1-Mann-Firma verkauft iPad-Folien: Dank Tech-Youtubern zu sechsstelligem Umsatz im Monat

Martin Gardt3.6.2019

Wie Jan Sapper sein Unternehmen Paperlike durch Kickstarter und Youtube-Influencer in die Köpfe der Kunden bringt

Paperlike-Gründer Jan Sapper
Paperlike-Gründer Jan Sapper

Jan Sapper hat im Alleingang eine Schutzfolie für das iPad auf den Markt gebracht, die das Schreiben und Zeichnen mit dem Apple Pencil angenehmer machen soll. Sein Produkt nennt er Paperlike, weil es sich so anfühle, wie auf Papier zu schreiben. Aber wie mit so einem Nischenprodukt und einer 1-Mann-Firma erfolgreich werden? Sapper hat Tech-Youtuber, die iPads testen, einfach mit seiner Folie ausgestattet und später auch für Werbeslots in ihren Videos bezahlt. Das Ergebnis: sechsstellige Umsätze pro Monat. Wir zeigen, wie das genau funktioniert.

„Ich habe das erste mal einen Apple Pen auf einem iPad ausprobiert und das hat sich einfach falsch angefühlt. Dann habe ich zwei Jahre auf eine Folie gewartet, aber es ist nichts passiert“, sagt Jan Sapper zu OMR. „Die besten Geschäfte entstehen meist, wenn man gar nicht glauben kann, dass es ein Produkt noch nicht gibt.“ Also startet er 2016 neben seinem Job als Produktmanager sein kleines Unternehmen Paperlike. Das Ziel: Eine Schutzfolie für iPads auf den Markt bringen, die das Schreib- und Zeichen-Gefühl mit Tablet-Stiften verbessert.  

Kickstarter als PR-Hebel

Sapper, der zuvor unter anderem beim Hamburger Cloud-Startup Protonet gearbeitet hatte, entwickelt in Hobby-Arbeit die Folie und wählt als Plattform für den Marktstart im Jahr 2017 Kickstarter – vor allem aus Marketing-Gesichtspunkten. „Mit Kickstarter kann man sich den Start eines neuen Produkts vorstellen, wie Mario Kart, wenn man durch einen Stern fährt. Auf der Überholspur“, sagt er. Große Technik-Medien aus der ganzen Welt wie MacLife, Techradar und andere berichten über Sappers Produkt im Zuge der Kickstarter-Kampagne.

Paperlike Kickstarter

Die Kickstarter-Kampagne von Paperlike brachte Jan Sapper über 40.000 Euro Umsatz.

Am Ende sammelt er über 40.000 Euro ein, geplant hatte er mit 1.500 Euro. So hat er sein Produkt im Markt und bekommt obendrauf ausreichend kostenlose Reichweite. „Vom Launch bei Kickstarter bis zur Ausgabe der ersten Marketing-Euros sind zehn Monate vergangen“, sagt Sapper.

Youtuber auf gut Glück ansprechen

In der kompletten Anfangsphase sei das Projekt neben seinem regulären Job gelaufen. „Irgendwann hat mich mein Chef gefeuert, weil ich zu viel Zeit in mein Hobby Paperlike gesteckt habe. Dann dachte ich erstmal: Mist, jetzt muss ich meinen ganzen Lebensunterhalt mit meinem Hobby verdienen“, so Sapper mit einem Lächeln. Er habe also den nächsten Schritt gehen müssen von einem kleinen Kickstarter-Ding, was so nebenher läuft, zu einem echten Business. Für eine ausgefeilte Marketing-Strategie habe aber das Geld gefehlt.

„Ich habe dann jedem Tech-Youtuber, der jemals ein iPad-Review-Video gemacht hat, eine Paperlike-Folie geschickt. Viele haben dann tatsächlich das Produkt erwähnt oder getestet. Der Umsatz hat sich in kürzester Zeit von 20.000 Euro im Monat vervierfacht“, sagt der Paperlike-Gründer. Bei einem Verkaufspreis von knapp 30 Euro verkaufte er schon zu diesem Zeitpunkt über 2.500 Folien im Monat. Die eigentlich eher zufällige Idee mit den Youtubern habe Sapper die Augen geöffnet was das Marketing für sein Produkt angeht. 

Da Nutzer beim Schauen von Bewertungsvideos für ein neues iPad eine hohe Kaufbereitschaft hätten, sei der Fit für ein Produkt wie seines perfekt. Wer sich solche Videos anschaue und nicht das neueste Tablet haben wolle, besitze zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit eines der Vorgängermodelle und passe so trotzdem in die Zielgruppe.

Vollgas auf Youtube-Influencer

Als 2018 das neue iPad Pro auf den Markt kommt, setzt Jan Sapper noch einmal voll auf Review-Videos bekannter Tech-Youtuber. „Bei der nächsten iPad-Ankündigung habe ich Sponsorings in so vielen iPad Review-Videos wie möglich gekauft. In dem einen Monat habe ich 10.000 Euro dafür ausgegeben. Der Umsatz hat sich nochmal vervierfacht“, sagt er. Jetzt leiste er sich ein paar Freelancer und habe einen Partner an Bord, der sich unter anderem um das Performance Marketing kümmern soll. Seine Herangehensweise unterscheidet sich im zweiten Schritt noch einmal vom einfachen Zuschicken seiner Folie an die Youtuber. So genannte Sponsorings auf Youtube ähneln Ad-Formaten in Podcasts. Der Youtuber spricht selbst den „Werbespot“ ein und empfiehlt das Produkt – vor dem eigentlichen Video, mittendrin oder auch am Ende. Sapper habe vor allem Pre-Rolls, also Werbeslots vor den Videos, gekauft.

Sapper habe im Durchschnitt etwa 2.000 Euro pro Sponsoring an jeden Youtuber bezahlt – die jeweils zwischen 150.000 und 800.000 Follower auf der Plattform hatten. Als Richtwerte, was Youtuber mit einer Follower-Zahl von 150.000 für Werbeslots aufrufen würden, nennt er 300 Euro für eine Pre-Roll, 500 Euro für Mid-Roll und 900 Euro für ein Paket aus beiden. Unter den Videos führen dann Links direkt zum Paperlike-Shop – als Conversion-Hilfe bekommen die Nutzer, die von den Youtube-Videos kommen zehn Prozent Rabatt. 

Viel Youtube und sonst nichts?

Wie die Vervierfachung des monatlichen Umsatzes zeigt, funktioniert das Prinzip für den Paperlike-Gründer ziemlich gut. Über die Links kann Sapper genau sehen, welche Youtuber ihm die meisten Käufer bringen. Und die kommen nicht nur direkt nach Video-Veröffentlichung. Da viele Menschen auch Monate später – während der Überlegung jetzt vielleicht ein neues iPad zu kaufen – sich die Videos noch anschauen würden, böten solche Influencer-Kampagnen großes Longtail-Potenzial. 

Die großen Wachstumssprünge durch die Youtube-Strategie seien aber auf Kosten anderer Kanäle gegangen, die einfach nicht so viel Beachtung erfahren hätten. Zwar schalte Jan Sapper Ads bei Facebook und in der Google-Suche, was die organische Reichweite angeht, sei aber noch Luft nach oben. Bei Facebook folgen Paperlike knapp über 1.000, bei Instagram etwas mehr als 5.600 Nutzer. Vor allem den Instagram-Auftritt wolle Sapper demnächst professionalisieren. Schon jetzt nutze das Unternehmen Künstler und Designer als Testimonials und Influencer: „Mit Künstlern, die Paperlike nutzen, führen wir für unser Blog Interviews und die teilen das dann auf ihren Kanälen. Da sind wir aber noch in der Findungsphase“, so der Gründer.

Amazon als kleiner Helfer

Wer derzeit Nischenprodukte wie eine iPad-Folie verkauft, kommt an der größten Verkaufsplattform der Welt nicht vorbei. Deshalb sind auch Sappers Produkte bei Amazon gelistet. „In Sachen Amazon habe ich aber den riesigen Luxus, dass ich immer noch den größten Teil der Produkte über die eigene Webseite verkaufe“, sagt er. „Ich hatte erst Angst, dass Amazon meine Webseite kannibalisiert. Aber die Verkäufe über die eigene Seite sind nach dem Amazon-Start nur um fünf Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig sind die Gesamtverkaufszahlen durch Amazon um 30 Prozent im Plus.“ Trotzdem habe er auch schnell den Nachteil der Plattform erkennen müssen. „Das große Problem an Amazon ist, dass ich keinen direkten Kontakt mehr zum Kunden habe. Deshalb sind die Bewertungen dort auch schlechter, als in meinem Shop“, so Sapper. So eine Folie sei nicht so einfach aufzubringen und wer da einen Fehler mache, sei schnell enttäuscht. Über den Umweg Amazon seien solche Kunden nur schwer erreichbar für Tipps und Austausch-Produkte.

Paperlike Amazon

Paperlike hat auf Amazon weniger gute Bewertungen, als auf der eigenen Webseite.

Was ihn nicht störe, seien Copycats, die sich ebenfalls auf Amazon tummeln würden. Wenn sein Produkt jemand nachmache, habe er ja schon etwas erreicht, so Sapper. Er empfehle jedem, früh die Wortmarke schützen zu lassen, auch wenn das viel Geld koste. Paperlike sei heute sowas wie der Walkman der iPad-Folien für Künstler und Notizenmacher, daher würden viele Kunden auf der Suche nach einem solchen Produkt sowieso bei ihm landen. In einem nächsten Schritt stehe jetzt das Crowdfunding für die zweite Version der Folie an – natürlich wieder bei Kickstarter. Wenn dann Apple im nächsten Jahr neue iPads ankündigt, dürften viele Youtube-Videos über das Gerät voll sein mit gekauften Paperlike-Platzierungen. 

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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