Wie ein Modelscout aus Tiktok heraus eine Amateurmodel-App aufbaut

Florian Heide22.9.2022

Mit 100 Videos in 100 Tagen zur Founders Brand

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Pola-Gründer Adrian Ballosch auf Tiktok. Screenshots: Tiktok/@dermodelscout

Als „dermodelscout“ hat sich Adrian Ballosch auf Tiktok einen Namen gemacht. Nun will er die eigene Amateurmodel-Plattform Pola erfolgreich machen. OMR hat mit dem Gründer über Tiktok als Business Booster gesprochen, wie man eine erfolgreiche Founder Brand aufbaut und warum er glaubt, dass künftig jede*r Creator*in werden kann.

„Hey, du, warte mal. Entschuldigung. Ich bin Model Scout und du hast ein schönes Gesicht“. So beginnen viele der Kurzvideos, mit denen es der 31-jährige Adrian Ballosch auf Tiktok zu fast 64.000 Followern geschafft hat. Die Menschen, die er anspricht, sehen manchmal auffallend schön aus, manchmal auffallend gewöhnlich. Ballosch will sie alle zu Models machen.

Vom Model zum Gründer

Seit Ende 2020 betreibt Adrian Ballosch aus Köln den Tiktok-Account „dermodelscout“. Dort gibt er der Gen Z Tipps, wie man es zum Model schafft – und spricht manche dafür sogar vor laufender Handykamera auf der Straße an. Dahinter steckt eine Strategie. „Ich wollte eine Figur schaffen, die das Thema Modeln auf Social Media in den Fokus rückt“, sagt er im Gespräch mit OMR.

Vor seiner Tiktok-Karriere hat Ballosch die unterschiedlichsten Rollen in der Modelbranche eingenommen. Er war Fotoassistent, hat als Scout für eine Modelagentur gearbeitet, war Fotograf und stand als Model selbst vor der Kamera, für Unternehmen wie Ikea, Ford oder New Balance. Sein Account als Modelscout ist der erste Schritt, um eine Founders Brand ins Leben zu rufen, also ein Startup, in dem der Gründer selbst die Marketing-Story darstellt.

Pola, seine eigene Amateurmodel-Scouting-Plattform, gibt es zwar noch nicht, als er auf Tiktok beginnt. Auf einer Webseite können sich die Leute aber schon vorab registrieren. Über 100 Tage am Stück habe er jeweils ein neues Video hochgeladen. Bis zum Launch der App im Dezember 2021 sammelt Ballosch laut eigener Aussage E-Mail-Adressen von rund 3.000 künftigen Models.

Nach vier Monaten in den App-Charts

Heute, rund zehn Monate nach Launch, seien rund 8.000 Models und 500 Unternehmen registriert. Nach vier Monaten war die App bereits in den Top 20 von Apples Social Media App Charts gelistet. Der Feed zum Scrollen sieht aus wie eine Mischung aus Tiktok und Tinder. Öffnet man die App, ploppt sofort das Bild eines Models in Bildschirmgröße auf.

Eine Mischung aus Tinder und Tiktok: So werden Models und Scouts im Pola-Feed angezeigt. Screenshots: Florian Heide

Wer einem angezeigt wird, lässt sich mit einem Schieberegler filtern, nach Kriterien wie Alter, Größe und Geschlecht. Per Swipe nach rechts können User die Sedcard des Models betrachten und Anfragen versenden. Nur, wenn ein Model die Anfrage akzeptiert, können sie sich per Chat über den konkreten Auftrag austauschen.

Viralhit statt Marketingbudget

Marketeers nutzen die App, um neue Gesichter für den unternehmenseigenen Tiktok-Kanal zu finden, für die Webseite oder die anstehende User Generated Content Kampagne. 4.000 Matches soll Pola schon generiert haben, zu den Kunden gehören unter anderem der Unterwäschehersteller Snocks, das Modelabel Hey Marly oder das Fertigessen-Startup Feel Food.

Zwei Pola-Models werben für Fünf-Minuten-Terrinen des Startups Feel Food. Foto: Adrian Ballosch/Feel Food

Geld für Marketing hat Ballosch bisher nicht ausgegeben. „Wenn eines meiner Videos auf Tiktok viral geht, erhöhen sich sofort die Downloadzahlen“, sagt er. Das heißt aber auch: Ballosch muss Viralität erzeugen, um zu wachsen. Das ist der Nachteil der Founders Brand: Die Marke funktioniert nur, wenn auch der Founder funktioniert.

„Jeder kann heute Model werden“

Ballosch scheint nichtsdestotrotz einen Nerv der Gen Z getroffen zu haben. Laut Branchenumfragen will fast jede*r Fünfte aus der Gen Z als Content Creator Geld verdienen. „Die Meisten wissen aber nicht, wie sie anfangen sollen“, sagt Ballosch. Bei Pola können sie Fotos, ein Reel oder Tiktok-Video von sich hochladen. Sie geben ihre Daten wie Alter, Körpergröße und Kleidergröße an und tauchen dann im nächsten Explore-Feed für Scouts auf.

Pola-Gründer Adrian Ballosch

Der Pola Gründer Adrian Ballosch. Foto: Pola

Konservative Anforderungen an Models wie 90-60-90-Maße oder eine bestimmte Körpergröße gibt es bei Pola nicht. „Jeder und jede kann heute Model werden“, sagt Ballosch. Mit dem Aufstieg der Creator Economy habe sich die Modelbranche von Grund auf verändert. „Als Creator brauchst du heutzutage keine Reichweite mehr und als Model musst du nicht mehr wie eine klassische Schönheit aussehen“, sagt er.

„Content Faces“ nennt er die Menschen stattdessen, ein Pool aus Amateur-Influencern und Kleinstcreatoren, die für Pola teilweise zum ersten Mal vor eine Profi-Kamera stehen wollen. Geht es nach Ballosch, soll die App ihnen die Tür öffnen in die heiligen Hallen der Creator Economy. Der Schlüssel dafür sind ihre Daten.

Namhafte Investoren an Bord

Pola trackt von jedem Profil, wie oft es geliked und gespeichert wird und wie lange die Verweildauer ist. „Langfristig wissen wir so sofort, welcher Typ Model zu welcher Brand passt“, sagt Ballosch. Dafür bleibt die App für Models kostenlos. Unternehmenskunden können ab nächster Woche ein monatliches Abo für 6,99 Euro abschließen. Das ist ein erster Schritt in Richtung einer Monetarisierung der App. Künftig will Ballosch zusätzlich Unternehmen anbieten, das Scouting für sie zu übernehmen. Und ihnen Werbeflächen in der App anbieten.

Balloschs Founders Brand hat Anklang gefunden. 250.000 Euro Funding hat Pola bisher eingesammelt, unter anderem sind Ex-Rose-Bikes CEO Marcus Diekmann und der Startup-Accelerator 360 Ventures aus Offenbach investiert. Außerdem hat Ballosch drei Co-Founder gefunden. Denn obwohl sich bei Founder Brands wie Pola nach außen hin alles um eine Person dreht, eine One-Man-Show ist es deshalb noch längst nicht.

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Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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