Google meint, ein Artikel einer vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft über mich sei für die Öffentlichkeit relevant

Torben Lux30.7.2014
Google-Burschen featured

Wir haben einen Löschantrag gestellt – und von Google einen Korb bekommen

(Screenshot: germania-hamburg.de, Montage: OnlineMarketingRockstars.de)

(Screenshot: germania-hamburg.de, Montage: OnlineMarketingRockstars.de)

Seit Mitte Mai, so hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, kann man bei Google und anderen Suchmaschinen Anträge stellen, um Einträge aus den Ergebnislisten löschen zu lassen. Das „Recht auf Vergessen“ steht seitdem regelmäßig stark in der Kritik, die Pressefreiheit zu unterlaufen. Doch wie läuft der Prozess ab? Wie schnell reagiert Google? Wir haben es zu Demonstrationszwecken ausprobiert und die Löschung eines Links aus den Suchergebnissen beantragt, der mich mit einer rechten bis rechtsextremen Burschenschaft in Verbindung bringen könnte.

Alles beginnt im März dieses Jahres. Als Praktikant schreibe ich schon einige Wochen für die Lokalredaktion der Hamburger Morgenpost, als sich ein Leser mit einem eher außergewöhnlichen Hinweis per Mail an uns wendet. Es geht um die Burschenschaft Germania Hamburg, die, so der Tippgeber, verfälschte oder nachbearbeitete Fotos auf ihrer Homepage nutzen sollen. Demnach tauchen junge, attraktive Frauen auf Partybildern auf, die niemals da gewesen sein sollen. Keine große Sache, denke ich im ersten Moment, beginne kurz darauf aber trotzdem damit, nach der besagten Studentenverbindung zu googeln. Berichte verschiedener Medien motivieren mich dann auch, mir die Fotogeschichte genauer anzuschauen. Der Bund hätte 2013 über die Einführung eines Ariernachweises beraten, nur Deutsche sollten noch Mitglied werden können.

Screenshot Hamburger Morgenpost

Screenshot: mopo.de

Bei der weiteren Recherche können die angeblich verfälschten Fotos durch Googles Rückwärts-Bildersuche dann tatsächlich anderen Seiten zugeordnet werden. Die Bilder der Frauen stammen von einem kroatischen Boulevard-Portal und einer Website aus Brasilien; nachträglich wurde unter anderem eine Reichkriegsflagge hinzugefügt. Ein paar Tage später wird der – durchaus provokante – Artikel „Die Foto-Fälscher aus der der Germanen-Villa“ in der Hamburger Morgenpost veröffentlicht. Und nur kurz darauf folgt die – nicht minder provokante – Reaktion der Burschenschaft. Auf der Homepage von Germania Hamburg steht seitdem eine „ironische“ Replik auf den Artikel, inklusive Verlinkung auf mein XING-Profil. Auch die taz, mitsamt der Redakteurin, die das Thema aufgegriffen hatte, wird verspottet. Der Tenor: Es sei ja offensichtlich gewesen, dass es sich bei den Fotos nur um einen Scherz handle.

Der Löschantrag bei Google

Googelt man heute meinen Namen, stößt man zwar auch prominent auf meine Profile bei Twitter und XING (sowie auf ein Facebook-Profil eines Namensvetters), doch schon auf Platz 3 findet sich Germania Hamburg mit besagtem „Artikel“. Klar: Liest man den Text, wird sehr schnell deutlich, dass ich nichts mit der Studentenverbindung am Hut habe oder hatte – dafür reicht vielleicht sogar auch schon der in den Suchergebnissen angezeigte Textauszug (Snippet). Und trotzdem könnte, bei schneller, oberflächlicher Recherche nach meiner Person, ein für mich mehr als unglücklicher Eindruck entstehen. Immerhin beschäftigt sich auch der Verfassungsschutz seit einigen Wochen wieder mit der Germanen-Truppe. Warum also nicht mit diesem Link das Prozedere des Löschantrags ausprobieren?

Der Antrag selbst ist leicht erstellt und abgeschickt. Google fragt per Onlineformular alle relevanten, personenbezogenen Daten ab. Nach der Eingabe des Namens des Antragstellers inklusive E-Mail-Adresse und des in der Suchabfrage verwendeten Namens muss selbstverständlich noch die jeweilige URL angegeben werden – in meinem Fall also die Seite der Burschenschaft Germania Hamburg. Per Kopie eines Dokumentes, zum Beispiel des Führerscheins, wird die Identität bestätigt. Nach den üblichen anzuklickenden „Habe-verstanden-Kästchen“ und der digitalen Unterschrift gilt es dann nur noch, auf „Senden“ zu klicken. Der Löschantrag wurde erfolgreich abgeschickt.

Sechs Wochen und drei Mails später

Nach der ersten obligatorischen Bestätigungsmail seitens Google, die ich sofort nach dem Absenden des Antrags erhalte, folgt schon zwei Tage später die nächste Nachricht:

„Sehr geehrte Damen und Herren, Weiterhin vielen Dank für Ihre Geduld, während wir den Prozess zur Umsetzung datenschutzrechtlicher Anfragen entwickeln. Ihre Anfrage wird zeitnah bearbeitet werden.“

Das soll jedoch nicht heißen, dass der Antrag kurz vor Abschluss der Bearbeitung steht. Erst sechs Wochen später trudelt die Mail mit der endgültigen Entscheidung ein. Zu meiner Überraschung wird der Antrag abgelehnt. Mit folgender Begründung:

„Nach einer Abwägung der uns bekannten Umstände sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die Anzeige des/der von Ihnen beanstandeten Nachrichtenartikel(s) in den Suchergebnissen von Google derzeit relevant ist und daran nach wie vor ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.“

Googles Lösch-Hinweis

Dieser Hinweis steht seit einigen Wochen am Ende von Googles Suchergebnisliste

Auch wenn es sich bei der von mir beanstandeten URL wohl kaum um einen Nachrichtenartikel handelt, finde ich die Antwort richtig. Eine vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierung sollte auf keinen Fall aus den Suchergebnislisten verschwinden. Meine Überraschung für diesen Ausgang ist dennoch begründet. In den letzten Tagen war mehrfach zu lesen, dass Google im Zweifel für eine Löschung entscheiden würde. Nach letztem Stand sollen von den insgesamt 91.000 eingegangen Löschanträgen nur rund 15 Prozent abgelehnt worden sein. Die Burschen von Germania Hamburg und ich gehören jetzt dazu.

Torben Lux
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Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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