Wie aus „NYU Girls Roasting Tech Guys“ die erste große Social Audio Brand werden könnte

Florian Heide27.4.2021

Die New Yorker Clubhouse-Show "Shoot your Shot" ist nicht nur ein virtuelles Kupplungsformat, es könnte die Social Audio App Clubhouse auch vor dem Untergang bewahren

NYU
Vier der acht Moderatorinnen der Erfolgsshow "Shoot your Shot" waren bei dem Youtube-Kanal Yes Theory zu Gast. Quelle: Youtube

Zum großen Clubhouse-Hype im Februar begannen acht junge New Yorkerinnen mit einer Dating-Show. Das Interesse an der App flaute ab, doch die Live-Show „NYU Girls Roasting Tech Guys“ ist größer denn je. Jetzt zeigen die Macherinnen, dass sie das Potenzial zur ersten großen Social Audio Brand haben. OMR zeichnet nach, wie sie beim Aufbau ihres Business vorgehen.

So schnell wie der Clubhouse-Hype kam (hier zum Nachlesen), war er auch wieder vorbei. Wurde die App im Februar 2021 noch über neun Millionen Mal weltweit heruntergeladen, waren es im März schon nur noch ein Drittel. Parallel dazu beginnen Unternehmen wie Reddit, Twitter und Facebook, eigene Clubhouse-Klone aufzubauen. Das Original, das wenige Wochen zuvor als Pionier für Social Audio Business gefeiert wurde, bleibt trotz seiner Vier-Milliarden-Dollar-Bewertung offenbar vor allem ein Produkt für die Bubble der Business- und Tech-Enthusiasten

Die virtuelle Dating-Bar

Eine ziemlich nischige Angelegenheit also; doch eine Reihe von Influencern schickt sich an, genau das zu ändern. Dazu zählt auch die Gruppe von acht ehemaligen NYU-Studierenden, die ihre Clubhouse-Show „Shoot your shot“ (zu deutsch: Nutze deine Chance) am 10. Februar 2021, mitten in der Corona-Pandemie, zum ersten Mal live hosten.

Die monatlichen Downloadzahlen von Clubhouse sinken deutlich. Quelle: Sensor Tower

In lockerer Bar-Atmosphäre bekommen Leute aus dem Publikum dort von den Moderierenden die Chance, sich anderen als potenzielle Dating-Partner oder zumindest platonische Freunde vorzustellen. Typisch für das Event ist von Anfang an der Gen-Z-Vibe, die Moderierenden sind zwischen 22 und 23 Jahre jung, gebildet und zum Großteil weiblich. Sie nehmen die Vorstellungsrunden der oft nerdig anmutenden NYU-Typen zum Anlass, sie zu „roasten“, also auf unterhaltsame Art und Weise zu verspotten.

Per Zufall zum Hype

Laut Business Insider kommt es bei dem ersten Event im Februar zu einem Software-Fehler in der App, der dafür sorgt, dass User aus anderen Räumen versehentlich in die Live-Session gespült werden. „Plötzlich steckten 800 Leute in unserem Raum fest und mussten uns zuhören“, sagt Devin Lewtan vom Gründungsteam gegenüber Business Insider. Beim zweiten Event sollen es bereits über 4.000 Zuhörende gewesen sein – dieses mal allerdings ohne reichweitensteigernden Bug in der Anwendung.

Heute hat der „NYU Girls Roasting Tech Guys“-Club auf Clubhouse über 13.000 Follower. Die Live-Sessions finden jeden Dienstag und Donnerstag um 10 Uhr abends statt und werden von bis zu 10.000 Leuten besucht. Zu den Sessions gesellten sich bereits Promis wie Twitch-Gründer Justin Kan, New York Times-Autorin Taylor Lorenz (hier im OMR Podcast) oder Youtuber Logan Paul. Der Erfolg der Show löste einen Medien-Hype aus, der bis heute anhält.

„We’re making Love happen“

Wer an den Audio-Events teilnimmt, muss sich dabei einigen strengen Kriterien beugen. Vor allem sind weder das Netzwerken, noch das Pitchen des eigenen Startups oder Deals aushandeln erlaubt, was gerade im business-getriebenen Umfeld von Clubhouse ein Alleinstellungsmerkmal ist. Seth Rosenberg, ein Investor vom Risikokapitalgeber Greylock im Silicon Valley, wurde sogar zurück ins Publikum befördert, nachdem er in seiner Vorstellung erwähnte, dass er eine Freundin habe. „Wenn jemand versucht, zu Netzwerken, greifen wir sofort ein“, sagt Mitgünder Keiran Simunovic gegenüber dem Business Insider.

Trotz der Anti-Business-Attitüde scheint es, als habe das „NYU Girls Roasting Tech Guys“ Event das Potenzial, eine der ersten großen Social Audio Brands mit funktionierendem Businessmodell auf Clubhouse zu werden. Daran scheint auch eine im Hintergrund ablaufende Rassismus-Debatte nichts zu ändern, in der es um die bereits im November von People of Color gehosteten „Shoot your Shot“ Live-Club-Sessions geht. Die wurden im Gegensatz zu den acht überwiegend weißen NYU Girls weder von der Presse aufgegriffen noch von Clubhouse selbst in irgendeiner Art und Weise gefördert.

Stattdessen ist Clubhouse-Co-Founder Paul Davidson mit seinen über fünf Millionen Followern mittlerweile Teil des Moderatorenteams der NYU Girls. Wenn auch nicht als Moderator aktiv, zeigt es doch das besondere Interesse der Plattform an seinen Creator-Sternchen. Auch scheint es kein Zufall zu sein, dass ausgerechnet die NYU Girls auserwählt wurden, um die vor drei Wochen eingeführte Payment-Option früher als andere nutzen zu können. Mit der können User „Trinkgelder“ ohne Abzüge an die Moderatorinnen senden.

Sponsorships und Twitter-Marketing

Weil es in der Social Audio App noch keine ausgereifte Chat-Funktion gibt, haben die NYU Girls einen eigenen Web-Chat eingerichtet, auch hier können Direktzahlungen entgegengenommen werden. Außerdem gingen sie bereits mehrfach zur Zielgruppe passende Sponsorships ein, beispielsweise mit dem Pickelpflasterhersteller Starface, dem Pizzalieferdienst Slices oder dem CBD-Getränkehersteller Recess. Ähnliche Creator nehmen mit solchen Sponsored Events bereits zwischen 1.000 und 5.000 Dollar ein.

Twitter-Marketing für die Partnerschaft der NYU Girls mit dem Pickelpflasterhersteller Starface. Quelle: NYU Girls Roasting Tech Guys Twitter Account

Um ihre neu etablierte Brand zu vermarkten, bedienen sich die Macherinnen vor allem ihren Accounts auf Instagram und Twitter. Dort posten sie Insider-Memes, Best-Of-Videos vergangener Events und kündigen News an, so wie vor zwei Tagen zum Beispiel den Launch von eigenem NYU Girls Merch. Auch hatten sie schon Auftritte in anderen Web-Shows, beispielsweise als Dating-Berater bei der in den USA bekannten Youtube-Brand Yes Theory. Das Video wurde bereits über eine Million Mal geklickt.

Die Clubhouse-Chance

Mit den in der aktuellen Series-C-Finanzierungsrunde bei einer kolportierten Bewertung von vier Milliarden US-Dollar eingesammelten Investorengeldern wolle Clubhouse den Zugang zur App weiter ausbauen. Noch immer gibt es sie nur für das iOS-Betriebssystem. Registrieren kann sich nur, wer eine Einladung von einem bestehenden Mitglied erhält. Außerdem kündigte Clubhouse weitere Monetarisierungs-Features für Creator und ein Accelerator-Programm an, mit dem sie 20 ausgewählte Influencer unter anderem mit jeweils 5000 Euro monatlich unterstützen wollen.

Von neuen Features könnten auch die NYU Girls profitieren. Bisher empfinden die die App nämlich noch als ausbaufähig. Devin Lewtan beschrieb gegenüber dem Business Insider, dass sie während ihren Sessions regelmäßig Screenshots machen würden, um die Hörerzahlen zu tracken. Clubhouse selbst bietet noch kein ausgereiftes Analysetool an. Auch ihren extern betriebenen Live-Chat würden sie gerne direkt in die App integrieren.

NYU Girls signen bei Künstleragentur WME

Clubhouse selbst müsste ein großes Interesse daran haben, solche Creator an ihre Plattform zu binden und damit die eigene App gegen die Silicon-Valley-Konkurrenz zu rüsten. Außerdem erreichen die NYU Girls mit ihrer studentischen, jungen urbanen Zuhörerschaft eine kauffreudige Zielgruppe, was auch für werbetreibende Unternehmen attraktiv sein sollte. Doch sollten sie sich damit besser beeilen, in Expertenkreisen gilt Social Audio schon längst als der nächste große Treiber für eine Reihe neuer Internetstars.

Und auch über den Kreis der Tech-Enthusiasten hinaus haben Unternehmen bereits das Potenzial der jungen Social Audio Brand für sich erkannt: Wie der Hollywoodreporter heute verkündete, haben die NYU Girls gerade bei WME, der größten Entertaintment-Agentur der USA, gesigned. Die Clubhouse-Macher arbeiten zumindest gerade an Ticket-Events mit begrenztem Einlass und Subscription-Modellen auf Basis regelmäßiger Zahlungen. Sollte das gelingen, könnte Clubhouse ein Comeback bevorstehen. Und die NYU Girls wären als Influencer der ersten Stunde ganz vorne mit dabei.

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Florian Heide
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Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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