Wie man in den Kopf der Amerikaner kommt oder die Geschichte von Stamps.com und Squarespace

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Dieser Post sollte eigentlich eine kurze Mail an Florian Heinemann werden….

550_Gosling1 Gestern Abend bin ich bei einem Abendessen neben Marketing-Vordenker und Project-A-Gründer Florian Heinemann gelandet. Es gibt immer viel zu erzählen und die digitale Marketing-Welt ist reich an Themen. Jeder, der Florian schon mal erlebt hat, kennt den Moment, an dem er besonders interessiert nachfragt und sein Handy zückt, um sich selbst eine Mail zu schreiben als Reminder. So war es auch gestern. Ich wollte ihm nach dem Dinner noch eine kurze Mail mit Links schicken, dann dachte ich: eigentlich Quatsch. Man könnte einen Artikel draus machen und ihm heute den Artikel schicken, dann haben vielleicht noch acht oder neun tausend weitere Leute was davon (heute und übers Wochenende). Im Zusammenhang mit unserem ersten Podcast am Montag ging es auch gestern am Tisch um Podcasts und insbesondere die Geschichte von Stamps.com und ihren Podcast-Marketing-Wahnsinn. Hier ist noch mal die Story und alle Links….(Links, die ich Kollege Heinemann senden wollte, sind markiert).  

Zugegeben: Wir walzen das Thema Podcasts gerade etwas aus, aber schaut doch trotzdem noch mal. Das kanntet ihr noch nicht bislang: Zuletzt haben wir verstärkt darüber geschrieben, wie Podcast-Macher Geld verdienen. Aber das Geld muss ja auch jemand zahlen und jeder der schon mal US-Podcasts gehört hat, kennt die beiden Firmen Squarespace und Stamps.com und kann deren Produkt-Pitch im Schlaf mitsprechen. Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass die Unternehmen fast komplett auf Podcast-Werbung setzen, um sich in den Köpfen von Millionen von Hörern (über verschiedene Podcasts hinweg) zu verankern. Squarespace ist ein Webseiten-Erstellungs-Tool, Stamps.com ermöglicht das Drucken von Briefmarken am heimischen Drucker – Nischenangebote eben. Dabei begleiten Online-Unternehmen wie diese beiden das Podcast-Business schon recht lange. Sie kauften schon vor vier bis fünf Jahren Werbeplätze in Shows mit einer ganz bestimmten Zielgruppe aus Programmierern, Webentwicklern, Business- & Sport-Enthusiasten und anderen Early Adoptern – Tech-Unternehmen auf der Suche nach Tech-Kennern. Seitdem hat sich der Markt aber gewandelt und Squarespace, Stamps.com & Co. landen im Werbe-Mainstream – zumindest ein bisschen.

Promo-Codes als Strategie und Erfolgsmessung

Wenn man sich die Ads von Stamps.com und Squarespace anhört, merkt man mal wieder, wie einfach Marketing manchmal sein kann. Meist liest der Moderator selbst die Werbesätze vor, richtig gute Podcaster wie Bill Simmons bringen sogar eigenen Witz und damit Authentizität in die Sache. Stamps.com lässt seit Monaten, vielleicht sogar Jahren immer die gleiche Nachricht vorlesen – variiert durch den Podcaster selbst. Bill Simmons macht das zum Beispiel so:

„Hey you know how computers are designed to make running a business a lot easier? I think that counts for mailing and shipping too. I dont’t know why you wouldn’t use Stamps.com. You could have 24 hour access to the post office right from your computer. No waiting in line, no hassle. Stamps.com makes mailing and shipping easier. Just use the computer and printer you already have to get official US-postage for any letter, any package. Print it, put it on envelopes, put it on labels, put it on plane paper, hand it to your mail carrier. They’ll take it, you’re good. It’s more powerful than a postage meter. You can avoid those time consuming trips to the post office. And I personally use Stamps.com. And actually you could too if you use the promo-code BS for the special no-risk-trial. It is a 110 Dollar bonus offer, it includes a digital scale up to 55 Dollars of free postage. All you have to do is go to Stamps.com, click on the microphone at the top of the homepage and type in BS. Stamps.com: Check it out!“

So hämmert sich das Unternehmen Schritt für Schritt in die Köpfe der Podcast-Hörer – und zwar in einem guten Sinne. Die vertraute Stimme des Moderators erhöht das Potenzial, dass sich die Hörer länger an die Werbebotschaft erinnern (was sonst soll „native advertising“ sein?). Gleichzeitig zeigt das Unternehmen hinter der Werbung, wie locker man mit dem eigenen Produkt umgeht. Der US-Comedian Bill Burr hatte sich in seiner Show kurz vor dem Valentinstag über seinen Sponsor „Sharri’s Berries ausgelassen. Die Marketing-Abteilung freute sich trotzdem über viele verkaufte Süßigkeiten (Den Link könntest Du Dir mal angucken Florian). „Wir werben in Podcasts wie ‚This American Life‘ nicht, weil wir sofort die Sales erhöhen wollen, sondern weil unsere Zielgruppe den Content schätzt“, sagt Nancy Hubbell, Kommunikationsmanagerin bei Scion (noch so ein Dotcom-Unternehmen) zum Atlantic (Das wäre auch ein Link für Dich gewesen Florian…).

Stamps.com und Squarespace haben ein klares Ziel: neue Kunden bzw. im Bewusstsein potenzieller Kunden landen. Deshalb gibt’s klare Handlungsanweisungen für die Hörer. „Geh auf Webseite XY, gib diesen Promo-Code ein und bekomme den Service zu einem Rabatt von so und soviel Prozent.“ Neben der Kundengewinnung dient der Code dabei auch als eine rudimentäre Erfolgsmessung. Andernfalls lässt sich nur schwer feststellen, wie gut eine Ad funktioniert hat. „Es ist schwer Engagement und die Nutzer-Journey zu messen und Advertiser bekommen eine recht limitierte Reichweite. Unternehmen, die in Podcasts werben, sind da, weil sie eine Nischenzielgruppe erreichen wollen, die sie sonst nicht erreichen“, sagt Derek Lu, Senior Strategist bei der Internetagentur Media Kitchen. Stamps.com umgeht das Reichweiten-Problem durch die Streuung auf viele Podcasts. Allein in der Top100 der US-Charts laufen Stamps.com-Ads laut der Erhebung von FiveThirtyEight bei elf Shows – Squarespace-Ads sogar bei 18. Stamps.com selbst gibt es schon seit 1998 und machte im zweiten Quartal 2015 einen Umsatz von 48,4 Millionen US-Dollar. Seit 2012 ist die Zahl der zahlenden Kunden von 412.000 auf knapp 560.000 gestiegen – ein Großteil dürfte über Podcast-Werbung hinzu gekommen sein.

Noch spielen Großkonzerne keine Rolle

Mittlerweile hören etwa 50 Millionen Amerikaner Podcasts, die Shows sind hochwertig produziert und einfach herunterzuladen. Doch trotz des gestiegenen Interesses der Menschen hat sich die Liste der Unternehmen, die in Podcasts werben, kaum verändert. Laut der Statistik-Seite FiveThirtyEight sind 87 Prozent der Ads in den Top100-Podcasts der USA von Online-Unternehmen (Das wäre der dritte Link für Dich gewesen Florian). Dagegen sind die Top-Werber im Radio Konzerne wie T-Mobile, Geico und Home Depot. Podcast-Werbung ist noch nicht mal besonders billig. Der TKP bei den Top-Shows liegt zwischen 20 und 45 US-Dollar. Da viele Werbe-Botschaften wie oben beschrieben über die Rabatt-Codes leicht-trackbar sind und dennoch unverdrossen über Jahre weitergeworben wird, scheint es sehr gut zu funktionieren. Man erkennt fast Parallelen zu der massiven Werbung von Startup-Firmen in deutschen Sparten-Kanälen.

Dass Podcast-Sponsoring auch für große Unternehmen funktionieren kann, zeigte gerade Ford, das eine ganze Staffel der Show „StartUp“ sponserte – schließlich hören viele Podcasts im Auto. Aber noch ist der Autobauer eine Ausnahme. Nette Anekdote am Rande: Mit etwas Glück geht es für Podcast-Advertiser auch mal richtig durch die Decke. Als der E-Mail-Software-Anbieter Mailchimp im letzten Jahr im weltweit erfolgreichsten Podcast der Welt „Serial“ warb, konnten die Kollegen bei Mailchimp ganz einfach nachgucken, wie gut die Ads funktionieren: Der Witz der Ads war, dass Personen auf der Straße den Firmennamen aussprechen sollten und einige versehentlich „Mailkimp“ sagten. Nach kurzer Zeit ging das Suchvolumen des erfundenen Worts bei Google deutlich nach oben und lag weltweit über den Interesse-Werten von deutschen E-Mail-Toolanbietern wie Optivo, Promio und Kajomi.

Philipp Westermeyer
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