Wie eine neue Generation von Markenmachern mit Schrottprodukten über Instagram reich wird

So funktioniert Brandbuilding mit Hilfe der Kardashians

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Von links nach rechts: Khloe Kardashian, Kim Kardashian und Kylie Jenner (Fotos: Instagram/Collage: Online Marketing Rockstars)

Tees, die beim Entgiften und Abnehmen helfen, Crèmes, die für ein volleres Hinterteil sorgen und Gummibären, die den Haarwuchs stärken sollen – es sind fast komplette Produktkategorien, die einige junge Unternehmer in den vergangenen zwei Jahren aus dem Boden gestampft und in denen sie fast ausschließlich mit Instagram-Posts von Prominenten eigene Marken aufgebaut haben. Online Marketing Rockstars ist tief in das Geschäft eingetaucht, hat einige der Hintermänner ermittelt und erklärt die Mechanismen der Branche. „Schaut Euch an, wie lang meine natürlichen Haare gerade werden, dank meiner Sugarbear Hair Vitamine. Sie schmecken köstlich und sind ein Teil meiner täglichen Haarpflege-Routine geworden. Ich liebe diese blauen Bären!“ – Das schreibt It-Girl Kylie Jenner zu einem von ihr Mitte Juli auf Instagram geposteten Kurzfilmchen, in dem zu sehen ist, wie sie sich einen Gummibär in den Mund steckt.

Gummibärchen, die beim Haarewachsen helfen sollen? Man würde meinen, dass bei einer solchen Produktbeschreibung sich bei den meisten vernünftig denkenden Menschen zumindest leise Zweifel an der Seriosität des Produkts regen würden. Der Kurzfilm wurde bislang fast 11 Millionen Mal abgerufen; 1,5 Millionen Menschen haben auf „Like“ geklickt.

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„Sugarbear Hair“ ist nicht das einzige Produkt, das den intensiveren Nutzern von Instagram möglicherweise schon einmal auf der Plattform begegnet ist und bei dem der einfache Menschenverstand Sinn, Zweck und Wirkung zumindest hinterfragen dürfte. Wer bei Instagram hauptsächlich Stars folgt, der musste zuletzt den Eindruck bekommen, dass die halbe Welt „Detox Tees“ und „natürliche Zahnbleichungsmittel“ nutzt.

Schrottwelle überrollt Instagram-Promi-Profile

In den letzten 12 bis 24 Monaten ist Instagram von einer Welle solcher Produkte, oder gar Produktsparten überschwemmt worden. Der US-Blog Jezebel hatte in einer bemerkenswerten wie beeindruckenden Fleißarbeit für den Artikel „The Big Bad World of Products Celebrities Promote on Instagram“ bereits vor einem Jahr viele von ihnen in einer langen Liste gesammelt: Teemarken wie MateTea, Fittea, Slendertox Tea, Tea Mi, Bootea und Lyfe Tea (mit den „Teatox-Startups hatten wir uns an dieser Stelle bereits einmal ausführlicher befasst), sowie Zahnbleichprodukte wie Coco White, Bright White Smile, Express Smile Atlanta und Mr. Blanc. Der Artikel ist mit einer Vielzahl von Fotos bebildert, mit Prominenten, die das jeweilige Produkt in die Kamera halten und mit ihrem Gesicht dafür werben. Darunter finden sich allen voran die Mitglieder des Kardashian/Jenner-Clans, aber auch Schauspielerinnen und Musikerinnen wie Vanessa Hudgens, Lindsay Lohan, Britney Spears, Lil Kim und Nicki Minaj.

Es lohnt sich, diese Liste einmal in ihrer Gesamtheit zu betrachten, um das schiere Ausmaß dieses Phänomens zu erfassen. Seit dem Jezebel-Artikel sind zudem neue Produkte und Produktkategorien hinzugekommen – „Waisttrainers“ beispielsweise: Korsagen, mit denen die Trägerinnen alleine durch das tragen ihre Taille auf „schlank“ trainieren können sollen. Die Crème Pureleef, deren Hersteller den Nutzerinnen ein fülligeres, attraktiveres Hinterteil verspricht. Und eben die Haar-Gummibärchen Sugarbear Hair.

Teuer und wirkungslos, vielleicht sogar schädlich

Ob auch nur eines der Produkte so wirkt, wie seine Macher es versprechen? Wer nur ein wenig Zeit darauf verwendet, findet über Google diverse Berichte, in denen Ärzte und andere Fachleute zitiert werden, die dies verneinen. Sogar im Gegenteil: Das in einigen Detox Tees enthaltene Abführmittel Senna sei sogar schädlich, wenn es länger als ein bis zwei Wochen eingenommen werde, so eine britische Ärztin. Dieser Umstand wirkt noch dreister, schaut man sich einmal die Preisgebung der meisten Produkte an. Eine Zwei-Wochen-Vorrat an Lyfe Tea (enthält Senna) kostet knapp 35 US-Dollar, ein Monatsvorrat an Sugarbear Hair (rund 60 hauptsächlich aus Zucker bestehende Gummibärchen) kostet 30 US-Dollar, ein Zwei-Wochen-Vorrat am auf Kokosöl basierenden Zahnbleichungmittel Cocowhite schlägt mit rund 20 britischen Pfund zu Buche.

Zumindest aus Marketinggesichtspunkten aber noch interessanter ist dabei: Viele der Marken, für die die Promis auf Instagram werben, waren zuvor überhaupt nicht bekannt; offensichtlich stehen auch keine großen Konsumgüterkonzerne hinter ihnen. Sie sind zuvor weder durch klassische Werbung, noch durch Präsenz im Handel aufgefallen. Augenscheinlich findet der Löwenanteil des Markenaufbaus über Instagram statt.

Das ist auch bemerkenswert, weil es lange hieß, dass im Internet Performance Marketing, also auf Absatz abzielende Werbung, gut funktioniere – beim Aufbau einer Marke aber die klassischen Medien nach wie vor unverzichtbar seien. So wird der große Erfolg vom Online-Händler Zalando zwar auch seinem cleveren Online Marketing zugeschrieben. Der Durchbruch in der Breite sei aber erst durch die TV-Werbung mit dem Slogan „Schrei vor Glück“ (damals noch mit dem Zusatz: „…oder schick es zurück“) erfolgt.

Ohne Anstrengung schöner werden

Offensichtlich hat sich dies (nicht nur, aber auch) durch neue, visuelle Plattformen wie Instagram geändert, die bei vielen jüngeren Verbrauchern jene Funktion übernommen haben, die zuvor Mode- und Lifestyle-Zeitschriften ausübten: Inspiration und Information über neue Mode- und andere Trends zu vermitteln. Und während es durchaus Unternehmen gibt, die über Instagram Marken in einem mehr oder minder seriösen Bereich aufbauen (der Schwede Filip Tysander beispielsweise hat mit Daniel Wellington über Instagram eine Uhrenmarke im Niedrigpreissegment aufgebaut, die im Jahr 2015 220 Millionen US-Dollar umgesetzt haben soll), ist zumindest nach subjektiver Wahrnehmung doch ein Großteil der Produkte von eher zweifelhaftem Wert und Nutzen. Sie alle eint das Versprechen: Mit uns wirst Du schöner und beliebter, auf eine vergleichsweise bequeme Art – eine „Value Proposition“, die auf einer auf die Oberfläche fokussierten Plattform wie Instagram offensichtlich immer wieder funktioniert.

Hinter den neuen Marken stehen ausgebuffte und in der Öffentlichkeit kaum bekannte Unternehmer, die trotz ihres meist jungen Alters bereits Erfahrung mit dem Reichweitenaufbau im Internet haben und davon ausgehend den Markenaufbau vollkommen neu denken. Auf den Websites ihrer Produkte ist der Name des Unternehmensgründers in der Regel nicht zu finden, aber mit ein wenig Recherche lassen sich diese meist herausfinden.

Beauty-Bloggerin und Viral-Publisher als Brandbuilder

Die Macher von Sugarbear Hair beispielsweise sind Nicole Christine Nightly (bürgerlich Nicole Johnson), die sich kurzzeitig einmal als Beauty-Bloggerin und Youtuberin versucht hat, sowie Dan Morris, der zuvor offenbar die an Viralnova, Heftig & Co. erinnernde Seite Viralcrunch.com ins Netz gebracht hat. Das Markenrecht an „Sugarbear Hair“ ist im Besitz der „Besweet Creations LLC“ aus Florida, USA; Manager des Unternehmens sind Nicole Johnson und Dan Morris. Johnson ist ebenfalls Gründerin des Detox-Tee-Unternehmens Skinny Fox.

Hinter dem Detox-Tee Bootea und dem Zahnbleichungsmittel Cocowhite stehen die beiden britischen Jungunternehmer Jonny Teeling und Will Peirce. Beide hatten bereits zu Studentenzeiten die Website Snog.com, ein Flirt-Netzwerk für Studenten gegründet, mit der sie ein Investment in sechsstelliger Höhe vom kanadischen Internet-Unternehmer Kevin Ham einsammeln konnten.

Jonny Teeling (links) und Will Peirce zu Zeiten von Snog.com

Jonny Teeling (links) und Will Peirce zu Zeiten von Snog.com

Immer dasselbe Muster beim Markenaufbau

Die Methoden, mit der diese „neuen Brandbuilder“ die Bekanntheit ihrer Produkte aufbauen, ähneln sich stark. Im Mittelpunkt stehen bezahlte Werbeposts von Stars und Sternchen bei Instagram. Für diese dürften die Macher teilweise viel Geld bezahlen: Die New York Times zitiert in einem Bericht einen Mitarbeiter der US-Agentur Captiv8, laut dem ein Instagram-Influencer mit drei bis sieben Millionen Followern durchschnittlich 75.000 US-Dollar für einen Instagram-Post verlangt. Für einen Post von einem Mitglied des Kardashian/Jenner-Clans, die jeweils meist Follower-Zahlen im hohen achtstelligen Bereich verzeichnen, werde mehreren Berichten von US-Medien meist ein Preis im mittleren sechsstelligen US-Dollar-Bereich fällig. Möglicherweise können die Kunden durch Pakete den Preis senken.

Offensichtlich kann sich eine solche Investition für die Werbekunden lohnen, stellt man die folgende Beispielrechnung an: Von den derzeit knapp 74 Millionen Followern von Kylie Jenner sehen im Idealfall vielleicht 10 Millionen den Post. Wenn die Werbetreibenden 400.000 US-Dollar für diesen bezahlt haben, beträgt der TKP 40 US-Dollar – keine Seltenheit in der Markenwerbung. Fotos der Kardashians und Jenners werden nochmals von vielen anderen Accounts repostet, diese Reichweite kommt also noch hinzu. Zu Bedenken ist außerdem: Die Marken können das aus der Kooperation entstandene Foto nicht nur auf ihrem eigenen Markenkanal posten, sondern auch auf anderen reichweitenstarken Profilen, bei denen Werbeposts aber günstiger sind. Der Instagram-Account NailsArttVidss beispielsweise (8,8 Millionen Follower), postet immer wieder Fotos von Prominenten mit FitTea-Packungen und löscht diese wenige Stunden später.

Redaktionelle Medien spielen den Reichweiten-Steigbügelhalter

Hinzu kommen im Idealfall diverse weitere positive Effekte für die Marke. So werden die Produkte, die High-Profile-Promis wie die Kardashians und Jenners in die Kamera halten, auch immer wieder auf stark frequentierten Mode- und anderen Portalen („Marie Claire“, Yahoo) sowie in Blogs aufgegriffen („Wir haben all die verrückten Produkte ausprobiert, für die die Kardashians werben“). Dadurch erhalten die Marken nicht nur zusätzliche kostenlose Reichweite – sondern erzielen im besten Fall auch noch SEO-Ergebnisse. Dies zeigt sich beispielsweise bei Sugar Bear Hair, die aktuell beim Suchbegriff „hair vitamins“ bei Google auf Platz eins rangieren. All dies sind zusätzliche kostensenkende Effekte.

Der Vertrieb erfolgt bei vielen der „neuen Brandbuilder“ zunächst einmal über einen eigenen Webshop – in der Regel ist dies eine einfache, schnell und kostengünstig einzurichtende Seite beim kanadischen Shop-Anbieter Shopify. Einige nutzen zusätzliche Vertriebswege: Bootea ist beispielsweise in England ebenfalls im lokalen Handel erhältlich (beim Drogeriemarkt Boots), die Macher von Sugarbear Hair verkaufen ihr Produkt als Händler auf Amazons Marktplatz und sind dort aktuell in ihrer Kategorie „Nr. 1 Best-Seller“.

Nicht nur, dass der Verkaufspreis des größten Teils der genannten Produkte hoch ist – sie dürften auch sehr ansehnliche Margen abwerfen. Meist ist der jeweilige für die Produkte verwendete Rohstoff vergleichsweise günstig: Tee bei den Detox-Tees, Kokosöl bei den Zahnbleichungsmitteln, oder Zucker bei den Vitaminbärchen. Wer beispielsweise große Mengen Tee kauft und diese in kleinen Mengen weiterverkauft, kann seine Gewinnspanne beträchtlich maximieren.

22 Millionen Pfund Gewinn in einem Jahr

Das zeigt auch ein Blog-Eintrag von Bootea- und Cocowhite-Macher Jonny Teeling aus dem Februar 2015 , in dem dieser auch über den Gewinn seiner Firma schreibt. „Mit der Tee-Firma ist uns ein Homerun gelungen und wir haben sehr viel Geld verdient“, so Teeling. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir zwei weitere Firmen aufgebaut, die beide jeweils rund 6 Millionen Pfund Gewinn jährlich abwerfen, womit unser gesamtes Portfolio 22 Millionen Pfund pro Jahr erwirtschaftet.“ Zum Zeitpunkt des Verfassens seien er und sein Partner in Verhandlungen gewesen, die Tee-Firma für 40 bis 50 Millionen Pfund zu verkaufen. Bislang ist jedoch von außen kein Eigentümerwechsel zu erkennen gewesen.

Ein Verkauf wäre sicher ratsam: Am Detox-Tee-Segment ist zu erkennen, wie schnell Nachahmer auf den Plan treten und den Wettbewerb verschärfen können. Ein wenig austauschbares und verwechselbares Produkt, wie beispielsweise Sugarbear Hair, verspricht an dieser Stelle möglicherweise langfristigeren Erfolg.

In den vergangenen Monaten sind die Schleichwerbung von Promis in sozialen Netzwerken sowie ein Teil der entsprechenden Produkte zudem verstärkt ins Visier von staatlichen Regulierungsbehörden geraten. So hat die britische „Advertising Standards Authority“ bereits im September 2014 Bootea ermahnt, unter anderem nicht damit zu werben, dass durch den Konsum des Produktes Kalorien verbrannt werden. In den USA richtete sich die Initiative „Truth in Advertising“ in einem öffentlichen Beschwerdebrief an die Handelsbehörde FTC und warf der Familie Kardashian/Jenner vor, ihre bezahlten Posts auf Instagram nicht deutlich genug als Werbung zu kennzeichnen.

Seitdem schicken die Clan-Mitglieder dem Text ihrer Werbeposts den Zusatz „#ad“ vorweg. Ob dies dem Geschäft mit den Werbeposts wirklich ein Schlag versetzt? Das ist zumindest anzuweifeln.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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