Shirin David, Mitglieder der Hamburger Hip-Hop-Crew 187 Straßenbande oder Youtuber Inscope21 in seine Videos mit ein. Mit Erfolg: Bis heute erreichen seine Videos bis zu vier Millionen Klicks, insgesamt wurden sie über 60 Millionen Mal aufgerufen.

Infludata Tiktok

Als Filatovs Videoreihe „Iron Faces“ im Oktober 2020 viral geht, steigt seine Followerzahl auf Tiktok binnen eines Monats um rund eine Million. Quelle: Infludata

Die Reichweite bei Youtube lässt auch seine Social-Media-Kanäle rasant wachsen. Auf Instagram bricht er die Millionen-Follower-Marke nach nur acht Monaten, auf Tiktok dauert es ein Jahr. Beide Kanäle bespielt Filatov, indem er seine Youtube-Videos in kurze Clips schneidet und als Reel oder Tiktok-Video einstellt. Die Clips des Iron Faces Backpfeifenwettbewerbs gehen auf Tiktok so viral, dass sie ihm binnen eines Monats eine Million zusätzliche Follower verschaffen. Allein das Tiktok, in dem ein Typ eine krachende Ohrfeige von einem LKW-Fahrer bekommt, bringt es auf rund 124 Millionen Views und bald 143.000 Shares. „Ich versuche, auf Social Media so effizient wie möglich zu arbeiten“, sagt Filatov. Dank seiner Strategie der Zweitverwertung gelingt es ihm, auf beiden Kanälen mindestens jeden zweiten Tag einen Post abzusetzen. Jeder davon wird im Schnitt zwischen 300.000 und 500.000 Mal gesehen.

Einstieg ins Filmgeschäft

Noch im Jahr 2019 lernt Filatov den Fernsehproduzenten Moritz von der Groeben (u.a. „Arthurs Gesetz“ und „Undercover“) kennen. Gemeinsam arbeiten sie das Konzept für „Auf Staats Nacken“ aus, eine Serie in der Slavik Jobtester für das Arbeitsamt spielt. Die erste Staffel wird im November desselben Jahres auf Joyn veröffentlicht, Slavik verdingt sich darin unter anderem als Altenpfleger oder Freizeitpark-Manager. Und auch hinter den Kulissen hat Filatov jede Menge zu tun: „Ich war Regisseur, Mitproduzent, Autor und Schauspieler gleichzeitig“, sagt er.

Die erste Staffel wird mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. Für die zweite Staffel gründet Filatov mit „Bratan Productions“ eine eigene Produktionsfirma. Mit ihr übernimmt er die gesamte Produktion der zweiten Staffel „Auf Staats Nacken“. Expertise holt er sich von den Münchner Leonine Studios, die unter anderem Stern TV produzieren. Sie würden eng mit ihm zusammenarbeiten und beim Aufbau der unternehmerischen Strukturen behilflich sein. In Zukunft sollen all seine Fernsehauftritte von der eigenen Firma produziert werden. Es stünden einige Aufträge im Haus, zunächst nur rund um seine Kunstfigur. In einem nächsten Schritt wolle er aber auch Produktionen umsetzen, in denen er nicht selbst auftritt.

Youtube bringt Geld, TV den Ruhm

Doch warum überhaupt der Sprung ins Fernsehen? Immerhin: Würde er „Auf Staats Nacken“ auf Youtube veröffentlichen und die Reichweite dort vermarkten, wäre es für ihn laut eigener Aussage finanziell lukrativer als der Joyn-Deal. Er gehe – wie bei den Ost Boys – sowieso nur wenige Werbepartnerschaften ein. Ihm geht es um das nächste Karrierelevel: „Mit Fernsehen habe ich die Möglichkeit eine ganz andere Zielgruppe zu erreichen als auf Youtube“, sagt Filatov. Auf der Videoplattform würden vor allem die 16- bis 25-jährigen seine Inhalte konsumieren, mit Joyn könne er das auf 18- bis 35-jährige ausweiten.

Außerdem beobachtet er, seitdem er vor fünf Jahren angefangen hat nahezu täglich Videos zu produzieren, einen Wandel der Youtube-Landschaft – dem er durchaus skeptisch gegenübersteht. „Die Videos dort müssen immer primitiver werden, um die Millionen Klicks zu erreichen“, sagt er. Nicht umsonst seien ausgerechnet die Backpfeifen-Videos viral gegangen. „Die Leute sind abgestumpft wie vom Pornogucken.“ Zwar wolle er Youtube weitermachen, müsse aber einen Weg finden, seinen Content an die Bedürfnisse der Zuschauer anzupassen. Auch deshalb strebt Filatov nach einem Karrieresprung. „Youtube-Videos kann jeder machen. Fernsehen bedeutet eine viel höhere Professionalität und ein besseres Standing in der Medienwelt“.

Kommt bald die Roman-Verfilmung?

Die krasse Social-Media-Reichweite, die eigene Erfolgsserie, regelmäßige Features mit reichweitenstarken Promis, all das versetzt Filatov in die Lage, sich auf das zu konzentrieren, was er gerne macht. Und Filatov ist offenbar ein Meister darin, seine Hobbies zu monetarisieren. Zum Beispiel hat er das Modelabel „ma4 bratan“ gegründet, wo er neben Sweatshirts, Socken und Basecaps seit heute auch „Pohuiletten“ anbietet (pohui heißt in etwa „scheißegal“) und passende Socken dazu. Die Preise seiner Produkte ähneln denen vergleichbarer Künstler, die Adiletten kosten 25 Euro, ein Shirt kostet 30 Euro. Filatov bedient sich beim Verkauf seiner Modekollektion dem für Modelabel momentan typischen Drop-Verkauf: Die Stückzahlen sind auf wenige begrenzt, der auf eine bestimmte Uhrzeit festgelegte Release kündigt er Tage zuvor auf seinen Social Media Kanälen an. Auch den Drop vom vergangenen Freitag hat er so promoted. Nach eigenen Angaben waren die Produkte binnen vier Stunden ausverkauft, der Umsatz belaufe sich auf über 100.000 Euro.

Auch Musik sei schon immer ein großes Thema für ihn gewesen. Schon die Ost Boys machten zusammen Rap, als Slavik geht er jetzt einen Schritt weiter. 2019 erscheint sein erster Track „Als wenn’s gestern war“, Anfang 2020 die zweite Single „Nicht allein“. Ersterer hat heute über drei Millionen Aufrufe, letzterer sogar über acht Millionen. Nach dem zweiten Song habe er einen Vertrag von Universal Music angeboten bekommen. Aktuell arbeite er an einer Kollabo mit DJ Vize, der auch schon mit Capital Bra kooperierte.

Ähnlich lief es für Filatov mit dem Buch, das in Zusammenarbeit mit dem Hiphop-Journalisten Jonas Lindemann entstand. „Ich wollte einen Roman schreiben und hatte sofort sechs Angebote von Verlagen in meinem Mail-Eingang“, erzählt er. Die Story handelt von der Kunstfigur Slavik und vermischt autobiographische Elemente Filatovs mit fiktiven Szenen. So schreibt Slavik in dem Buch beispielsweise von dem Moment, als er nach der Geburt die Krankenschwester anpinkelte oder von seiner Zeit als Präsident Kirgistans, Filatovs Herkunftsland. Das Buch erschien im März bei Benevento, einem zu dem österreichischen Getränkehersteller Red Bull gehörenden Buchverlag. Er entschied sich für den Verlag, weil die ihm seiner Aussage nach das beste Angebot machten. Die Verfilmung des Buchs ist bereits geplant, produziert werden soll es von Bratan Productions.

Vom Plattenbaujunge zum Rich Kid

Inzwischen macht Filatov mit all seinen Businesses nach Schätzung von OMR einen siebenstelligen Jahresumsatz. „Meine Einnahmen verteilen sich fast gleichmäßig auf die unterschiedlichen Geschäftsfelder“, sagt der Creator. Er generiert sie durch Werbe- und Kooperationseinnahmen auf seinem Youtube-Kanal, durch Gagen als Schauspieler, Einnahmen als Produzent seiner eigenen Joyn-Serie und durch die Einkünfte aus dem Klamottenlabel. Für das Signing beim Major-Label Universal und den Buchvertrag habe er jeweils Vorschüsse bekommen.

Wie hoch die genau sind, will er nicht sagen, aber „wenn alle Einnahmen wegbrechen würden, könnte ich noch immer vom Buch leben“, sagt er. Sein Geld investiere Filatov momentan vor allem in Kryptowährungen. Angst, es zu verlieren, habe er nicht. „Ich bin es gewohnt, von 400 Euro im Monat zu leben“, sagt er. „Früher hab ich mein Geld in der Spielo verzockt, heute zocke ich Krypto. Das ist doch viel berechenbarer.“

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Florian Heide
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Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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