Wie eine neue Generation Kosmetik-Brands mit Wissens-Content auf Instagram Erfolge feiert

Martin Gardt9.9.2021

Junglück, NKM, Colibri Skincare, No Cosmetics: Mit einem Mix aus Nachhaltigkeit und Wirkstoff-Fokus zum Millionen-Umsatz

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Inhalt
  1. Ein Influencer zeigt, wie gut Wissens-Content funktioniert
  2. Das US-Vorbild für junge Brands
  3. Durch Zufall ins Beauty-Business
  4. Zwischen Nachhaltigkeit und modernen Wirkstoffen
  5. Social ist der entscheidende Hebel
  6. Der Wettbewerb zieht an

Lange Zeit zählte die Beauty-Industrie vor allem auf schöne Testimonials, später dann Influencer. Immer dabei: Große Versprechen von reiner und gesunder Haut. Gleich mehrere junge Kosmetik-Unternehmen wählen jetzt einen anderen Marketing-Ansatz. Brands wie Junglück, NKM, No Cosmetics, Colibri Skincare und Paula’s Choice klären intensiv über Inhaltsstoffe auf und geben der Beauty-Routine einen wissenschaftlichen Anstrich. Das kommt vor allem auf Instagram gut an, wo die neue Hautpflegemarken-Generation die Grundlage für ein D2C-Business legt. Wir haben uns den Markt genauer angeschaut.

Es ist wie bei Brillen, Matratzen, Rasierklingen, Schuhen: In der Beauty-Branche entstehen junge, unabhängige Unternehmen, die direkt an ihre Kund:innen verkaufen. Einige von diesen machen derzeit den klassischen Marken in der Drogerie mächtig Konkurrenz. Junglück, NKM (Naturkosmetik München), Colibri Skincare oder No Cosmetics gewinnen vor allem bei Instagram neue Käufer:innen in der jungen Zielgruppe – und verstehen diese durch den direkten Zugang am Ende auch noch besser. In nur wenigen Jahren haben es Jungglück und NKM zu Millionen-Umsätzen gebracht. Dabei scheint sich vor allem eine Content-Strategie auf Instagram auszuzahlen. Statt schöner Models zeigen die jungen Marken Inhaltsstoffe und erklären, wie sie wirken. Und genau das scheint auf der Plattform gerade so richtig gut zu funktionieren.

Ein Influencer zeigt, wie gut Wissens-Content funktioniert

Am besten zeigt sich der Trend rund um Inhaltsstoffe-Erklärung an dem Instagram-Creator Leon. Sein Account „xskincare“ kommt mittlerweile auf knapp 620.000 Follower. Im Juni 2020, als wir erstmals über ihn berichten, sind es noch 270.000. Warum explodiert das Wachstum von Leons Kanal? Der Biologie-Student erklärt seinen Followern in jedem Post, welche Inhaltsstoffe in verschiedenen Beauty-Produkten stecken, empfiehlt Cremes für Hautprobleme, vergleicht bekannte Marken. In den Kommentaren beantwortet er viele Fragen aus der Community – und verzeichnet so eine Engagement-Rate von 8,75 Prozent (deutlich höher als bei durchschnittlichen Influencer-Accounts). 

Durch das Posten von Wissens-Content hat sich Leon (seinen Nachnamen will er nicht öffentlich lesen) eine große Glaubwürdigkeit aufgebaut. Und das haben jetzt auch erste Brands erkannt. Nachdem er bereits mit Colibri Skincare ein gemeinsames Produkt (Barrier Booster) herausgebracht hat, folgt aktuell eine Zusammenarbeit mit No Cosmetics. Leons Post zum neuen Produkt vom 1. September 2021 verzeichnet auf Instagram über 114.000 Likes, der Online-Shop des Herstellers bricht zum Start zusammen, in DM-Drogerien ist der „Liquid Hydrator“, ein Feuchtigkeitsgel, direkt ausverkauft. Auf keinem der Werbebilder ist ein Model zu sehen. Im Mittelpunkt stehen das Produkt und die Inhaltsstoffe, die der Creator in seinen Posts zum Verkaufsstart natürlich ausführlich erklärt.

Leon und sein Account „xskincare“ zeigen, wie groß das Interesse der Konsument:innen nach tiefgründigen Informationen rund um Hautpflege ist. Auch Shenja Cerzo steht für den Trend. Auf ihrem Instagram-Account „inci.pedia“ (36.000 Follower) und ihrem Youtube-Kanal (37.500 Abos) gibt auch sie Pflege-Tipps und empfiehlt Produkte. Das INCI in ihrem Accountnamen steht dabei für die Internationale Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe. Unter dem Namen Incipedia vertreibt die Creatorin auch eigene Booster, Gesichtswasser und Hautpflegesets.  

Das US-Vorbild für junge Brands

Diesen wissenschaftlichen Stil in der Außenwirkung hat vor allem die US-Brand „The Ordinary“ in der breiten Masse bekannt und beliebt gemacht. Wie wir schon im Juli 2020 geschrieben haben, kaufen Kund:innen von der Brand Produkte, die nach den Inhaltsstoffen benannt sind. Der Mutterfirma „Deciem“ folgen auf Instagram über 1,4 Millionen Menschen. Und auch hier geht es vor allem um die Inhaltsstoffe, die drinstecken. Diese sind Laborfläschchen nachempfunden, wie Ihr sie aus dem Chemie-Unterricht kennt – inklusive Pipette. 

Auch ältere deutsche Brands profitieren derzeit, weil sie schon länger eher im High-End-Sektor unterwegs sind. Made in Germany steht da für wissenschaftlich fundierte Herangehensweise. Dr. Barbara Sturm ist so zur Skincare-Brand der Hollywoodstars geworden. Babor – lange eine B2B-Marke für Kosmetikstudios – verkauft seine Ampullen jetzt über den eigenen Online-Shop direkt an die Kund:innen. 

Durch Zufall ins Beauty-Business

Eine dieser Marken ist Junglück aus München. Das erst 2018 gestartete Unternehmen zählt knapp 120.000 Follower auf Instagram und wird laut Gründer Benedikt Klarmann in diesem Jahr über eine Million Produkte verkaufen – was zu einem Umsatz im zweistelligen Millionenbereich führen werde. „Ich bin durch Zufall in die Kosmetik geraten. Meine Frau und meine Mutter haben sich immer über ihre Favoriten ausgetauscht, waren aber nie so richtig happy. Ich wollte es besser machen“, erzählt der Junglück-Gründer gegenüber OMR. „Ich bin 34 und seit jeher im E-Commerce unterwegs. Mit 17 habe ich eine Online-Druckerei gegründet und eigentlich nie etwas anderes gemacht.“ Also habe er es mit seiner Online-Handel-Brille einfach mit Hautpflege-Produkten versucht: „Ich hatte Marktplatz-Erfahrung bei Amazon und die ersten Junglück-Produkte erstmal dort getestet. Das hat direkt gut funktioniert und dann habe ich Gas gegeben.“ 

Produktpalette von Junglück

Produkte von Junglück: Von der Optik näher am Chemiebaukasten, als an klassischen Pflegeprodukten.

In der Folge habe Klarmann auf eine Kombination aus Amazon und eigenem Online-Shop gesetzt. „Mit der Zeit habe ich erkannt, dass Amazon als Vertriebskanal nicht so wahnsinnig attraktiv ist. Das ist einfach kein partnerschaftliches Verhältnis. Deshalb sind da derzeit alle Junglück-Produkte ausverkauft und wir überlegen gerade, wie wir weitermachen“, sagt er. „Unser Fokus liegt jetzt voll auf dem Direktvertrieb über den eigenen Online-Shop. Und da ist Instagram ein super relevanter Kanal.“ Hier tummle sich entsprechend auch die Zielgruppe der Marke: jung, weiblich, urban. Der Vertrieb über Drogerien sei in Zukunft möglich, die Daten zu den Käufer:innen und die Möglichkeit auf direktes Feedback durch den D2C-Ansatz aber zu wertvoll, um zu stark in eine Multichannel-Strategie zu wechseln. 

Zwischen Nachhaltigkeit und modernen Wirkstoffen

Wie bei der erfolgreichen US-Brand „The Ordinary“ steht auch bei Junglück das Produkt als Ergebnis wissenschaftlicher Forschung im Mittelpunkt. Niacinamid Serum, Hyaluron Tagescreme und Retinol Creme kommen in braunen Glasfläschchen daher. Auch hier steckt in vielen Produkten die Pipette. Junglück will zusätzlich aber auch mit Nachhaltigkeit überzeugen – sehe sich aber eher als natürliche Kosmetikmarke und laufe bewusst nicht unter dem geschützten Begriff „Naturkosmetik“. „Unser Anspruch: Die Produkte sollen so natürlich und wirkstoffstark wie möglich sein“, so Gründer Klarmann. „Wir wollen aus beiden Welten – der konventionellen und der Naturkosmetik – die besten Wirkstoffe zusammenführen.“ Für das Naturkosmetik-Label hätte die Marke auf Inhaltsstoffe verzichten müssen, die in der modernen Hautpflege einen Platz haben.

Benedikt Klarmann von Junglück

Junglück-Gründer Benedikt Klarmann

Nachhaltigkeit wolle Junglück aber nicht nur mit den Inhaltsstoffen zeigen. „Bei uns ist auch das Drumherum wichtig: Wir nutzen Glas statt Plastik, haben eine Schule in Malawi gebaut, wollen abseits des Produkts unseren Beitrag leisten“, erklärt Benedikt Klarmann. „Ich will beweisen, dass sich Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg nicht ausschließen.“ Für jedes gekaufte Produkt pflanze das Unternehmen deshalb auch einen Baum. Damit der wirtschaftliche Erfolg aber nicht auf der Strecke bleibt, nutzt Junglück die Kombination aus Nachhaltigkeit und Wissenschaft, um 30 bis 40 Euro pro 50 Milliliter Creme oder Serum verlangen zu können. Damit siedelt sich die junge Brand etwa auf dem Niveau von US-Vorreiter „The Ordinary“ an. Zur Einordnung: Professionelle Hautpflege-Produkte im Stil solcher Produkte können auch deutlich teurer sein. Da werden pro 50 Milliliter auch mal 170 Euro fällig.

Social ist der entscheidende Hebel

Um Produkte in dem Segment zu verkaufen, ist die Aufschlauung der Community offenbar der beste Weg: „Wir setzen bei Instagram & Co. auf Content-Qualität und Erklärung. Wir versuchen Wissen zu vermitteln und das ist oft die Motivation, um uns zu folgen“, sagt der Gründer. In langen Captions gibt das Team Anwendungstipps. Immer wieder erklärt die Brand Routinen für bestimmte Hauttypen. „Das Facebook-Universum ist für uns am relevantesten. Besonders Video-Content, wenn er gut gemacht ist, funktioniert hier.“ In Reels zeigen Mitarbeiterinnen von Junglück deshalb ihre Hautpflege-Gewohnheiten, die kurzen Clips kommen meist auf 40.000 bis 50.000 Views. Auch auf Youtube probiert es die Brand mit Info-Inhalten – dort allerdings mit bisher wenig Erfolg

Auf allen Kanälen zeigt sich, dass besonders Content funktioniert, der zusätzlich zu Erklärungen auch mit einem Gesicht daherkommt. Junglück nutzt dafür das eigene Social-Team und Expert:innen, die auch an der Entwicklung der Produkte beteiligt sind (alle Produkte entwickle das Unternehmen im eigenen Labor). So erklärt Produktspezialist Michael immer wieder neue Entwicklungen und Mitarbeiter:innen zeigen, wie sie die Produkte anwenden. „Wir wollen versuchen, unseren Followern ein Gesicht zur Marke zu geben – oder eher mehrere Gesichter, die zeigen, dass wir bunt sind“, sagt Benedikt Klarmann. 

So ganz ohne externe Influencer:innen kommen aber auch die jungen Hautpflege-Brands wie Junglück nicht herum. Diese sind immer noch wichtig, um erste Reichweiten zu generieren. Wobei die eingesetzten Creator nicht unbedingt aus dem Beauty-Bereich kommen, sondern oft die Nachhaltigkeit und Wissenschaftlichkeit in den Mittelpunkt rücken sollen. Die von Jungglück eingesetzten Instagrammer:innen thematisieren auf ihren Kanälen oft nachhaltige Lebensweise, Familie, Body Positivity – Beauty spielt selten vordergründig eine Rolle. Und gerade weil die Influencer:innen oft das Thema Hautpflege nicht ständig spielen, sei eine langfristige Zusammenarbeit und direkter Kontakt dabei wichtig. „Influencer Marketing ist keine Facebook-Ad, die man einfach hochdrehen kann. Deshalb machen wir das von Anfang an persönlich und achten darauf, dass die Influencer zur Marke passen“, so Klarmann.  

Der Wettbewerb zieht an

Die Strategie irgendwo zwischen Inhaltsstoff-Transparenz und Natürlichkeit zieht offenbar so gut, dass es auf dem Markt junger hipper Hautpflege-Marken wohl eher noch voller werden dürfte. No Cosmetics, die gerade mit der „xskincare“-Collabo für Furore sorgen, sind vor allen in Regalen der Drogeriekette DM ständig ausverkauft. Und NKM-Gründerin Mareike Peters, selbst das Gesicht ihrer Marke auf Instagram (116.000 Follower), hat in Hamburg gerade ihr zweites Geschäft in bester Lage eröffnet. Bei NKM können Kund:innen ihre Pflegeprodukte sogar selbst aus Grundstoffen zusammenrühren. Entsprechend steht auch bei NKM Wissens-Content im Zentrum. 

„Es gab die koreanische Bewegung und jetzt spürt man, dass es eine große Nachfrage nach deutschen Produkten gibt. Deshalb glauben wir, dass wir auch international relevant sein können“, sagt Junglück-Gründer Benedikt Klarmann mit Blick auf den Hype um deutsche Hautpflege-Brands. Und trotz großer Konkurrenz bleibt er selbstbewusst: „Aus unserer Perspektive gibt es keinen direkten Wettbewerber, der das identisch macht – auf Produktebene.“ Auf Instagram-Ebene dürfte die Konkurrenz hingegen nur noch größer werden.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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