So bauen Gronda, 7hauben und Meisterklasse die Creator-Economy der Koch-Profis

Martin Gardt19.9.2022

In der Pandemie haben Koch-Plattformen einen Push erlebt – auch dank bekannter Köche und Köchinnen. Entsteht hier die Zukunft des Kochbuchs?

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Bekannte Kochprofis – auch solche, die im TV auftreten – haben ein Problem: Ihre Rezepte bringen in ihren Restaurants Gerichte auf den Tisch und verkaufen Kochbücher. Eigentlich könnten sie aus ihrem Wissen und Können aber noch so viel mehr machen. Die Lücke haben mehrere deutschsprachige Plattformen erkannt, die nach dem Masterclass-Vorbild gemeinsam mit Koch-Profis aufwendig produzierte Koch-Inhalte im Abo oder auf Einzelabruf anbieten. Wir haben uns angeschaut, wie das Geschäftsmodell funktioniert, wie die Plattformen Zehntausende Abonnent*innen gewinnen und wie Johann Lafer, Haya Molcho, Ludwig Maurer und viele andere zu Koch-Creatorn werden.

Sie heißen Gronda, 7hauben oder Meisterklasse. Es gibt mehrere deutschsprachige Plattformen am Markt, die gemeinsam mit Profi-Köchinnen und -Köchen Video-Kurse anbieten. Damit bieten sie diesen die Chance, ihre Kochkünste zu monetarisieren. Das Konzept der professionellen Online-Kochkurse erinnert an die US-Plattform Masterclass (hier im OMR Porträt). Die hat gezeigt, dass hochwertige Lerninhalte in einem Abomodell funktionieren und wurde zuletzt mit 2,75 Milliarden US-Dollar bewertet. Kann das mit Kochfokus genauso erfolgreich sein?

Aus HR-Tool wird eine Koch-Community

Das österreichische Startup Gronda hat zum Start 2015 keine Sekunde an ein Geschäftsmodell wie das von Masterclass gedacht. „Ich bin im Hotel aufgewachsen und habe mich gleichzeitig immer für Computer interessiert und selbst programmiert. Meine Eltern haben schon immer darüber gejammert, dass sie vor allem im Küchenbereich keine Mitarbeitenden finden“, erzählt Gronda-Co-Gründer Valentin Schütz gegenüber OMR. „Es gab keine Lösung für das Problem. Also habe ich gesagt: Lass uns doch ein Linkedin für Köche bauen.“ Das ist die Ursprungsidee, mit der das Unternehmen 2016 startet. Das Team baut einen Blog und eine Community für die Gastroszene, um Bekanntheit zu gewinnen und eine Jobplattform für Köche und Köchinnen im deutschsprachigen Raum für den Umsatz. „Wir hatten 40 Mitarbeitende. Dann kam Covid. Dienste wie unseren haben Hotels und Restaurants zuerst abgeschaltet. Wir sind vom besten Umsatzmonat im Februar 2020 auf Null Euro Umsatz im März abgerutscht“, so der Co-Gründer.

Valentin Schütz, Gronda-Gründer

Gronda-Co-Gründer Valentin Schütz

Gronda sucht in der Pandemie nach einem neuen Geschäftsmodell. „Wir haben gesehen, dass die Community boomt, obwohl niemand Jobs anbietet oder sucht. Da hatten wir die Idee, Köchen zu helfen, mit ihren Rezepten Geld zu verdienen“, sagt Schütz. Das Team habe erkannt, dass es nicht nur in Pandemie-Zeiten für Kochprofis zu wenige Möglichkeiten gebe, ihre Rezepte, Fähigkeiten, ihr Wissen zu monetarisieren. Es wird also Zeit, den Berufsstand in die Creator Economy zu bringen. 

Das Spotify der Kochprofis?

Gronda-App

Die Gronda-App wirkt wie eine Social-Plattform – nur mit Rezepten und Kochkursen

Aus Gronda wird eine Social-Plattform mit zwei klaren Zielgruppen: Auf der einen Seite Berufs-Köch*innen als Creator und auf der anderen Seite Foodies, die Rezepte nachkochen und bestimmten Koch-Influencer*innen folgen. Das passiert vorrangig in der Gronda-App, die in einen Rezept-Bereich und einen Masterclass-Bereich gegliedert ist. Wer geprüfte, ausführliche Rezepte und die Videokochkurse (Masterclasses) sehen will, zahlt eine Abo-Gebühr von knapp 60 Euro im Jahr. Das Prinzip scheint zu funktionieren: „Mit B2C-Subscriptions haben wir schon in den ersten sieben Monaten eine Million Euro wiederkehrenden Umsatz nur durch organisches Marketing erzielt“, so Co-Gründer Schütz. 

Auf Gronda finden Nutzende derzeit über 3.000 Rezepte und 23 Masterclasses – also Videokochkurse. Jeder kann den Köchen und Köchinnen, die eigene Accounts auf der Plattform haben, dort folgen und wird immer über neue Rezepte des eigenen Küchenidols informiert. Und es geht dabei nicht mal um Koch-Superstars aus dem Fernsehen. Der britische Koch Thom Batemann, der auch auf Instagram über 180.000 Follower hat, kommt bei Gronda auf über 13.000 Abonnent*innen. Arianna Nodale, Pattissier im Hotel Almenhof kommt auf knapp 20.000 Follower auf der Plattform. Jan Hartwig, ehemaliger Küchenchef im Restaurant Atelier, begeistert sogar über 41.000 Abonnent*innen. Und die Kochprofis verdienen daran, wie oft ihre Inhalte bei Gronda abgerufen werden. Sie erhalten eine Provision – so ein bisschen, wie Musiker*innen von Spotify für Streams bezahlt werden.

Mit den besten arbeiten bringt Glaubwürdigkeit

Am meisten Budget nutzt Gronda jedoch für die Produktion der aufwendigen Masterclasses. Die Kochkurse umfassen mehrere Kapitel zu Themen wie Gewürze, Fischtrends, Tartes, Sous Vide oder Gemüse. Protagonisten sind meist die Köche oder Köchinnen mit vielen Followern auf der Plattform. Darunter ist mit Ana Roš eine der besten Köch*innen der Welt, die durch ihren Auftritt in der Netflix-Show „Chef’s Table“ weltweit bekannt ist. 

„Bei den Masterclasses musst du mit den besten der Welt zusammenarbeiten, damit du auch bei anderen Köchen Glaubwürdigkeit aufbaust“, so Valentin Schütz. Gleichzeitig sorge die Zusammenarbeit mit den Stars der Szene auch immer für einen Marketing-Push, allein weil diese die Gronda-App in ihr Umfeld tragen. „Die App selbst verteilt sich viral. In jeder Küche gibt es mindestens fünf, sechs Köche, die sich von unserem Produkt erzählen“, so der Co-Gründer. „Auch die Foodie-Zielgruppe bringt über Word-of-Mouth neue App-Nutzer. Die kochen die Rezepte meist für Freunde und Familie und erzählen dann von Gronda.“

Wachstum über Social

Eine weitere Strategie sei es, Ausschnitte aus den aufwendig produzierten Masterclasses auf Instagram und anderen Plattformen zu posten. „Unsere Key-Kompetenz ist es, viralen Content zu produzieren“, sagt Schütz. Gemeinsam mit seinen Koch-Creatorn postet Gronda zum Beispiel Reels vom Kochprozess, die oft über 200.000, zum Teil über 500.000 Aufrufe generieren. Insgesamt verzeichnet der Gronda-Account auf Instagram mehr als 767.000 Follower. Und die haben auch dazu beigetragen, dass die Gronda-App gerade die 1-Million-Download-Marke übersprungen hat. 

Jetzt gehe es darum, weitere Koch-Creator und Foodie-Nutzer für die Abo-Variante zu begeistern. Derzeit liege der Umsatz bei einem mittleren sechsstelligen Betrag, das Unternehmen wachse in diesem Jahr um das Dreifache im Vergleich zum Vorjahr und sei profitabel. Die Zukunftsvision: „Wir wollen die Nummer 1 in Sachen Monetarisierung für geistiges Eigentum von Köchen werden“, so Valentin Schütz. Gronda soll dann nicht nur der Ort für die Rezepte und Kochkurse sein, sondern auch Kochprofis dabei helfen, Partner und Sponsoren zu finden.

Konzentration auf Masterclasses

Ein etwas fokussierteres Creator-Modell verfolgt das ebenfalls aus Österreich stammende Startup 7hauben. Denn hier dreht sich alles um Videokochkurse. „Unsere ursprüngliche Vision: Wir wollten die auf Facebook zu der Zeit beliebten Tasty-Videos mit Profis machen. Mit der Idee waren wir nur ein, zwei, drei Jahre zu spät“, sagt Gründer Johannes Sailer gegenüber OMR. Das Team habe sich schnell von einer Strategie kurzer viraler Videos verabschiedet. Es folgt ein anderes Videoformat: Koch-Masterclasses. „Ein großes Vorbild ist Masterclass aus den USA. Uns gefällt der Stil und wir gehen selbst gern tief in Themen rein“, so Sailer. Bei 7hauben können Nutzende einzelne Videokochkurse für 50 Euro das Stück kaufen oder alle Kurse im Abo für 170 Euro bestellen. Beides ist derzeit in einem Summer-Sale auf knapp 40 bzw. 120 Euro rabattiert. „Wir glauben, das Abo-Modell funktioniert langfristig besser. Noch machen aber auch die Einzelkurse einen entscheidenden Teil am Umsatz aus. Diese funktionieren vor allem als Geschenk sehr gut“, so der 7hauben-Gründer.

7hauben Kochkurse

Das Startup 7hauben setzt auf bekannte Köch*innen und das Trendthema Backen

Auch für 7hauben markiert Corona eine besondere Zeit in der Firmengeschichte. Das Geschäft boomt in der Phase. „In der Pandemie war besonders Brotbacken ein großer Hype. Da hat der Kurs mit Brot-Blogger Lutz Geißler richtig stark funktioniert“, sagt Johannes Sailer. Auch Star-Koch Johann Lafer und die bekannte TV-Köchin Haya Molcho haben Kochkurse bei 7hauben – insgesamt bietet die Plattform knapp unter 40. Und auch dieses Startup überzeugt die Köch*innen mit neuen Monetarisierungs-Möglichkeiten. Zu Beginn zahlt 7hauben noch eine Umsatzbeteiligung, die sich nach der Abrufzahl des jeweiligen Kochkurses richtet. Jetzt zahle das Unternehmen lieber ein Garantie-Honorar noch vor der Veröffentlichung.

Die Creator helfen mit der Reichweite

Wie Gronda setzt auch 7hauben auf die Strahlkraft seiner Creator, wenn es um das Marketing geht. „Die Meta-Plattformen sind unser wichtigster Paid-Kanal. Dort schalten wir auch über die Accounts unserer Partner-Köche Anzeigen. Die sind in bestimmten Zielgruppen einfach bekannter als unsere Marke“, so Johannes Sailer. Ebenso gut funktioniere die Integration in die Blogs einzelner Kochprofis, wie etwa bei Brot-Experte Lutz Geißler und seinem Plötzblog. Im vergangenen Jahr habe das Unternehmen zwei Millionen Euro Umsatz gemacht. 

Nächstes Ziel sei die Internationalisierung: „Wir sind im Austausch mit Unternehmen, die das Geschäftsmodell in Holland und Spanien bespielen. Wir werden da Kurse untereinander austauschen und mal sehen, wie gut das funktioniert“, erzählt der 7hauben-Gründer. „Es braucht lokale Produzenten für das Heimatpublikum. Aber im großen Scale klappt unsere Idee nur, wenn wir mit internationalen Playern zusammenarbeiten.“ 

Die größte Promi-Dichte

Der dritte deutschsprachige Koch-Masterclass-Player ist Meisterklasse aus Forst an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz. Das Startup hat seine Kochkurse aus Sicht der großen Masse sicherlich am prominentesten besetzt. Hier gibt es Videokurse von TV-Koch Roland Trettl, Fleisch-Experte Ludwig „Lucki“ Maurer“, Asien-Profi The Duc Ngo oder demnächst der jungen Starköchin Viktoria Fuchs. Die Kurse kosten einzeln in der Regel 89 Euro, das gerade eingeführte Abo für alle Kurse liegt bei 14,80 Euro im Monat. „Da wir das Abomodell gerade erst im 22. Juli 2022 eingeführt haben, ist der Anteil an Abos natürlich noch deutlich geringer, als der der Einzelabrufe“, erklärt Andreas Leonhard, Co-Founder und CMO von Meisterklasse, gegenüber OMR. „Wir gehen davon aus, dass wir bis Ende des Jahres bei 30 Prozent Abo und 70 Prozent Single Sales stehen.“ 

Meisterklasse Kochkurse

Bei Meisterklasse zeigen viele prominente Kochprofis ihr Können in Videokursen

Auch bei Meisterklasse soll es in Zukunft erkennbar Richtung Creator Economy für Kochprofis gehen. Es sei ein Online-Shop in Planung, in dem von den Köch*innen empfohlene Produkte, deren Produkte und zu den Kursen passende Produktpakete angeboten werden. Dieser solle noch dieses Jahr online gehen. Bei der Vermarktung all dieser Angebote helfen bei Meisterklasse natürlich auch wieder die Creator. Das Unternehmen selbst hat über 25.000 Follower auf Instagram und schaltet auf den Plattformen Ads. 

Eine Hand wäscht die andere

Noch hilfreicher sind Posts der „Meister“. „Wenn Roland Trettl mit knapp 390.000 Instagram-Followern zu seinem Meisterklasse-Kurs postet, ist das natürlich sofort spürbar. Aber auch ein Post von The Duc Ngo mit 80.000 Followern wirkt, da seine Zielgruppe ein sehr hohes Engagement zeigt“, erzählt Leonhard. „Es sind aber nicht nur die Social-Media-Kanäle. Harald Wohlfahrt trägt auf allen Events, auf denen er kocht, seine Meisterklasse-Schürze und spricht die Meisterklasse aktiv in Interviews an. Dazu kommt, dass viele unserer Köche eine starke TV-Präsenz in Formaten wie ‚Kitchen Impossible‘ oder ‚Das große Backen‘ haben. Auch hier können wir immer wieder deutliche Peaks in den Absätzen ableiten.“ 

Denn klar: In der neuen Creator-Welt haben Kochprofis eine Eigenmotivation, ihre Kurse anzupreisen, wenn sie an den Umsätzen beteiligt werden. Meisterklasse konnte mit seinen Marketing-Strategien bisher 25.000 Nutzende gewinnen und machte 2021 einen Umsatz von 1,1 Millionen Euro. Noch sind die deutschen Koch-Masterclass-Player also keine Milliarden wert. Aber die Sparte der Koch-Creator legt offenbar gerade erst los.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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