100 Millionen illegale Views? Wie Trittbrettfahrer mit Mayweather und McGregor abkassieren

So profitieren Nano-Piraten, Blackhats & Youtuber vom Kampf

MayweatherMcGregor

Es dürfte nur wenige Bürger eines westlichen Landes geben, die in den vergangenen Wochen nicht auf irgendeine Weise vom Boxkampf zwischen Floyd Mayweather und Conor McGregor erfahren haben. Die Mega-Aufmerksamkeit rund um das Fight-Event hat auch Online Marketer gelockt, die versucht haben, sich ihr Stück vom Reichweiten- und Umsatzkuchen zu sichern. OMR zeigt, wie genau. Bereits im Vorfeld war das Event zu einer „der größten Kämpfe aller Zeiten“ hochstilisiert worden. Angeheizt wurde die Stimmung dabei auch über die Mega-Reichweiten der Social-Media-Profile der beiden Kontrahenten: So folgen Floyd Mayweather bei Instagram 18,5 Millionen Follower und 13,7 Millionen bei Facebook. Conor McGregor verzeichnet bei Instagram 19,5 Millionen Follower und 7,3 Millionen bei Facebook. Medien griffen die Sticheleien gerne auf und potenzierten die Reichweite. Die Folge: Laut Google Trends überholten bei der Suchmaschine die Anfragen zum Kampf kurzzeitig sogar jene zum Keyword Facebook.

Die Entwicklung der weltweiten Suchanfragen zu den Keywords „mayweather mcgregor“ im Vergleich zu denen zu „facebook“ (Quelle: Google Trends)

Eine Milliarde US-Dollar Gesamteinnahmen?

Vermutlich haben die Veranstalter und die beiden Widersacher diese Aufmerksamkeit ordentlich gemolken. In den USA kostete ein Streaming-Ticket für den Kampf bis zu 100 US-Dollar, in Großbritannien und Irland zwischen 20 und 25 Euro.Die Schätzungen über die Höhe der Gesamteinnahmen, die der Kampf generiert haben soll, rangieren zwischen 700 Millionen und sogar einer Milliarde US-Dollar.

Wenig verwunderlich, dass solche Summen Trittbrettfahrer anlocken, die versuchen, sich ein kleines Stück vom Kuchen abzuzwacken. Wie das Unternehmen VFT Solutions (Anbieter einer Software, mit der Streams überwacht und Urheber ihre Rechte geltend machen können) gegenüber Forbes erklärte, weisen erste Zahlen darauf hin, dass weltweit möglicherweise bis zu 100 Millionen Nutzer einen illegalen Stream des Kampfes angesehen haben. VFT habe mehr als 7.000 partielle sowie komplette Übertragungen des Events registriert, die durchschnittlich von jeweils 14.000 Zuschauern abgerufen worden seien.

„Nano Piraterie“ profitiert von Plattform-Mechanismen

Den Veranstaltern und Inhabern der Übertragungsrechte des Kampfes dürften somit noch weitere beträchtliche Summen durch die Lappen gegangen sein. Natürlich dürften nicht alle Zuschauer eines illegalen Streams bereit gewesen sein, ein Streaming-Ticket zu kaufen. Doch wäre es gelungen, nur einem Prozent dieser Zuschauer ein Ticket für 20 Euro zu verkaufen (möglicherweise ja in niedriger Übertragungsqualität), hätte dies auf einen Schlag Mehreinnahmen von 20 Millionen Euro bedeutet.

Besonders die „Nano Piraterie“ nehme stark zu, so Wayne Lonstein, CEO des Unternehmens, gegenüber Yahoo. So bezeichnet VFT Solutions jene Streams, die mittels Smartphone oder Tablet auf Plattformen wie Facebook Live, Youtube Live oder Twitters Periscope durchgeführt werden. „Dabei werden alle Follower darüber benachrichtigt, dass der jeweilige Account live gegangen ist. Sie müssen noch nicht einmal danach suchen. Deswegen geht es viral, und deswegen ist das so effektiv.“

Fast eine halbe Million Zuschauer mit nur einem Stream

Auch andere Unternehmen beschreiben diese Entwicklung: Der Dienstleister Irdeto, ebenfalls Anbieter einer Rechte-Management-Software, hat 239 illegale Streams des Mayweather-McGregor-Kampfes mit insgesamt 2,9 Millionen Zuschauern identifiziert. Nur 67 seien über extra eingerichtete Streaming-Websites, 165 über Social-Media-Plattformen durchgeführt worden.

Als häufig genutzte Plattform hat sich hier offenbar Facebook Live etabliert. Zwei Screenshots von Facebook-Live-Streams, die Irdeto Forbes und Yahoo zur Verfügung gestellt hat, sollen jeweils 472.000 bzw. 234.000 gleichzeitige Zuschauer zeigen. Ein Screenshot zeigt ein spiegelverkehrtes Bild von McGregor in seiner Ecke des Box-Rings. Möglicherweise haben die Streamer mit diesem simplen Trick die Rights-Management-Lösung von Facebook austricksen wollen – offenbar mit Erfolg.

Ein Screenshot eines illegalen Facebook-Live-Streams des Mayweather-McGregor-Kampfes mit 234.000 Zuschauern (Quelle: Irdeto / Forbes)

Auch auf Twitter lassen sich Screenshots von Nutzern finden, die innerhalb von Facebook auf illegale Livestreams des Kampfes gestoßen sind, die mehrere 10.000 Menschen verfolgten.

Facebook löscht Streams

Wer heute mitgliederstarke deutsche Gruppen bei Facebook durchsucht, findet ebenfalls entsprechende Postings von Nutzern, die den Kampf offenbar gestreamt haben. Doch bei vielen ist der Video-Inhalt mittlerweile offenbar entfernt. Möglicherweise hat Facebook hier noch während der Übertragung eingegriffen.

Ein anonymisierter Screenshot eines in einer Facebook-Gruppe geposteten Livestreams des Kampfes

Über die Motive der Streamer lässt sich nur spekulieren. In jedem Fall dürften die Methode über Facebook Live spannende Inhalte (in diesem Fall illegal) zu verbreiten, aktuell eine der leichtesten und verlässlichsten sein, auf der Plattform schnell Reichweite aufzubauen. Monetarisierbar ist diese auch im Nachhinein – etwa über Affiliate Links. Hinter manchen Streams scheint wiederum nur die Gier nach Geltung und Aufmerksamkeit zu stehen.

188 Millionen Views an einem Tag

Neben Facebook war und ist der Mayweather-McGregor-Kampf auch für Youtube und viele der dort vertretenen Kanalbetreiber ein enormer Traffic-Treiber: 188 Millionen Views habe Googles Video-Plattform rund um das Thema an einem einzigen Tag verzeichnet, schreibt Youtube-Experte Christoph Burseg in einem Facebook-Post. „Das war sicherlich das größte Event auf Youtube in den vergangenen vier Jahren.“

Auch hier wurde fündig, wer suchte: Mehrere offenbar illegale Livestreams verzeichneten hier mehrere 10.000 Zuschauer. Ob hier wirklich der Kampf zu sehen war, lässt sich im Nachhinein verlässlich ermitteln – die Aufzeichnungen der Streams sind nicht mehr online.

Ein mutmaßlich illegaler Livestream auf Youtube, der vorab eine Übertragung des Kampfes ankündigt, und von mehr als 60.000 Menschen gleichzeitig abgerufen wird (bearbeiteter Screenshot)

16 Millionen Views mit quasi null Kosten

Aber auch mit Content rund um den Kampf haben viele Youtube-Kanalbetreiber Views generiert. Laut Bursegs Youtube-Tool veescore haben 36 Kanäle mit Videos zum Thema mehr als eine Million Views an nur einem Tag generiert. Zwei Videos aus der Top 10 sind offenbar wegen Urheberrechtsstreits bereits gesperrt – darunter eines mit acht Millionen Views von Sky Football.

Die abrufstärksten Youtube-Videos rund um den Mayweather-McGregor-Kampf (Quelle veescore)

Das mit 16 Millionen Views abrufstärkste Video stammt von „True Geordie“, einem Fan des britischen Fußball-Vereins Newcastle United, der einen Kanal rund um Sport betreibt. Das Video zeigt lediglich, wie der Kanalbetreiber den Kampf mit Freunden anschaut und kommentiert. Die Übertragung des Kampfes ist nicht zu sehen – auch wenn Titel und Vorschaubilder anderes suggerieren.

Youtube generiert 50.000 Leads für Wettanbieter

Das Video zeigt auch sehr gut, warum Trittbrettfahrer die Aufmerksamkeit für sich nutzen wollen und wie sie diese monetarisieren: Der Werbepartner des Kanalbetreibers, der Online-Wettanbieter Coral wird im Video-Titel und im Vorschaubild genannt. Ein Link zu Coral in der Beschreibung des Videos ist bereits mehr als 50.000 Mal angeklickt worden.

Anders als die „Nano Piraten“ lockten manche Blackhat-Marketer nur mit dem Versprechen eines kostenlosen Streams – das sie am Ende gar nicht einlösen. In einem Thread im Forum Blackhatworld.com beschreibt ein Online-Marketing-Macher, wie er über Social Media Traffic für eine Landingpage generiert, auf der den Zuschauern ein Gratis-Stream in Aussicht gestellt wird: „Social Media ist die einfachste Art, Traffic mit diesem Event zu generieren. Denn die beiden ‚kämpfen‘ ja bereits über Social Media. Jeder folgt diesen Jungs“.

Blackhats zapfen den Traffic an

Blackhats müssten lediglich entsprechende Hashtags nutzen, um sich einen Teil der Reichweite abzwacken zu können. Eine vorgebaute Landingpage bietet der Thread-Ersteller sogar zum Download an. Eines der Forumsmitglieder hat im Thread einen Screenshot aus Google Analytics gepostet, der 640 gleichzeitige Besucher auf seiner Website zeigt. Die Einnahmen, von denen die Mitglieder berichten, rangieren jedoch höchstens im niedrigen Taschengeld-Bereich.

Der Rechteinhaber Showtime hatte laut dem „Independent“ noch wenige Tage vor dem Kampf per einstweilige Verfügung 44 vergleichbare Websites sperren lassen. Diese hatten über Keyword-Stuffing auf der Seite oder im Domainnamen versucht, über Suchmaschinenoptimierung Reichweite zu generieren. Ein Beispiel, das immer noch online ist: die Seite McGregorMayweatherStream.com, auf der mit der gleichen Landingpage wie im Blackhatworld-Forum ein angeblicher Gratis-Stream beworben wird.

Die Website mcgregormayweatherstream.com verspricht einen kostenlosen Livestream (Screenshot)

Uneingelöste Versprechen

Nutzer, die das Angebot annehmen wollen, werden zu einer „Offerwall“ weitergeleitet, auf der sie aus einem von mehreren „Angeboten“ auswählen können. Klickt man sich weiter durch, wird man meist aufgefordert, Telefonnummer und/oder Adressdaten zu hinterlassen. Uns ist es in keinem Fall gelungen, den „kostenlosen Stream“ auf diese Weise freizuschalten.

Indem sie eines der „Angebote“ der Offerwall wahrnehmen, sollen die User angeblich den kostenlosen Stream freischalten können (Screenshot)

Streaming-Rechteinhaber wird verklagt

Ein Treppenwitz der Geschichte: Selbst wer bereit war, zu bezahlen, konnte nicht sicher sein, den Kampf wirklich schauen zu können. Der Stream auf der Website der „Ultimate Fighting Championship“ (UFC) brach zwei Stunden vor dem Kampf zusammen, weswegen schließlich der Hauptkampf sogar nach hinten verschoben werden musste. Wie die „Washington Post“ berichtet sieht das US-Unternehmen Showtime, das den Stream zur Verfügung gestellt hat, sich nun einer Klage von zwei US-Rechtsanwälten gegenüber.

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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