Schrott-Seiten kopieren Instagram komplett und erreichen Millionen-Reichweiten

Martin Gardt17.9.2018

Seiten wie "Websta", "Pikbee", "Webstagram" oder "Instahu" monetarisieren riesige Reichweiten mit Google Adsense

Instagram Web Viewer
Quelle: Gastanuke

Es sind Traumzahlen: 7,5 Millionen, 3,4 Millionen, 2,8 Millionen Visits. Sie stammen von Webseiten, die den bei Instagram hochgeladenen Content vollständig klauen und auf ihrer eigenen Seite spiegeln – inklusive Fotos, Beschreibung, Hashtags, Kommentare und Likes. Wir zeigen, woher der Traffic kommt und wie die Seiten die Reichweite monetarisieren.

Instagram hat mittlerweile eine Milliarde monatlich aktive Nutzer. Jede Sekunde werden unzählige neue Inhalte auf die Plattform geladen. Davon profitieren offenbar nicht nur Instagram und die Konzern-Mutter Facebook. Im Netz schwirren Hunderte Seiten umher, die den kompletten Content des Bilderdienstes spiegeln und verfügbar machen. Gerade ist der Traffic bei vielen der von uns beobachteten Player explodiert. Aber was steckt dahinter?

Mehrwert mit der Lupe suchen

Die Seiten Webstagram, Websta, Pikview, Yooying, Picbon, Instahu oder Pikdo haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sehen extrem schrottig aus, verzeichnen aber Millionen-Reichweiten. Sogenannte Instagram Online- oder Web-Viewer nutzen die Instagram API (Schnittstelle, die auch Analytics-Programme u.ä. nutzen), um die Inhalte direkt bei Instagram abzugreifen und auf der eigenen Seite auszuspielen.

Instagram Web Viewer

Instagram Web Viewer kopieren einfach die Inhalte von Instagram

Der Mehrwert solcher Seiten tendiert gegen Null. Seitdem der Instagram-Feed auch über Desktop-Browser abrufbar ist, können angemeldete und auch nicht angemeldete Nuzter auf die Inhalte öffentlicher Instagram-Profile zugreifen. Das reine Betrachten von Inhalten kann also nicht die Daseinsberechtigung der Web Viewer sein. Stattdessen versprechen sie, dass Nutzer hier die beliebtesten Hashtags insgesamt oder auch zu bestimmten Themen angezeigt bekommen. Die sind aber meist extrem generisch, wie zum Beispiel #girl, #nofilter, #repost oder #love. Weitere Versprechen, wie populäre Fotos oder beliebte Kanäle anzuzeigen, können die Seiten ebenso wenig halten. Die vorgeschlagenen Bilder scheinen wahllos ausgewählt, als herausragende Kanäle werden Justin Bieber, Kylie Jenner und Leo Messi vorgeschlagen.

Woher kommt der Traffic?

Und trotzdem sind da diese Millionen-Reichweiten. Ein Blick in das Analyse-Tool Similar Web verrät nicht nur, dass eine Seite wie Yooying.com im August 2018 auf etwa 7,5 Millionen Visits kommt, sondern auch, wie die Besucher auf der Seite landen. Die von uns betrachteten Web Viewer verzeichnen zwischen 70 und 92 Prozent Search-Traffic. Dieser kommt wenig überraschend fast zu 100 Prozent von Google und teilt sich noch einmal in solchen von der normalen Suche und solchen über die Bildersuche erreichten auf. Während ein Web Viewer fast 98 Prozent der Zugriffe über die Suche generiert, verzeichnet ein anderer 67 Prozent über die Bildersuche. Insgesamt wird also deutlich, dass viele Nutzer offenbar nach bestimmten Begriffen suchen, die diese Seiten abdecken.

Traffic Instagram Web Viewer

Ein Großteil des Traffics der Web Viewer kommt über Search

Der große Vorteil der Web Viewer ist, dass sie unzählige Keywords und Instagram-Nutzernamen von der Plattform übernehmen. Wer nach dem Instagram-Namen von Justin Bieber oder anderen Prominenten sucht, bekommt solche Seiten in seiner Ergebnisliste angezeigt. Laut dem Analyse-Tool Sistrix hat etwa die Web-Viewer-Seite websta.one über 103.000 Keywords. Für den Großteil des Traffics scheinen Suchanfragen zu sorgen, die den Namen einer Person und den Zusatz Instagram beinhalten. Ein kurzes Beispiel: Der Suchbegriff „Lino Guincale Instagram“ sorgte laut Similar Web im August 2018 für 0,57 Prozent des Traffics von websta.one. Guincale ist ein italienischer Schauspieler mit nur etwas über 7.000 Instagram-Fans. Wer den Suchbegriff eingibt, kommt erstmal nur auf Links zu Instagram, erst auf Seite zwei tauchen die Web Viewer auf. Scheinbar genügt das bei der Masse an Keywords aber für Millionen-Reichweiten.

Viel Platz für Anzeigen

Eine Sache gibt es noch, die alle Instagram Web Viewer verbindet: Sie sind vollgepackt mit Google-Adsense-Bannern. Zum Teil sind diese sogar recht clever als Kachel zwischen den Bildern eingebunden. Wie viel so ein Seitenbetreiber am Ende an der Reichweite verdient, können aber auch wir nur schätzen. Nehmen wir dazu eine durchschnittliche Vergütung von 30 Cent pro Klick auf eine der Ads. Würden 0,1 Prozent der monatlichen Visitor von Yooying.com (7,5 Millionen Visits pro Monat) auf eine der Anzeigen klicken, wären das Einkünfte von 2.100 Euro. Sobald sich die Zahl auf ein Prozent erhöht, sind direkt 21.000 Euro Verdienst möglich.

Adsense Instagram Web Viewer

Google Adsense-Anzeigen sind zum Teil clever in die Kacheloptik eingebettet

Und wie sieht Instagram das Thema? Das Unternehmen wollte sich auf unsere Anfrage nicht zu den Einzelfällen äußern und verweist auf seine API-Richtlinien. Vor dem Hintergrund des Cambridge-Analytica-Skandals hatte Facebook im April 2018 viele Instagram-Schnittstellen plötzlich eingestellt und viele Entwickler verärgert. Die schon länger geplante Abschaltung der veralteten API wurde dadurch beschleunigt. Bisher scheint dies die Funktion der Web Viewer nicht zu beeinträchtigen. Neue Posts verschiedener Instagram-Kanäle sind direkt auch hier online. Im Dezember 2018 sollen Entwickler über die alte Schnittstelle dann auch öffentliche Inhalte nicht mehr automatisch auslesen können, vielleicht geht es dann auch mit den Schrottseiten zu Ende.

Vielen Dank an Christoph Burseg für den Hinweis auf das Thema.

Google AdsenseInstagram
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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