Nugget Comfort will in diesem Jahr 750.000 Schaumstoff-Couches verkaufen
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Die Betreiberin des Youtube-Kanals "TurnUp With Torres" lässt ihre Töchter demonstrieren, wie leicht Kinder mit einer Nugget Couch Höhlen bauen können (Quelle)
Wie lassen sich zwei Schaumstoff-Faltmatratzen und zwei Polster in ein heißbegehrtes Produkt verwandeln? Die Gründer des US-Startups Nugget Comfort haben offenkundig eine Antwort auf diese Frage gefunden. Die „Nugget Couches“ sind bei US-Eltern so stark nachgefragt, dass zeitweise 200.000 Menschen auf der Warteliste gestanden haben sollen. Eigentlich sollen auf den Polsterkombinationen Kinder herumtollen; offenbar nutzen aber auch die Eltern die Produkte ab und an als „Spielwiese“. OMR erklärt, welche Faktoren die Nugget Couch zu einem solchen Erfolg gemacht haben.
„Dieser Tweet ist für die 200.000 anderen Eltern, die gerade dasselbe erlebt haben: Der Stress, den der Versuch verursacht, eine Nugget Spiel-Couch für meine Kinder zu kaufen, um weitere Quarantäne-Monate aushalten zu können, war nicht die ideale Art, den Tag zu starten. Ich habe es mit allen hässlichen Farben zuerst versucht und trotzdem keine bekommen“, schreibt Emily Dreyfuss (Journalistin und Mutter) im August auf Twitter. Sie sei auch erfolglos gewesen, berichtet infolgedessen eine andere Nutzerin. „Gerüchten zufolge wird es vor Ende des Jahres noch einen weiteren Drop geben“. Ein anderer antwortet: „Meine Frau hat diese Woche endlich die erhalten, die sie vor zwei Monaten bestellt hat. Sie musste sich aber mehrere Wecker für den Moment stellen, in dem sie verfügbar gemacht wurden.“
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Dramen in den „Mom Groups“ auf Facebook
Was für manche beim oberflächlichen Lesen nach enttäuschten Hypebeasts und Streetwear-Kids klingen mag, die beim jüngsten Drop (hier der OMR Explainer dazu) keine der „Pieces coppen“ konnten, sind es in Wahrheit frustrierte Eltern, die erfolglos versucht haben, eine Couch von Nugget Comfort zu kaufen. Und davon gab es im vergangenen Jahr offenbar viele: In englischsprachigen Facebook-Gruppen, in denen Eltern aktiv sind, soll an Tagen, an denen Nugget-Comfort-Produkte im eigenen Online-Shop verfügbar gemacht wurden (die Nachfrage aber das verfügbare Angebot überstieg), von wahren Dramen zu lesen gewesen sein, wie in einem Buzzfeed-Artikel zu lesen ist.
229 US-Dollar kostet die „Nugget Couch“ in der Regel. Sie besteht aus vier Schaumstoffteilen, die beliebig miteinander kombiniert werden können, sowie mit abnehmbaren und maschinenwaschbare Bezügen versehen sind. Die Couch kann einfach als Möbelstück und Sitzgelegenheit dienen, aber auch als Spielzeug: Kinder können damit Burgen oder Höhlen bauen und darauf herumtollen und -hüpfen.
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Wer kaufen darf, bestimmt das Los
Gerade dieser Umstand hat „the Nugget“ wohl in der Corona-Krise unter erschöpften Eltern zum Objekt der Begierde werden lassen: Wenn die durchdrehenden Kinder sich schon nicht mit Gleichaltrigen treffen und dabei austoben konnten, dann zumindest alleine oder mit Geschwistern zu Hause auf Schaumstoffpolstern – während die Eltern vielleicht eine Auszeit nehmen können. Die daraus resultierende explodierende Nachfrage führte zu Lieferschwierigkeiten. „Hier in North Carolina waren wir nicht immun gegenüber Verzögerungen und der Inventarknappheit, die sich auf Lieferketten weltweit ausgewirkt haben“, so das Unternehmen aus der Kleinstadt Butner im vergangenen Oktober in einem Blog-Artikel.
Lange verkauft das Unternehmen seine Produkte in „Drops“, also in begrenzter Stückzahl zu vorher angekündigten Zeitpunkten, was in der Regel zu einem schnellen Ausverkauf führt. Auf Ebay und anderen Marktplätzen werden Nugget Couches häufig für ein Mehrfaches des ursprünglichen Preises angeboten. Im Oktober 2020 stellt Nugget dann auf eine Art Lotterieverfahren um. Mittlerweile sind, nachdem das Startup seine Produktionsstätten erweitert hat, die Nugget Couches wieder allgemein verfügbar. Die Lieferfrist beträgt trotzdem noch acht bis zehn Wochen.
Aktuell werden Nugget Couches auf Ebay USA für das Zwei- bis Dreifache ihres ursprünglichen Verkaufspreises angeboten
Am Anfang stand die falsche Zielgruppe
„The Nugget“ mag ein gut durchdachtes Produkt sein. So sind die Teile offenbar nicht so groß und schwer, dass sie nicht von Kindern bewegt werden könnten; der Stoff der Bezüge ist nicht so glatt, dass die Polster wegrutschen, wenn sie als Rückenlehne genutzt werden. Trotzdem bleibt es erstaunlich, dass rund um eine relativ simple Schaumstoffcouch eine solche Begehrlichkeit entstanden ist. Schließlich könnte sich heute potenziell jeder Kunde über das Netz bei Schaumstoffherstellern ein Sofa nach ganz eigenen Vorgaben bestellen.
Die Nugget Couch war nicht von Anfang der Erfolg, der sie heute ist. Ursprünglich wollten die Gründer David Baron und Ryan Cocca ihre Schaumstoff-Idee an Studenten verkaufen – inspiriert von einem Futon, das Baron in seiner eigenen Uni-Zeit gekauft hatte. Über eine Kickstarter-Kampagne sammeln sie im Jahr 2015 fast 85.000 US-Dollar ein. Sie gewinnen die Möbelhauskette Rooms to Go und den großen Möbel-Online-Shop Wayfair als Vertriebspartner.
Bezüge in „Tautropfen“ oder „Platterbse“
Doch so richtig ins Rollen kommt das Geschäft erst, als Coccas Freundin Hannah Fussell zum Gründerduo stößt, wie bei Buzzfeed zu lesen ist. Fussell ist Grundschullehrerin. Als sie eines der Sofas mit zur Arbeit nimmt, stellt sie fest, wie gut es bei den Schülern ankommt. Den Gründern wird klar, dass sie eine andere Zielgruppe ansprechen müssen: Kinder und Eltern.
Fussell kündigt ihren Job als Lehrerin und überarbeitet das Produkt: Sie wählt für den Stoff einen Bezug, der leichter waschbar ist und bringt neue Farben an den Start. Heute heißen die Farben „Sweetpea“ (Platterbse), „Dewdrop“ (Tautropfen), „Snorkel“ oder „Cactus“. Die Bezüge sind ebenfalls einzeln zum Preis von 99 US-Dollar verfügbar.
Eltern-Influencer sorgen für Mundpropaganda-Effekte
Die Mitgründerin verschickt einige Couches an Eltern-Influencer, die über das Produkt in ihren Blogs und auf Instagram berichten. Besonders viel Aufmerksamkeit erregt offenbar eine „Room Tour“ der Wohnung der ebenfalls aus North Carolina stammenden Designerin und Mommy-Bloggerin Stacey Blake, bei der die Nugget Couch auf einem Foto zu sehen ist. Die Fotos erscheinen auf „Cup of Jo“, dem Blog von Kollegin Joanna Goddard, der offenbar eine niedrige siebenstellige Zahl an monatlichen Besuchern verzeichnet.
Es ist keine Raketenwissenschaft, was Hannah Fussell als Marketingverantwortliche von Nugget betreibt. Doch ganz offensichtlich hat sie Produkt, Zielgruppe und Marketing sehr gut aufeinander abgestimmt – die Nachfrage nach Nugget Couches nimmt nach und nach zu. Die Corona-Pandemie wirkt dann wie ein Brandbeschleuniger.
Was passiert auf dem „Nugget after dark“?
Dafür, dass Nugget Couches auch außerhalb der Sphäre von jungen, gut situierten US-Eltern wahrgenommen werden, sorgt dann ein besonderes Kuriosum. In diversen Facebook-Gruppen rund um Nugget Couches, von denen einige mehrere Tausend Mitglieder verzeichnen, tauschen sich die Nugget-Besitzer nicht nur über das Produkt und dessen Verfügbarkeit aus. Offenbar nutzen einige Eltern die Schaumstoffteile auch gerne als Sexmöbel. Eine Gruppe namens „Nugget after dark“ dreht sich allein um diesen Verwendungszweck.
In dem Artikel von Buzzfeed, der den Erfolg von Nugget erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt macht, wird dieser Umstand nur am Rande erwähnt. Doch in den folgenden Monaten erscheinen weitere Artikel in anderenMedien, die sich alleine auf diesen Aspekt der Geschichte konzentrieren – und eine enorme Aufmerksamkeit kreieren.
Kann Nugget in diesem Jahr 172 Millionen US-Dollar umsetzen?
Als im Dezember 2020 Eltern-Influencerin „Pushing A Stroller In Heels“ in einem Tiktok-Video über das Phänomen berichtet, geht Ihr Video viral. Mütter würden bei Lieferung ihrer Nugget Couch ihre Ehemänner auf der Couch fotografieren – je leichtbekleideter, desto besser kämen die Bilder bei anderen Mitgliedern der Facebook-Gruppen an. Die höchste Ehre sei dann eine Mitgliedsschaft in der „Nugget after dark“-Gruppe. Bis heute ist das Video fast 15 Millionen Mal auf Tiktok abgerufen worden; „Nugget Tok“ wurde zu einem eigenen Phänomen.
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Dem Hersteller der Sofas dürfte die zusätzliche Aufmerksamkeit nicht geschadet haben. 156.000 Nugget Couches hat das Startup im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben verkauft. Das entspräche einem Umsatz von nahezu 36 Millionen US-Dollar Umsatz, wenn man den günstigsten Preis anlegt (manche Farbvarianten waren bis zu 30 US-Dollar höher bepreist). Nicht miteingerechnet sind dabei die Einkünfte aus dem Verkauf von Sofabezügen. In diesem Jahr will Nugget laut Buzzfeed die Produktionszahlen fast verfünffachen – auf rund auf 750.000 Stück. Sollte dies gelingen und das gesamte Inventar verkauft werden, würde das Startup einen Umsatz von fast 172 Millionen US-Dollar erwirtschaften.
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Autor:In
Roland Eisenbrand
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Roland Eisenbrand
Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.