Kein Umsatz und trotzdem drei Milliarden wert: Liliums CEO Daniel Wiegand im OMR Podcast

Der Gründer des E-Jet-Startups über Geschäftszahlen, Ticketpreise und wie er den ländlichen Raum ins 21. Jahrhundert befördern will

Daniel Wiegand Lilium CEO
Lilium-Gründer Daniel Wiegand im OMR Podcast. Foto: Lilium

Wenn es nach Daniel Wiegand geht, werden seine elektrisch betriebenen Flugzeuge noch in diesem Jahrzehnt zur schnelleren Bahn-Alternative und zur nachhaltigen Antwort auf den Helikopter. Im OMR Podcast spricht der Lilium-Gründer über die Milliardenbewertung seines Unternehmens, wie regionale Flugshuttles die Mobilität verändern sollen und verrät, was ein Flug von Hamburg nach Berlin kosten wird.

Das Businessmodell sei von Anfang an klar gewesen: Shuttleflüge und Hochgeschwindigkeitstransporte zwischen deutschen Städten organisieren. „Otto Lilienthal hatte die Vision, die Lüfte zu erobern und das ist auch unsere Vision: Jedermann ermöglichen, regional, leise und nachhaltig zu fliegen“, erklärt Daniel Wiegand. Während seines Master-Studiums an der TU München gründete er im Jahr 2015 Lilium, angefangen hätten sie jeweils mit einem Startkapital von 30.000 bis 40.000 Euro.

Flugzeuge wie aus Sci-Fi-Streifen

Heute arbeiten über 700 Mitarbeiter aus aller Welt für Lilium, das seinen Firmenstandort im oberbayerischen Weßling hat, in der Nähe des Starnberger Sees. Dort tüfteln Ingenieure und Physiker an der ersten Flotte der Zukunftsshuttles: zehn senkrechtstartende, elektrisch betriebene Flugzeuge mit je 36 Triebwerken und Platz für sieben Personen inklusive Pilot.

Laut Wiegand hat der Lilium Jet eine Reichweite von rund 250 Kilometern, soll in einer Höhe von einem bis drei Kilometern fliegen und nur auf ein Hundertstel der Lautstärke eines Helikopters kommen. Bis die ersten Passagiere sich allerdings in etwas über einer Stunde von München nach Zürich fliegen lassen können, wird es noch ein Weilchen dauern: Die Inbetriebnahme des Städte-Shuttle-Services ist für das Jahr 2024 geplant, dann soll es in Deutschland und im amerikanischen Florida losgehen.

250 Euro für die Strecke Hamburg – Berlin

Weil Lilium bis dahin noch keine Gäste befördert, verdient es auch noch kein Geld. Das soll sich aber ab dem Moment des ersten Flugs ändern: „Pro Flugzeug rechnen wir mit einem Gesamtumsatz von fünf Millionen Euro pro Jahr“, sagt Wiegand. Fluggäste bezahlen für den Shuttle-Service, genau wie bei einem innerdeutschen Linienflug. Ein Ticket von Hamburg nach Berlin, also eine Strecke von knapp 290 Kilometern, dauert dann ungefähr 45 Minuten und soll rund 250 Euro kosten – One Way.

Aktuell seien zwar auch die Kosten noch vergleichbar mit denen eines Linienflugs. „Früher oder später wollen wir aber Preise erreichen wie der ICE am Boden“, sagt Wiegand. Bis 2027 will Lilium bereits rund 400 E-Jets pro Jahr in der Münchner Produktionsstätte bauen. Wiegand ist sich sicher: „Nach ein paar Jahren wird es eine riesige Welle geben. Die weltweite Nachfrage nach unseren Jets wird höher sein als unsere Möglichkeiten, zu produzieren.“  Für das gesamte Unternehmen rechnet Wiegand noch in diesem Jahrzehnt mit einem Umsatz im zweistelligen Milliardenbereich.

Frank Thelen als Seed-Investor

Was nach unternehmerischem Euphemismus klingt, spiegelt sich jedoch auch in den Unternehmenszahlen wieder. Frank Thelen stieg schon früh als Seed-Investor bei Lilium mit rund einer halbe Million Euro ein. „Ab da sind wir immer gewachsen“, sagt Wiegand. Bis heute hat Lilium rund 400 Millionen Dollar Investorengelder erhalten. Seit der jüngsten Finanzierungsrunde gilt es als Unicorn, der Unternehmenswert beläuft sich auf rund 3,3 Milliarden Dollar – und das, ohne bisher einen Cent Umsatz generiert zu haben.

„Der Markt für elektrische Senkrechtstarter wird bis 2040 mehrere Billionen (nicht Milliarden, Billionen!) wert sein, erklärt Wiegand und bezieht sich dabei auf eine Studie der amerikanischen Investmentbanking-Gesellschaft Morgan Stanley. Kein schlechter Zeitpunkt also, um an die Börse zu gehen. Der Börsenstart über einen sogenannten Spac (ein vorher dafür gegründetes Mantelunternehmen kauft Lilium dafür auf) steht für Lilium in drei Monaten an, gelistet werden sie an der amerikanischen Technologie-Börse Nasdaq. Wiegand rechnet damit, dass sie durch die Anleger weitere 800 Millionen Dollar einnehmen werden.

Die Revolution der Mobilität?

Aber wie viel Pioniergeist steckt wirklich in dem Produkt? Die Vorteile liegen laut Wiegand klar auf der Hand: Die Jets haben Elektromotoren, können also mit Ökotrom CO2-neutral betrieben werden. Außerdem müssen keine Straßen und Trassen wie bei Zügen gebaut werden, was ebenfalls CO2 sparen würde. Dazu kommt, dass die Auslastung mit bis zu sechs Personen weit über der durchschnittlichen Auslastung von 1,6 Personen pro Auto liegt. „Es ist das nachhaltigste Verkehrsmittel, was wir kennen“, sagt er.

Davon profitieren sollen vor allem ländliche Gegenden und mittelgroße Städte mit schlechter Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz. Die könnten mit einem Investment von je zwei bis fünf Millionen Euro Landeplätze bauen und seien damit umgehend an ein Hochgeschwindigkeitstransportnetz angebunden. Die Fläche, die dazu benötigt werde, sei ungefähr so groß wie ein Omnibusbahnhof, ein einfacher Betonboden reiche aus. Dazu kämen ein Hochspannungsanschluss und entsprechende Ladegeräte. „Damit wollen wir unseren Beitrag zum Problem der Landflucht leisten“, sagt Wiegand, also mit dem Umstand, dass immer mehr Städter in die günstigere, aber schlecht angebundene ländliche Umgebung ziehen.

Aber auch in Großstädten wie München, Hamburg und Berlin soll es kleinere Startplätze für die E-Jets geben. Am Münchner Flughafen ist bereits ein Terminal für die Lilium-Flieger geplant. „Wir wollen das Elektroflugzeug als Massenmittel in der regionalen Luftfahrt etablieren“, sagt Wiegand. Wenn Ihr außerdem wissen wollt, weshalb Digitalisierungsministerin Dorothee Bär in Lilium die Zukunft sieht und warum Wiegand ausgerechnet schlecht bewertete Airlines zum Vorbild nimmt, dann hört Euch unbedingt die neueste Folge des OMR Podcast an.

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Alle Themen des Podcasts mit Lilium-Gründer Daniel Wiegand im Überblick:

  • Warum “Flugtaxi” die falsche Bezeichnung ist und wie das Businessmodell von Lilium funktioniert (ab 4:20)
  • Wie Daniel Wiegand im Master-Studium Lilium gründete und welche Vorteile der fliegende Städte-Shuttle hat (ab 5:50)
  • Wie viele Menschen wird Lilium transportieren können? (ab 8:10)
  • Wann ist das Produkt marktreif? (ab 8:50)
  • Wie groß ist das Unternehmen und wie begann es? (ab 9:30)
  • Mit welchen Firmen lässt sich Lilium vergleichen und weshalb dauert die Markteinführung so lange? (ab 11:00)
  • Wieso Frank Thelen als Seed-Investor einstieg (ab 14:30)
  • Wie hoch die bisherigen Investments sind und wieviel der Börsengang zusätzlich generieren wird (ab 15:30)
  • Welche Investoren sind dabei? (ab 18:30)
  • Wieso Wiegand noch in den 20er-Jahren mit einem Milliardenumsatz rechnet (ab 20:00)
  • Über die Firmenbewertung und den SPAC-Börsengang (ab 22:00)
  • Was sind die technischen und rechtlichen Herausforderungen? (ab 26:00)
  • Welche Konkurrenz hat Lilium weltweit und wie grenzt es sich von Mitbewerbern ab? (ab 32:00)
  • Inwiefern ist Lilium nachhaltig? (ab 35:00)
  • Was kostet ein Flug von Hamburg nach Berlin? (ab 36:30)
  • Warum Lilium in Deutschland und den USA gelaunched wird und wie Lilium das Problem der Landflucht angehen will (ab 39:20)
  • Ab wann plant Lilium, profitabel zu sein? (ab 41:10)
  • Warum ausgerechnet die schlecht bewerteten Fluglinien als Vorbilder für Lilium dienen (ab 41:30)
  • Welche Aufgaben übernimmt Lilium selbst und was wird von Partnern übernommen? (ab 44:00)
  • Wie nimmt Deutschland das E-Jet-Angebot an? (ab 47:00)
  • Die politisch-gesellschaftliche Debatte und wie es zu der Unterstützung von Dorothee Bär kam (ab 48:30)
  • Welche Risiken sieht Wiegand für Lilium und wie geht er persönlich damit um? (ab 53:10)
  • Warum sind Hubschrauber keine Alternative zur Bahn und der E-Jet schon? (ab 55:30)
  • Das Netzwerk der Flug-Startups und gegenseitige Learnings (ab 58:20)
  • Über Wiegands Unternehmensanteile und die Motivation hinter Lilium (ab 60:00)
  • Über bisherige PR- und Marketing-Maßnahmen (ab 1:03:30)
  • Wie wird die Infrastruktur wie Flugplätze gebaut? (ab 65:20)
  • Über die Vorteile von SPAC und die Investment-Partner (1:07:50)
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Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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