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fritz-kola-Gründer Mirco Wiegert: „Es ist für mich unvorstellbar, keine Haltung zu haben“

OMR Team29.9.2021

Der Unternehmer über die Verknüpfung von geschäftlichen Interessen und gesellschaftlichen Engagement

Mirco Wiegert
Mirco Wiegert (Foto: Eva Häberle)

Können und sollten Marken eine Haltung vertreten? Erwarten das die Konsumentinnen und Konsumenten? Riskieren Marken damit potenziell wirtschaftliche Nachteile? Oder ist das in der Aufmerksamkeitsökonomie vielleicht sogar hilfreich? Fragen wie diese sind im Marketing in den letzten Jahren im Zuge des „Purpose“-Trends heiß diskutiert worden. Als Vorzeigebeispiel in Sachen Haltung zeigen gilt in diesem Zusammenhang immer wieder fritz-kola. Gründer Mirco Wiegert erklärt im Interview mit OMR die Gründe für das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens, spricht über die Marketingstrategie – und geht darauf ein, ob sich beides Aspekte widersprechen müssen.

OMR: In den 80ern haben Coca-Cola und Pepsi Hunderte von Millionen für TV-Werbekampagnen ausgegeben. Ihr macht heute – so zumindest meine Wahrnehmung – vereinzelte Out-of- Home- und Guerilla-Aktionen, die ihre wirkliche Reichweite erst über Social Media bekommen. Reagiert Ihr damit einfach auf eine veränderte Medienlandschaft und -nutzung, oder steckt da auch eine Philosophie dahinter?

Mirco Wiegert: „Eine erste Möglichkeit, unsere Kola bekannter zu machen und Gutes zu tun, war der G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007. Wir durften zwei Camps von Aktivisten mit Gratis-fritz-kola ausstatten. Das war noch nicht viel, entsprach aber unserer Leistungsfähigkeit zu der Zeit. Den Einsatz gegen den Klimawandel und für den Schutz von Menschenrechten teilten wir auch schon in unserer frühen Phase, auch wenn wir als ‚Garagen-Kola‘ noch keinen Einfluss auf irgendetwas hatten. Erst Jahre später, zum G-20-Gipfel in Hamburg 2017, konnten wir uns intensiver mit gesellschaftlichen Themen beschäftigen und die kritischen Hamburger unterstützen. Der praktische Support bestand in Gratis-Getränkelieferungen für diverse Protestveranstaltungen wie zum Beispiel den Umzug „1000 Gestalten“, bei dem eine grau in grau gekleidete Menge durch die Innenstadt zog. Auch beim ‚Kochen in der Millerntorgallery‘, der Demo auf dem Heiliggeistfeld und der ‚Get-up-stand-up- Aktion‘ auf dem Spielbudenplatz waren wir präsent mit Gratis-Kola, ebenso im Medienzentrum, in den Protestcamps und auf der Abschlusskundgebung. Auch am Sponsoring des ‚Festivals der Demokratie‘ haben wir uns beteiligt.

Die größte Aufmerksamkeit haben wir sicherlich mit unseren ‚mensch, wach auf!‘-Plakaten erreicht. Die Motive wurden von der Agentur Blood entworfen, mit dem Künstler Sutosuto aus Hamburg umgesetzt und deutschlandweit plakatiert. Wir ließen schlafende Spitzenpolitiker zeichnen, aber bewusst nicht abwertend, verhöhnend oder karikaturenhaft. Die Botschaft war, dass Schlafen, also Nichtstun, angesichts einer Vielzahl globaler Probleme keine Option sein kann. Schlafen passt auch gut zu einer Kola mit vielviel Koffein, also dem Aufwecken.

 

Ihr steht für eine gewisse Haltung, teilweise bis zur Provokation. Habt Ihr keine Sorge, Euch damit in der Größe Eurer Zielgruppe zu beschränken?

Wiegert: „Wir leben in so spannenden Zeiten, dass es für mich unvorstellbar ist, keine Haltung zu gesellschaftlichen und politischen Fragen zu haben. Und das gilt nicht nur für mich als Person, sondern auch für die von mir mitgegründete und nach außen repräsentierte Firma. Unternehmer tragen Verantwortung und sind eine von vielen tragenden Säulen der Gesellschaft– sie können sie mit zerstören oder mit aufbauen. Ich will hier nur ein Beispiel von vielen aufführen; Antje von Dewitz, Unternehmerin hinter Vaude-Bergsportausrüstung, die mit ihrer Initiative „Bleiberecht für Arbeit“ sich zusammen mit anderen Unternehmern für die Integration Geflüchteter einsetzt. Als Unternehmer hinter fritz-kola wächst dem Team und mir zunehmends mehr Verantwortung zu, uns für eine nachhaltige und demokratische Gesellschaft einzusetzen. Vielleicht fällt es uns mit einer modernen Kola leichter als anderen Unternehmen, einen Beitrag zu leisten.“

 

Ihr steht ja auch hinter Initiativen wie „Trink aus Glas“ oder „Pfand gehört daneben“, bei denen nicht Eure Marke im Mittelpunkt steht, sondern eher gesellschaftliche Themen. Ist das aus unternehmerischer und wirtschaftlicher Sicht sinnvoll?

Wieger: „Die Verknüpfung von Geschäftsinteresse und Engagement kann durchaus kontrovers diskutiert werden: Meine Antwort lautet dazu: Ja, wir müssen Geld verdienen. Und, ja: Wir haben eine Haltung. Und noch mal ja: Die beiden Dinge lassen sich nicht klinisch trennen. Wir nutzen unsere Stärke, um unsere Haltung zu transportieren. Und natürlich nützt uns diese Haltung umgekehrt auch bei unseren Fans, indem sie die Identifikation mit unserem Produkt verstärkt. Ich kann es auch zuspitzen, indem ich sage: Als Unternehmer und Kaufmann bin ich schon deshalb gegen Krieg und Rassismus, weil sie die für mein Geschäft notwendige Stabilität stören. Doch vor dem Blick auf die Bilanzen steht der Blick auf die Menschen.

Die Aktion ‚Pfand Gehört Daneben‘ erinnert die Besitzer der leeren Pfandflaschen daran, sie ordentlich neben Abfalleimern abzustellen. So ersparen sie denen, die auf die Erlöse der gefundenen Flaschen angewiesen sind, das würdelose und mit Verletzungsgefahr verbundene Wühlen in Abfallbehältern. Zusätzlich landen deutlich mehr dieser Mehrweg-Flaschen zum Waschen und wieder Befüllen bei den Getränkeherstellern und nicht in der Müllverbrennung. 2015 löste sich die Gründerinitiative auf, weil der Gründer Matthias die Arbeit aus Zeitgründen abgeben musste. Wir wurden gefragt, ob wir das Projekt weiterbetreiben würden. Wir fanden: Das passt perfekt zu unseren sozialen und ökologischen Werten. Seither stecken sehr engagierte fritzen viel Arbeitszeit und Herzblut in diese Initiative, um möglichst viele Hersteller von Getränken in Glasmehrweg von der Teilnahme an ‚Pfand Gehört Daneben‘ zu überzeugen. Deren Engagement ermöglichte uns auch, in besonderen Hitzeperioden die ‚Hitzehilfe‘ zu unterstützen. Hier rufen wir mit Organisationen wie GoBanyo oder der Karuna-Sozialgenossenschaft dazu auf, obdachlosen Menschen in den Städten Wasserflaschen auszugeben. Der Erfolg lässt sich meistens an Bahnhöfen beobachten, wenn Wildfremde Obdachlosen geschlossene Wasserflaschen hinstellen und grüßend weitergehen. Im Jahr 2020 haben wir nun über 80 Partner, viele davon ebenfalls Getränkehersteller, für ‚Pfand Gehört Daneben‘ gewinnen können, um die Pfandgelder Bedürftigen leichter zugänglich zu machen. Wir haben außerdem angefangen, die Aktion als ‚Every Bottle Helps‘ in die Niederlande und nach Polen zu tragen.

Ich verstehe, dass die Gleichzeitigkeit von Haltung und Gewinnstreben für manche ein Geschmäckle hat. Wirklich verwerflich finde ich es allerdings nicht. Das wäre es nur dann, wenn unsere Haltung nicht echt wäre, sondern nur ein Marketing-Konstrukt. fritz-kola ist nicht einfach nur ein alternativer Laden, und auch nicht nur eine erfolgreiche Unternehmergeschichte, sondern beides – und das nicht fifty-fifty, sondern jeweils zu hundert Prozent.“

 

Wie stehst Du zu dem im Marketing so gehypten Begriff „Purpose“?

Wiegert: „In unserem allerersten, einseitigen Plan für fritz-kola haben wir die Grundlage für unser Marketing gelegt: Wir verkaufen Kola, weniger süß im Geschmack, mit mehr Koffein, in Glasportionsflaschen (Product), an Cafés, Bars, Clubs, Restaurants … also alle Orte, an denen Menschen eine schöne Zeit verbringen (Place), überwiegend an Studenten. Beim Preis war von Anfang an klar, dass wir uns an den Wettbewerbern orientieren mussten. Mit unseren sehr knappen finanziellen Mitteln blieb uns für Promotion vor der Erfindung sozialer Medien nur die 1:1-Kommunikation, sprich: mit den Leuten reden. Noch besser: Die Leute reden über uns, auch wenn wir nicht dabeistehen. Praktischerweise beinhaltete unser allererster Plan auch etwas, über dessen Bedeutung wir uns damals noch gar nicht im Klaren waren: Purpose oder Warum braucht es fritz-kola? Als Studenten und Freunde wollten wir ‚unser Ding‘ machen, selbstständig sein, uns praktischerweise mit Koffein wachhalten. Mit wachsendem Erfolg und zunehmender Bedeutung wurde uns dann klar, dass wir tatsächlich etwas bewirken können; also beispielsweise Glasmehrweg statt Plastikeinweg oder unsere Popularität nutzen und Haltung zu gesellschaftlich relevanten Themen zeigen. Später lernten wir, dass wir sogar Bauern überzeugen können, von konventionellem Rhabarberanbau auf Bio umzusteigen, wenn wir langfristige Abnahmevereinbarungen eingehen. So richtig bewusst wurde uns unser Purpose erst durch unsere Fans. Wir lernten die Zuschreibungen in den Rückmeldungen, Umfragen und Gesprächen. Menschen fingen an, sich bei uns zu bewerben, weil sie unseren Purpose oder Bestimmung, unsere Haltung, teilten.“

 

Wie und anhand welcher Kennzahlen messt Ihr, wie erfolgreich Euer Marketing ist?

Wiegert: „Das ist sehr umfangreich: Wir nutzen Nielsen und GFK Markt- und Konsumentenstudien bzw. Marktzahlen, wir nehmen qualitative Marktforschung zu ausgesuchten Themen oder auch Kampagnen vor, messen unsere Awareness und Image und lassen dies gegen die eigene Absatz- und Umsatzentwicklung laufen.“

 

Vielen Dank für das Gespräch!

FoodInterview
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