Influencer Marketing: Aus Ihrem Pinneberger Kinderzimmer wollen diese Jungs über eine Plattform Millionenreichweiten vermitteln

Torben Lux11.9.2015
Die Gründer von Nqyer im „Office“. Jan Jatzkowski, Tobias Herzberg und Julian Mohr (v.l.).

Das Startup Nqyer will zwischen Advertisern & Webstars wie Michelle Phan und Sami Slimani vermitteln

Die Gründer von Nqyer im „Office“. Jan Jatzkowski, Tobias Herzberg und Julian Mohr (v.l.).

Die Gründer von Nqyer im „Office“. Jan Jatzkowski, Tobias Herzberg und Julian Mohr (v.l.).

Julian Mohr (25), Jan Jatzkowski (27) und Tobias Herzberg (25) kommen aus der kleinen Gemeinde Borstel-Hohenraden im Kreis Pinneberg bei Hamburg. Gemeinsam wollen sie jetzt vom Kinderzimmer eines Freundes aus eine global agierende Plattform für Influencer Marketing bauen. Der ganz normale, digitale Größenwahnsinn also – könnte man zumindest meinen. Dass Nqyer, wie das Startup heißt, aber durchaus ein gewisses Potenzial besitzt, beweist ein Blick auf das Portfolio: Hier finden sich schon jetzt Social-Media-Stars mit Millionen-Reichweiten, Gespräche mit Branchenpromis wie Sami Slimani und Michelle Phan laufen. Wir haben mit Julian über Nqyers ambitionierte Pläne und den aktuellen Stand gesprochen.

Erst seit ein paar Jahren geistert der Begriff Influencer Marketing durch die Branche und hat sich dafür ziemlich schnell zu einem der Buzzwords überhaupt gemausert. Google Trends beispielsweise zeigt seit dem ersten weltweiten Ausschlag im Oktober 2010 ein stetig ansteigendes Interesse. Und Adweek.com nennt sogar zehn Gründe, warum Influencer Marketing „the next big thing“ ist. Kleiner Fun Fact dazu: In Deutschland sind wir wie gewohnt etwas langsamer und wollen laut Google Trends erst seit Juni 2015 mehr zu dem Thema wissen. Doch Ausnahmen gibt es wie immer natürlich auch hier.

Einige Player sind schon am Influencer Marketing-Markt – jetzt will Nqyer mitmischen

Einer, der nämlich allem Anschein nach das enorme Potenzial von hohen Reichweiten in Sozialen Netzwerken und die daran angeschlossene Vermarktung verstanden hat, ist der ehemalige Bankkaufmann Julian Mohr. Er und seine zwei Mitgründer wollen mit Nqyer jetzt von diesem Hype profitieren und in den Markt einsteigen. Die Plattform will eine zentrale Anlaufstelle im Influencer Marketing sein, die den geschäftlichen Alltag sowohl auf Influencer-, als auch auf Advertiser-Seite vereinfachen soll. „Wir wollen die Kontaktaufnahme mit Influencern so unkompliziert wie möglich machen. Natürlich gibt es schon viele Agenturen, die große Social-Media-Reichweiten unter einem Dach bündeln. Eine zentrale Datenbank als Anlaufstelle, wo neben den ganzen Agenturen auch einzelne Player vertreten sind, gibt es aber bisher nicht. Das wollen wir mit Nqyer ändern“, sagt er gegenüber Online Marketing Rockstars.

Auf Nqyer.com können sich Creator (also Betreiber von Social-Media-Accounts) mit hohen Reichweiten auf der einen und Marken, die Ihre Produkte mit Hilfe von Influencern bewerben wollen auf der anderen Seite registrieren. Für Agenturen und Netzwerke gilt das ebenfalls. Das Geschäft mit Influencern ist dabei nicht ganz neu, auch in Deutschland gibt es schon einige Player am noch jungen Markt. Zu nennen sind unter anderem Brandnew IO aus Berlin, über die wir schon im Juli letzten Jahres geschrieben hatten und dessen Gründer Francis Trapp bei unserer NPA auf der Bühne stand, Pulse Advertising aus Hamburg oder HitchOn.de. Sogar TV- und pilot Hamburg-Mann Andreas Türck springt wohl gerade auf den Zug auf. International geht schon deutlich mehr, was beispielsweise Liz Eswein von Laundry Service bei unserer Online Marketing Rockstars Konferenz erklärt hat. Klar ist: Auch wenn die Branche noch ein wenig in den Kinderschuhen steckt und sich die Geschäftsmodelle von Netzwerk zu Netzwerk teils deutlich unterscheiden, gibt es starke und erfolgreiche Konkurrenz. Einfach wird es mit Sicherheit nicht für Nqyer.

Elf Millionen Follower von Fashion-Accounts, zehn Millionen Follower von Fitness-Accounts und zwölf Millionen Follower von Lifestyle-Accounts. Diese Daten nennt Nqyer auf der Website.

Elf Millionen Follower von Fashion-Accounts, zehn Millionen Follower von Fitness-Accounts und zwölf Millionen Follower von Lifestyle-Accounts. Diese Daten nennt Nqyer auf der Website.

Julian Mohr vergleicht das Portal indessen mit einem Marktplatz im Stil von Xing, nur eben zugeschnitten auf die noch junge Industrie rund um Influencer Marketing. Er sagt: „Momentan ist Influencer Marketing noch ein Schlachtfeld. Eine Grauzone ohne allgemeingültige Regeln. Reicht im Post ein Hashtag mit ‘Sponsored’ oder ‘Anzeige’ aus? Viele machen ja nicht einmal das. Trotzdem finde ich die Diskussion, ob Product Placements moralisch verwerflich seien, schwachsinnig. Erstens ist das kein neues Phänomen, was erst seit Youtube, Instagram & Co. besteht. Und zweitens nörgelt auch kaum jemand über Cristiano Ronaldo, der auf mindestens jedem zweiten Foto aufin sozialen Netzwerken seinen Sponsor Nike präsentiert.“

Erst wenige Woche live und trotzdem internationale Social-Media-Stars im Portfolio

Im Influencer Marketing ist also alles noch ein wenig wie im wilden Westen – was ja besonders bei neuen Nischen im Internet ein bekanntes Phänomen ist. Viele wittern das schnelle, große Geld. Wie sieht also die Monetarisierung bei Nqyer aus? „Für den Anfang setzen wir auf ein reines Abo-Modell, das heißt, für alle Advertiser kostet der Zugang zur Plattform. Aktuell sind es 9,90 Euro für sieben Tage, außerdem erhält man zehn Tokens, die man für den Kontakt mit angemeldeten Influencern braucht und nachkaufen kann“, erklärt Julian Mohr. Also kein typisches Provisions-Modell, was man sonst so kennt? „Stimmt. Für den Anfang arbeiten wir erst einmal so. Der Zugang soll nicht frei sein, weil wir den Influencern auf Nqyer auch wirklich nur ernsthafte Interessenten liefern wollen, bei denen eine Zusammenarbeit Umsatz bedeutet. Mit der kleinen Bezahlschranke treffen wir sozusagen eine erste kleine Vorauswahl. Wir spielen aber auch mit dem Gedanken, in Zukunft Premium-Profile mit Features für Influencer anzubieten, im Zuge dessen auch Provisionsmodelle einzuführen und das Abo-Modell damit abzustellen.“

Obwohl Nqyer erst seit wenigen Wochen live ist, finden sich im Portfolio des Startups schon jetzt einige internationale Influencer mit Mega-Reichweiten, darunter unter anderem Alphacat (3,2 Millionen Follower auf Vine, über 335 Millionen Loops), Rclbeauty101 (4,1 Millionen Abonnenten auf Youtube, eine Million Abos auf Instagram) und Eleventhgorgeous (1,3 Millionen Abonnenten auf Youtube) – alle drei unter Vertrag bei Lennon Management. Aber wie haben die drei Gründer das in einer so frühen Phase des Startups geschafft? Julian Mohr hat die einfache Antwort: „Wir waren im Juni extra bei Euch auf der New Platform Advertising Konferenz, wo Naomi Lennon von Lennon Management ja auch auf der Bühne stand. Da haben wir sie einfach angesprochen, sie hat unsere Idee sofort verstanden und anscheinend auch für gut befunden. Ein paar Tage und Mails später stand dann fest, dass sie uns unterstützt und die Influencer von Lennon Management auf Nqyer vertreten sein werden. Das war natürlich eine extrem wichtige Botschaft nach draußen für alle, die mit dem Gedanken spielen, sich bei uns anzumelden.“

Die Herausforderung, sich von Konkurrenten am Markt abzugrenzen

Aber nicht nur das Portfolio von Naomi Lennon ist bereits bei Nqyer vertreten, laut Julian Mohr sind aktuell insgesamt rund 270 Influencer registriert und täglich kämen etwa zehn dazu. In fortgeschrittenen Gesprächen befinden sich die Gründer mit weiteren prominenten Player wie Youtube-Weltstar Michelle Phan mit ihrer Agentur ipsyOS oder der Vermarktungsgesellschaft von Gelddruckmaschine Sami Slimani, NVC Berlin. Der Durchschnitt seien diese hohen Reichweiten aber natürlich nicht und treten vor allem bei den professionellen Netzwerken und Managements auf, die sich eintragen. Vorrausetzung für einzelne Instagramer beispielsweise sind 10.000 Follower und ein bestimmtes Follower-zu-Like-Verhältnis, Youtuber müssen 5.000 Abonnenten vorweisen können.

Mit diesen Influencern von Lennon Management wirbt Nqyer auf der eigenen Website.

Mit diesen Influencern von Lennon Management wirbt Nqyer auf der eigenen Website.

Der nächste schwierige Schritt für Nqyer dürfte die zu leistende Überzeugungsarbeit bei Brands und Agenturen sein. Bisher sollen laut Julian Mohr schon einige Kampagnen für verschiedene Kunden realisiert worden sein und erste Umsätze im vierstelligen Bereich generiert haben. Die drei jungen Gründer sind aktuell verstärkt auf der Suche nach Investoren. „Wir haben zu dritt mit Favics.com schon einmal gemeinsam gegründet. Das Projekt lief allerdings nicht wie gewünscht an bzw. haben wir währenddessen auch gemerkt, was für ein großes Thema Influencer Marketing wird und schon ist. Wir hatten damals ein Seed-Investment von einem Bekannten erhalten, wovon noch der Großteil zur Verfügung stand. Und weil der Investor damit einverstanden war, nutzen wir das Budget jetzt für Nqyer. Wir sind aber stark auf der Suche nach einer neuen Finanzierung – um die Technik der Plattform zu verbessern und Brands auf uns aufmerksam zu machen. Wir geben bisher ja keinen Euro für Marketing aus“, berichtet Julian Mohr. Einer der Gründer, Jan, sei beispielsweise gerade auf verschiedenen Veranstaltungen in den USA gewesen, um zu potenziellen Investoren Kontakt aufzunehmen. Wieder mit der Unterstützung von Naomi Lennon. „Weil Influencer Marketing dort schon gigantische Züge angenommen hat“, wie Julian Mohr hinzufügt. Handfeste Neuigkeiten gäbe es aber noch nicht.

Für Außenstehende kann es durchaus schwer sein, den Markt für Influencer Marketing zu durchdringen und zu verstehen, wer hier womit Geld verdienen will. Ähnlich wie Multi Channel Networks für Youtuber wollen hier viele Startups an den Reichweiten der unzähligen „Social-Media-Stars“ partizipieren und so selbst zum Star werden. Für den Anfang scheint das Modell auch aufzugehen, jedoch haben wir am Fall von Mediakraft auch alle miterleben können, wie schnell diese empfindlichen Netzwerk-Gebilde zumindest teilweise einstürzen können. Klar ist: Es bleibt spannend im Wilden Westen und wir empfehlen, die Entwicklungen in dieser Branche genau zu verfolgen.

Torben Lux
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Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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