Die ungewöhnliche Karriere des Bigwave-Surfers und Weltrekordhalters Sebastian Steudtner

Torben Lux17.7.2022

Im OMR Podcast spricht der Extremsportler über die Kluft zwischen der Liebe zum Sport, Kultur und Vermarktung

OMR Podcast Bigwave Surfer Sebastian Steudtner
Bigwave-Surfer Sebastian Steudtner (r.) und Philipp Westermeyer in der Podcast-Kabine im OMR Office.

Er hält den Weltrekord für die höchste jemals erfolgreich gesurfte Welle, ist dreifacher Weltmeister, liefert spektakuläre Bilder – und fristet im Vergleich zu anderen Weltklasse-Athleten dennoch ein Nischendasein. Dass Sebastian Steudtner mehr aus seiner Brand machen könnte, ist ihm völlig bewusst. Er weiß aber auch, dass es nicht alleine daran liegt, dass er beispielsweise seine Social-Media-Aktivitäten bisher eher stiefmütterlich behandelt. Welche Faktoren noch eine Rolle dabei spielen, dass er noch keinen Superstar-Status hat, was die Bigsurf-Kultur so besonders macht und wie man seine Eltern davon überzeugt, mit 16 Jahren nach Hawaii auswandern zu dürfen, hört Ihr in der aktuellen Folge des OMR Podcasts.

Die Bilder von der 26,21 Meter hohen Welle an der portugiesischen Atlantikküste in Nazaré wirken schnell surreal. Im Vordergrund, neben dem roten Leuchtturm, schauen Fans und Presse Richtung Meer. Und mitten in der riesigen Welle, nur als kleiner Punkt sichtbar, surft Sebastian Steudtner. Zwei Jahre ist dieser Ritt schon fast her, aber erst vor wenigen Wochen wurde er von Guiness World Records offiziell als Weltrekord anerkannt. „Das wurde mehr als eine Milliarde Mal gesehen“, sagt der Bigwave-Surfer Steudtner im Gespräch mit Philipp Westermeyer. „Das ist die meistpublizierte Welle aller Zeiten. Mit Abstand.“

Dass ein in Nürnberg aufgewachsener Deutsch-Österreicher einmal eine Extremsportart dominieren würde, die auf diesem Niveau nur wenige Menschen weltweit ausüben, ist eigentlich schon ungewöhnlich genug. Die Geschichte, wie Steudtner überhaupt zum Surf-Sport gefunden hat, macht sie einmalig. Denn schon im Alter von 13 Jahren beschließt er, nach Hawaii auszuwandern, um Windsurfer zu werden. Und nach dem er drei Jahre lang genug Geld angespart hatte, um sich einen Flug nach Honolulu zu leisten – mit einem Job im einzigen Windsurf-Geschäft in Nürnberg – geben seine Eltern grünes Licht.

Highschool-Abschluss in Bretter-Hütten

Die Erlaubnis, mit 16 Jahren auszuwandern, bekommt Steudtner damals auch, weil er sich ein Performance-Windsurf-Internat ausgesucht hatte. „So wurde das zumindest verkauft. In Wahrheit waren das die Eltern von zwei Profi-Surfern. Zwei Ami-Aussteiger, total zugekifft“, erzählt er. „Wir haben in Bretter-Hütten im Garten gewohnt, zum Mittag Instant Nudeln gegessen und zwei Stunden am Tag Online-Highschool alibimäßig gemacht. Dann wurden wir zum Strand gebracht und wenn es dunkel wurde wieder abgeholt.“

Ein paar Monate geht das so. Steudtner hat Talent, lernt schnell schwierige Tricks und gewinnt Sponsoren. Als er im Alter von 17 Jahren in einem deutschen Interview dann erwähnt, die größten Wellen der Welt surfen zu wollen – er hatte zum ersten Mal die riesige Welle „Jaws“ auf Maui brechen sehen – springen über Nacht viele Sponsoren ab. „Ab dann hat sich alles geändert“, erklärt er. „Denn Surfen ist hawaiianische Kultur, Windsurfen nicht. Das wird ausschließlich von Ausländern betrieben.“

Zwischen Kultur und Vermarktung

Wie sehr das Surfen kulturell auf Hawaii verankert ist, lernt er vor allem in den Folgejahren. „Ich habe ein Oberhaupt einer Großfamilie kennengelernt, der Bigwave-Surfer war. Der hat das gerade seinen Söhnen beigebracht, als ich in der Familie aufgenommen wurde“, so Steudtner. Das ist auch sein Startpunkt im Bigwave-Surfen – und wieder lernt er schnell. „Mit 18 oder 19 war ich auf Top-Level angekommen.“ Weil nach dem Interview trotzdem keine Sponsoren mit ihm arbeiten wollen, hält er sich fast sechs Jahre als Bauarbeiter über Wasser. „Ich habe Schwimmbäder gebaut, also Stahl- und Zementarbeit. Da war ich nur noch 20 Prozent Athlet und 80 Prozent Bauarbeiter“, sagt der heutige Weltrekordhalter.

2010 gelingt Sebastian Steudtner dann der – zumindest mediale – Durchbruch. Er surft die größte Welle auf Hawaii, es folgen zahlreichen TV-Auftritte unter anderem bei Markus Lanz und Stefan Raab. Und dennoch: Sponsoren scheinen weiterhin kein Interesse am Ausnahme-Athleten zu haben. „Es gab immer eine große Kluft. Trotz enormer Medienpräsenz hat kein einziger Sponsor auch nur die Tür aufgemacht“, erinnert sich Steudtner. Zeitweise lebt er wieder in Deutschland und verdient sein Geld als Türsteher. „Es gab teilweise schizophrene Erlebnisse. Ich war bei einer Aufzeichnung von Stefan Raab und stand um ein Uhr Nachts wieder an der Tür von einem Club. Die Leute haben mich erkannt, ich war aber pleite und konnte nicht mehr surfen.“

Heute hat der 37-Jährige zwar endlich ein funktionierendes Business – er arbeitet unter anderem mit Porsche an modernen Messsystemen für Wellen-Größen und spricht von einem siebenstelligem Umsatz im Jahr – trotzdem weiß er, dass er untervermarktet ist. „Die Wertigkeit von dem Content in Wertigkeit von mir als Marke und monetäre Wertigkeit umzuwandeln, den Digital-Bereich aufzubauen, von 170.000 auf 1,7 Millionen Follower auf Instagram zu kommen, das ist jetzt glaube ich ein ganz wichtiger Schritt“, stellt er fest.

Mit welchen Hebeln das funktionieren könnte, wie er sich trotzdem gleichzeitig so sehr auf den Sport konzentrieren möchte, wie noch nie zuvor und wie lange sein Körper die extremen Belastungen des Bigwave-Surfens noch aushalten kann, hört Ihr in der aktuellen Folge des OMR Podcasts.

Alle Themen des OMR Podcasts mit Bigwave-Surfer Sebastian Steudtner im Überblick:

  • Über das Auswandern mit 16 Jahren nach Hawaii, kulturelle Gräben und den Weg zum Bigwave-Surfer (00:02:30)
  • Die Gefahren des Bigwave-Surfens und Nazaré in Portugal als Surf-Mekka (00:13:00)
  • Vom Profi-Surfer zum Bauarbeiter zum Medienstar (00:23:20)
  • Das Nachwuchs-Problem des Bigwave-Surfens, die große Steudtner-Doku und Content-Creator-Pläne (00:33:00)
  • Vermarktung eines deutschen Surfers, Unterschiede zu Surf-Legende Kelly Slater und soziale Surf-Projekte (00:47:00)
Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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