Nerdy Nuts: 500.000 US-Dollar Monatsumsatz mit Erdnussbutter-Drops und Tiktok Influencern

Wie ein SEO und seine Frau nebenher ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut haben

Eigentlich sollte es nur ein „Side Hustle“ sein: Im Sommer 2019 beginnt das Unternehmerpaar Craig Mount und Erika Peterson damit, unter dem Markennamen „Nerdy Nuts“ Erdnussbutter mit besonderen Zusätzen wie Keksen oder Schokolade selbst herzustellen und zu verkaufen. Weil die beiden „Produktentwicklung“, Marketing und Vertrieb sehr geschickt miteinander verzahnen, schießen die Verkaufszahlen jedoch dermaßen in die Höhe, dass das Unternehmen das Wachstum kaum bewältigen kann. OMR erklärt die Strategie hinter dem Erfolg.

„Der Paketbote war gerade da, schaut mal, was das heißt“, beginnt ein Video, das Ali Grace Morsell im Juli 2020 auf Tiktok postet. In dem knapp 60-sekündigen Clip zeigt Morsell dann den Inhalt von zwei „Nerdy Nuts“-Paketen: zwölf Gläser Erdnussbutter in Geschmacksrichtungen wie Oreo Kekse, Weiße Schokolade und Butterscotch. Die Familienmutter aus Fort Rucker in Alabama ist eine „Mommy Bloggerin“. Die Kurzvideos auf ihrem Tiktok-Account drehen sich größtenteils um Kochen und Backen.

Fast 6.000 Sales mit Hilfe von Tiktok Influencerinnen

Rund 260.000 Mal ist Morsells erstes „Nerdy Nuts“-Video bislang auf Tiktok abgerufen worden. Eine durchaus relevante Reichweite, doch für Tiktok, wo erfolgreiche Viralvideos schon einmal neunstellige Views verzeichnen (auch, weil sie in Schleife wiedergegeben werden, die Videos häufig noch deutlich kürzer als 60 Sekunden sind und jede einzelne Wiedergabeschleife als View gezählt wird), gar nicht einmal so viel.

Und doch trägt der Clip entscheidend dazu bei, dass „Nerdy Nuts“ in diesem Monat mit 165.000 US-Dollar einen Umsatzrekord erzielt – eine Verzwanzigfachung innerhalb weniger Tage. „Ich kann es gar nicht genug betonen: Die Leute verschlafen Tiktok“, sagt Nerdy-Nuts-Mitgründer Craig Mount gegenüber The Hustle (das US-Medium hat zu dem Erfolg der Erdnussbuttermarke eine ausführliche Case Study veröffentlicht). „Die Leute denken, dass da nur ein paar Kinder dumme Tänze aufführen, aber so ist es absolut nicht.“ Morsells Video sowie das einer weiteren Influencerin, der Mount und seine Frau kostenlos Erdnussbutter zugeschickt hatten, sollen laut Mount 5.947 Sales generiert haben.

Start mit der Mahlmaschine von Ebay

Eigentlich arbeitet Craig Mount als Gründer und Inhaber der Agentur Classybrain als Suchmaschinenoptimierer. Im Sommer 2017 kauft er für 870 US-Dollar eine Erdnussmahlmaschine bei Ebay, nachdem ein Bistro, in dem er häufig seine Mittagspause verbringt und das auch Erdnussbutter verkauft hatte, Pleite gegangen war. Nach einem Umzug verstaubt die Maschine zunächst in der familieneigenen Garage.

2019 holt Mounts Partnerin Erika Peterson, die zum damaligen Zeitpunkt schwanger ist und nach Beschäftigung und einer Möglichkeit zum Geldverdienen sucht, sie dort wieder heraus. Mit einem Investment von rund 2.500 US-Dollar startet das Paar damals „Nerdy Nuts“. Zunächst verkaufen beide Erdnussbutter in zwei Geschmacksrichtungen auf einem wöchentlichen „Farmers Market“ in ihrem Wohnort Rapid City in South Dakota.

„Das Ben & Jerry’s der Erdnussbutter“

Die Marktbesucher seien die ideale Fokusgruppe gewesen, so Mount: „Wir haben Stunden um Stunden vor echten Kunden verbracht, die wir dabei beobachten konnten, wie sie unsere Produkte probieren.“ Auf Basis dieses Feedbacks passen sie ihre Sorten immer wieder an. Zum Ende des Sommers sei „Nerdy Nuts“ der beliebteste Stand gewesen, der jeden Sonntag rund 1.000 US-Dollar Umsatz gemacht habe.

Mount beginnt, sich über das Erdnussbutter-Business genauer zu informieren, und stellt fest, dass der 1,9 Milliarden US-Dollar schwere Markt zum einen von nur zwei Firmen kontrolliert wird, und dass unter den kleineren Playern die Nische einer Marke, die auf besondere Geschmäcker und Spaß setzt, noch nicht besetzt ist. Nach Gesprächen mit einem PR-Profi schicken er und seine Frau sich an, das „Ben & Jerry’s unter den Erdnussbuttermarken“ aufzubauen.

Präsidenten-Erdnussbutter aus der Garage

Sie bauen einen Online Shop, der durch eine clevere PR-Idee einen ersten Wachstumsschub erlebt: „Nerdy Nuts“ verkauft vier Erdnussbuttersorten, die die vier Kandidaten, die zu diesem Zeitpunkt noch für die US-Präsidentschaftswahlen im Rennen sind, repräsentieren. Weil Fox Business darüber berichtet, macht das „Nerdy Nuts“-Paar in 48 Stunden 20.000 US-Dollar Umsatz – dabei kann ihre einzige Maschine nur 60 Gläser in der Stunde produzieren. Mit Unterstützung von Familie und Freunden arbeiten sie aus ihrer Garage heraus rund um die Uhr, um die Bestellungen zu bewältigen.

Sie entscheiden sich, künftig alleine auf den Direktvertrieb zu setzen – auch der besseren „Unit Economics“ wegen. Ein Becher „Nerdy Nuts“ kostet die Kunden knapp zwölf US-Dollar, bei Produktionskosten von rund fünf US-Dollar. Weil die „Nerdy Nuts“-Macher durch ihr Direct-to-Consumer-Modell die Listing-Gebühren im Handel und andere Vertriebskosten sparen, ist ihre Marge mit 60 Prozent deutlich besser als bei traditionellen Nahrungsmittelmarken.

Supreme, Yeezy – und Nerdy Nuts

Der nächste Wachstumsschub kommt mit zwei weiteren eher ungewöhnlichen Ideen von Craig Mount. Zum einen entscheiden er und seine Parterin sich dazu, besondere Geschmacksrichtungen ihres Produkts in „Drop“-Form zu verkaufen – also in begrenzter Stückzahl und Zeit (wir hatten über Drop Marketing bereits 2018 geschrieben). Zum anderen steigt das „Nerdy Nuts“-Paar in Influencer Marketing ein.

Der erste Test mit Instagram Influencern verläuft noch eher enttäuschend, weil diese in der Zusammenarbeit eher schwierig gewesen seien. „Wenn Instagram Influencer einmal die Marke von 10.000 Followern übersprungen haben, halten sie sich für eine Art Promi“, so Mount gegenüber The Hustle. Zudem hätten die Kooperationen kaum zum Umsatzwachstum beigetragen.

Logistischer Albtraum wird zum Marketing-Traum

Ein ganz anderes Bild ergibt sich, als er und seine Partnerin Videos bei Ali Grace Morsell und Hailey Peters, einer weiteren Tiktok-Influencerin, buchen. Beide sind schon dankbar für die kostenlosen Produktproben. Und die von beiden auf ihren Profilen geposteten Videos zu Nerdy Nuts sorgen im Online Shop der Marke  für eine Steigerung des Umsatzes von zuvor 27.000 US-Dollar auf nun 165.000 US-Dollar. Mount zahlt beiden jeweils zehn Prozent Umsatzbeteiligung – im Fall von Morsell eine Summe, die das Monatsgehalt ihres bei der US-Army arbeitenden Mannes übersteigt.

Mount und Peterson kaufen 17 weitere Erdnussmühlen, stellen 25 Mitarbeiter in Teilzeit an und lassen ihre Produktion von einem Experten optimieren, wodurch sie von da an 4.000 Gläser pro Tag produzieren können. Ihren Shop öffnen sie von da an nur noch einmal in der Woche. Beim ersten Mal sind sie innerhalb von zwei Minuten ausverkauft und haben 80.000 US-Dollar Umsatz generiert. „Aus Logistiksicht war der Ausverkauf ein absoluter Albtraum. Aber aus Marketingsicht war es das beste, was uns passieren konnte“, sagt Mount. Ihr bis dahin erzielter Gesamtumsatz steigt in diesem Monat auf eine halbe Million US-Dollar.

115.000 US-Dollar Umsatz mit einer Sorte an einem Tag

Im September steigt der Monatsumsatz auf 266.00 US-Dollar; im Oktober soll dieser noch einmal deutlich darüber liegen. Alleine mit der Halloween-Sorte „Cookies and Scream“ habe „Nerdy Nuts“ an nur einem Tag 115.000 US-Dollar umgesetzt, was den Jahresumsatz 2020 auf über eine Million US-Dollar gepusht habe.

Schon seit den ersten Wachstumsschüben verzeichnen die „Nerdy Nuts“-Macher enorme Wachstumsschmerzen: Das Unternehmen kommt mit der Bestellabwicklung kaum hinterher, Kunden beschweren sich unter den Instagram Posts über lange Lieferfristen und verschollene Pakete. Das Gründerpaar habe deswegen die Verkäufe schon absichtlich herunter gefahren, um liegengebliebene Bestellungen aufzuarbeiten.

Wird Nerdy Nuts irgendwann einmal verkauft?

Er hätte es bevorzugt, langsam und stetig zu wachsen, so Craig Mount gegenüber The Hustle – räumt aber auch ein, dass ihre Probleme Kleinigkeiten im Hinblick auf die aktuelle Pandemie sind, die Millionen von US-Amerikanern arbeitslos gemacht habe. Er könne sich gut vorstellen, Nerdy Nuts eines Tages verkaufen, sagt Mount außerdem. „Aber wenn morgen alles zusammenbricht, mache ich einfach wieder technisches SEO.“

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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